Unfall beim Rückwärtsfahren: Wer ist schuld, wer haftet?
25.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Bei Auffahrunfällen spricht der sogenannte "Beweis des ersten Anscheins" gegen den Fahrer des hinteren Fahrzeugs. Dieser ist es nämlich in der Regel, der den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat oder der aus Unachtsamkeit oder wegen zu hohem Tempo auf das vordere Fahrzeug aufgefahren ist. Allerdings stimmt diese Regel nicht immer. Schließlich sind auch Situationen denkbar, in denen der vordere Fahrer am Unfall schuld ist – zum Beispiel durch plötzliches grundloses Bremsen. Noch weniger eindeutig ist die Lage bei Unfällen beim Rückwärtsfahren. Auch hier gibt es vor Gericht eine Faustregel "der Rückwärtsfahrende hat Schuld". Diese kommt jedoch häufig nicht zur Anwendung.
Wer haftet, wenn auf einem Parkplatz Autos rückwärts rangieren und es dabei zur Kollision mit anderen Fahrzeugen kommt? Lange Zeit wendeten viele Gerichte hier § 9 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) an. Nach dieser Regelung darf man nur rückwärtsfahren, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Daraus lässt sich ein "Anscheinsbeweis" ableiten, der dafür spricht, dass der Rückwärtsfahrende schuld ist.
Wenn beide rückwärts gefahren waren, wurde die Haftung mit der Quote 50/50 aufgeteilt. Abweichungen waren möglich, wenn ein Auto bereits vor dem Unfall zum Stehen kam, obwohl manche Gerichte nicht einmal dann eine Ausnahme machen wollten (LG Kleve, Urteil vom 11.11.2009, Az. 5 S 88/09).
Diese Rechtsprechung hat allerdings der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen korrigiert. § 9 StVO ist zum Beispiel gar nicht ohne Weiteres auf Parkplätzen anwendbar. Zwar gilt die Straßenverkehrsordnung grundsätzlich auf allen öffentlich zugänglichen Parkplätzen (auch ohne Schild "hier gilt die StVO"). Viele ihrer Regeln sind jedoch nur auf Straßen anwendbar und nicht auf Parkplätzen, die dem ruhenden Verkehr dienen. Dies trifft zum Beispiel auf "rechts vor links" zu, aber auch auf § 9 Abs. 5 StVO. Eine Ausnahme gilt für Parkplätze, die wie eine Straße gestaltet sind, mit breiten Fahrbahnen, Kreuzungen und entsprechenden Linien.
Die einzige Regel aus der StVO, die in jedem Fall auch auf Parkplätzen gilt, ist § 1 StVO: das Rücksichtnahmegebot. Danach muss sich jeder Autofahrer grundsätzlich so verhalten, dass andere nicht geschädigt werden. Über dieses Gebot kann § 9 Abs. 5 als "Wertung" herangezogen werden. Das heißt: Wer auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, muss dafür sorgen, dass er sein Auto notfalls sofort anhalten kann. Wenn er mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, können zugunsten des Unfallgegners die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewendet werden. Die Folge ist, dass von der Schuld des Rückwärtsfahrenden ausgegangen wird. Dieser darf dann gerne vor Gericht versuchen, das Gegenteil zu beweisen.
Wenn feststeht, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, dass der Rückwärtsfahrende selbst bei der Kollision also noch nicht stand, spricht nach dem BGH auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrer seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall mindestens mitverursacht hat (Urteil vom 26.1.2016, Az. VI ZR 179/15). Wer bei der Kollision schon steht, hat also gute Karten.
Der BGH beschäftigte sich auch mit einem Fall, bei dem zwei Autos auf einem Baumarkt-Parkplatz beim gleichzeitigen Rückwärts-Ausparken miteinander kollidiert waren. Die Klägerin war offenbar kurz vor der Kollision noch zum Stehen gekommen.
Das Gericht ging bei dieser Kollision davon aus, dass nur zulasten des Beklagten ein Anscheinsbeweis galt. Wenn man nicht ausschließen könne, dass ein Auto bei der Kollision schon stand, handle es sich nicht mehr um den typischen Geschehensablauf. Damit falle der Anscheinsbeweis weg. Hier komme dies der Klägerin zugute.
Im Klartext: Weil die Klägerin hier bei der Kollision schon stand, der Beklagte aber noch fuhr, haftet der Beklagte. Jedenfalls überwiegend, denn auch die reine sogenannte Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin muss man noch unabhängig von ihrem Verschulden berücksichtigen (Urteil vom 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16).
Wenn ein Auto an einer öffentlichen Straße rückwärts aus einer Parklücke am Straßenrand ausfährt und dabei mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, welches sich normal auf der Straße vorwärts bewegt, ist grundsätzlich der Ausparkende schuld. Auch hier spricht nämlich wieder der "Anscheinsbeweis" dafür, dass dieser beim Rückwärtsfahren nicht vorsichtig genug war. Die maßgebliche Verkehrsregel ist § 10 StVO.
Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn feststeht, dass der Ausparkende schon so lange auf der Fahrbahn stand, dass sich der fließende Verkehr auf ihn einstellen konnte, muss der aufgefahrene Vorwärtsfahrer für den Unfall haften. Dies hat das Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden (Urteil vom 13.8.2020, Az. 4 U 6/20).
Parkt man an einer Einbahnstraße oder auf einem Autobahn-Parkplatz rückwärts aus, muss man sich trotz Einbahnverkehr nach beiden Richtungen absichern, ob der Weg frei ist. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg betont. Im verhandelten Fall war ein PKW auf einem Autobahn-Parkplatz mit dem Fahrzeug einer Autobahnmeisterei kollidiert, das bei Einbahnstraßenregelung in falscher Fahrtrichtung unterwegs war. Allerdings war dieses Fahrzeug dazu berechtigt. Das Gericht betonte: Autofahrer müssen wissen, dass immer Fahrzeuge mit Sonderrechten auch in verkehrter Richtung in einer Einbahnstraße unterwegs sein können - oder auch Fußgänger. Sie müssen sich daher beim rückwärts Ausparken in beide Richtungen absichern (23.4.2018, Az. 4 U 11/18).
Wenn man aus einer Parklücke neben einer Busspur rückwärts ausparkt und dabei mit einem PKW kollidiert, der zu Unrecht auf der Busspur fährt, haftet man allein. So hat das Kammergericht Berlin entschieden. Natürlich hat sich auch der Unfallgegner nicht an die Verkehrsregeln gehalten. Das Verbot des Befahrens der Busspur dient jedoch nicht der Unfallverhütung. Und: Es hätte ja auch ein Bus kommen können. Daher liegt die Pflicht, beim Rückwärtsfahren aufzupassen, hier ganz klar beim Ausparkenden (Urteil vom 14.12.2017, Az. 22 U 31/16).
Vor dem Kammergericht Berlin wurde ein besonders verzwickter Schadensfall verhandelt. Ein Auto mit Anhänger hatte auf einer einspurigen Straße links abbiegen wollen. Der dahinter fahrende PKW hatte versucht, gerade in diesem Moment rechts zu überholen. Der Fahrer des vorderen Fahrzeugs behauptete, dass ihm sein "Hintermann" aufgefahren sei. Dieser beharrte darauf, dass das Gespann vor dem Abbiegen angehalten habe und dabei rückwärts gerollt wäre. Auch ein Sachverständiger konnte die Schuldfrage nicht klären. Das Gericht erklärte: Der Linksabbieger mit Anhänger habe grundsätzlich nicht damit rechnen müssen, dass ihn jemand noch vor Ende des Abbiegevorgangs rechts überhole. Sei aber weder die eine, noch die andere Version auszuschließen, komme eine hälftige Schadensteilung in Frage (KG Berlin, Urteil vom 6.12.2004, Az. 12 U 28/04).
Das OLG Karlsruhe beschäftigte sich mit einem Baustellenunfall abseits des Geltungsbereichs der StVO. Ein großer Radlader hatte Abrissschutt in ein Sortiersieb geschüttet. Gleichzeitig rangierte dicht hinter ihm rückwärts ein LKW vorbei. Der Radlader setzte plötzlich zurück. Beide Rückwärttsfahrer kollidierten. Bei der Kollision entstanden allein am Radlader schon rund 40.000 Euro Schaden. Dessen Fahrer hatte bis zur Kollision nach vorn geschaut.
Das Gericht erklärte: Die Pflicht, in die Richtung zu schauen, in die man fährt oder sich bewegt, sei ein elementares Gebot sozialen Miteinanders. Dies gelte auf Baustellen genauso, wie im Straßenverkehr. Die beim Rückwärtsfahren mit einem großen Radlader entstehende Gefahr sei so erheblich, dass man ihr nur mit einer hinreichenden Beobachtung des rückwärtigen Raumes wirksam begegnen könne. Das Gericht ließ trotzdem den LKW-Fahrer mit 70 Prozent haften. Dieser hätte nämlich nicht einfach knapp hinter dem Radlader vorbeifahren dürfen, ohne zumindest einmal zu hupen (Urteil vom 23.5.2012, Az. 1 U 8/12).
Unabhängig davon, wo man rückwärts rangiert, sollte man sich nie darauf verlassen, dass gerade kein Auto kommt, dass keines kommen kann oder man irgendwelche Vorrechte hat. Sonst muss man womöglich mit hohen Schadensersatzforderungen rechnen. Bei der Beurteilung Ihres individuellen Falles und einem möglichen Verfahren vor Gericht hilft Ihnen ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.
Vor Gericht gilt bei Auffahrunfällen die altbekannte Vermutung, dass der Fahrer des hinteren Fahrzeugs den Unfall verursacht hat. Wie ist die Rechtslage, wenn man beim rückwärts Ausparken ein anderes Auto beschädigt?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Unfall auf dem Parkplatz: Wer ist schuld? Was sagt der Bundesgerichtshof zum Rückwärtsunfall auf dem Parkplatz? Beide fahren rückwärts: Was sagt der BGH? Rückwärtsfahren aus der Parklücke an der Straße Ausparken in der Einbahnstraße und auf dem Autobahn-Parkplatz Was gilt beim Ausparken an der Busspur? Was gilt, wenn die Schuldfrage nicht zu klären ist? Maximale Destruktion: Rückwärts mit dem Radlader Praxistipp zum Unfall beim Rückwärtsfahen Unfall auf dem Parkplatz: Wer ist schuld?
Wer haftet, wenn auf einem Parkplatz Autos rückwärts rangieren und es dabei zur Kollision mit anderen Fahrzeugen kommt? Lange Zeit wendeten viele Gerichte hier § 9 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) an. Nach dieser Regelung darf man nur rückwärtsfahren, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Daraus lässt sich ein "Anscheinsbeweis" ableiten, der dafür spricht, dass der Rückwärtsfahrende schuld ist.
Wenn beide rückwärts gefahren waren, wurde die Haftung mit der Quote 50/50 aufgeteilt. Abweichungen waren möglich, wenn ein Auto bereits vor dem Unfall zum Stehen kam, obwohl manche Gerichte nicht einmal dann eine Ausnahme machen wollten (LG Kleve, Urteil vom 11.11.2009, Az. 5 S 88/09).
Was sagt der Bundesgerichtshof zum Rückwärtsunfall auf dem Parkplatz?
Diese Rechtsprechung hat allerdings der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen korrigiert. § 9 StVO ist zum Beispiel gar nicht ohne Weiteres auf Parkplätzen anwendbar. Zwar gilt die Straßenverkehrsordnung grundsätzlich auf allen öffentlich zugänglichen Parkplätzen (auch ohne Schild "hier gilt die StVO"). Viele ihrer Regeln sind jedoch nur auf Straßen anwendbar und nicht auf Parkplätzen, die dem ruhenden Verkehr dienen. Dies trifft zum Beispiel auf "rechts vor links" zu, aber auch auf § 9 Abs. 5 StVO. Eine Ausnahme gilt für Parkplätze, die wie eine Straße gestaltet sind, mit breiten Fahrbahnen, Kreuzungen und entsprechenden Linien.
Die einzige Regel aus der StVO, die in jedem Fall auch auf Parkplätzen gilt, ist § 1 StVO: das Rücksichtnahmegebot. Danach muss sich jeder Autofahrer grundsätzlich so verhalten, dass andere nicht geschädigt werden. Über dieses Gebot kann § 9 Abs. 5 als "Wertung" herangezogen werden. Das heißt: Wer auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, muss dafür sorgen, dass er sein Auto notfalls sofort anhalten kann. Wenn er mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, können zugunsten des Unfallgegners die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewendet werden. Die Folge ist, dass von der Schuld des Rückwärtsfahrenden ausgegangen wird. Dieser darf dann gerne vor Gericht versuchen, das Gegenteil zu beweisen.
Wenn feststeht, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, dass der Rückwärtsfahrende selbst bei der Kollision also noch nicht stand, spricht nach dem BGH auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrer seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall mindestens mitverursacht hat (Urteil vom 26.1.2016, Az. VI ZR 179/15). Wer bei der Kollision schon steht, hat also gute Karten.
Beide fahren rückwärts: Was sagt der BGH?
Der BGH beschäftigte sich auch mit einem Fall, bei dem zwei Autos auf einem Baumarkt-Parkplatz beim gleichzeitigen Rückwärts-Ausparken miteinander kollidiert waren. Die Klägerin war offenbar kurz vor der Kollision noch zum Stehen gekommen.
Das Gericht ging bei dieser Kollision davon aus, dass nur zulasten des Beklagten ein Anscheinsbeweis galt. Wenn man nicht ausschließen könne, dass ein Auto bei der Kollision schon stand, handle es sich nicht mehr um den typischen Geschehensablauf. Damit falle der Anscheinsbeweis weg. Hier komme dies der Klägerin zugute.
Im Klartext: Weil die Klägerin hier bei der Kollision schon stand, der Beklagte aber noch fuhr, haftet der Beklagte. Jedenfalls überwiegend, denn auch die reine sogenannte Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin muss man noch unabhängig von ihrem Verschulden berücksichtigen (Urteil vom 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16).
Rückwärtsfahren aus der Parklücke an der Straße
Wenn ein Auto an einer öffentlichen Straße rückwärts aus einer Parklücke am Straßenrand ausfährt und dabei mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, welches sich normal auf der Straße vorwärts bewegt, ist grundsätzlich der Ausparkende schuld. Auch hier spricht nämlich wieder der "Anscheinsbeweis" dafür, dass dieser beim Rückwärtsfahren nicht vorsichtig genug war. Die maßgebliche Verkehrsregel ist § 10 StVO.
Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn feststeht, dass der Ausparkende schon so lange auf der Fahrbahn stand, dass sich der fließende Verkehr auf ihn einstellen konnte, muss der aufgefahrene Vorwärtsfahrer für den Unfall haften. Dies hat das Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden (Urteil vom 13.8.2020, Az. 4 U 6/20).
Ausparken in der Einbahnstraße und auf dem Autobahn-Parkplatz
Parkt man an einer Einbahnstraße oder auf einem Autobahn-Parkplatz rückwärts aus, muss man sich trotz Einbahnverkehr nach beiden Richtungen absichern, ob der Weg frei ist. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg betont. Im verhandelten Fall war ein PKW auf einem Autobahn-Parkplatz mit dem Fahrzeug einer Autobahnmeisterei kollidiert, das bei Einbahnstraßenregelung in falscher Fahrtrichtung unterwegs war. Allerdings war dieses Fahrzeug dazu berechtigt. Das Gericht betonte: Autofahrer müssen wissen, dass immer Fahrzeuge mit Sonderrechten auch in verkehrter Richtung in einer Einbahnstraße unterwegs sein können - oder auch Fußgänger. Sie müssen sich daher beim rückwärts Ausparken in beide Richtungen absichern (23.4.2018, Az. 4 U 11/18).
Was gilt beim Ausparken an der Busspur?
Wenn man aus einer Parklücke neben einer Busspur rückwärts ausparkt und dabei mit einem PKW kollidiert, der zu Unrecht auf der Busspur fährt, haftet man allein. So hat das Kammergericht Berlin entschieden. Natürlich hat sich auch der Unfallgegner nicht an die Verkehrsregeln gehalten. Das Verbot des Befahrens der Busspur dient jedoch nicht der Unfallverhütung. Und: Es hätte ja auch ein Bus kommen können. Daher liegt die Pflicht, beim Rückwärtsfahren aufzupassen, hier ganz klar beim Ausparkenden (Urteil vom 14.12.2017, Az. 22 U 31/16).
Was gilt, wenn die Schuldfrage nicht zu klären ist?
Vor dem Kammergericht Berlin wurde ein besonders verzwickter Schadensfall verhandelt. Ein Auto mit Anhänger hatte auf einer einspurigen Straße links abbiegen wollen. Der dahinter fahrende PKW hatte versucht, gerade in diesem Moment rechts zu überholen. Der Fahrer des vorderen Fahrzeugs behauptete, dass ihm sein "Hintermann" aufgefahren sei. Dieser beharrte darauf, dass das Gespann vor dem Abbiegen angehalten habe und dabei rückwärts gerollt wäre. Auch ein Sachverständiger konnte die Schuldfrage nicht klären. Das Gericht erklärte: Der Linksabbieger mit Anhänger habe grundsätzlich nicht damit rechnen müssen, dass ihn jemand noch vor Ende des Abbiegevorgangs rechts überhole. Sei aber weder die eine, noch die andere Version auszuschließen, komme eine hälftige Schadensteilung in Frage (KG Berlin, Urteil vom 6.12.2004, Az. 12 U 28/04).
Maximale Destruktion: Rückwärts mit dem Radlader
Das OLG Karlsruhe beschäftigte sich mit einem Baustellenunfall abseits des Geltungsbereichs der StVO. Ein großer Radlader hatte Abrissschutt in ein Sortiersieb geschüttet. Gleichzeitig rangierte dicht hinter ihm rückwärts ein LKW vorbei. Der Radlader setzte plötzlich zurück. Beide Rückwärttsfahrer kollidierten. Bei der Kollision entstanden allein am Radlader schon rund 40.000 Euro Schaden. Dessen Fahrer hatte bis zur Kollision nach vorn geschaut.
Das Gericht erklärte: Die Pflicht, in die Richtung zu schauen, in die man fährt oder sich bewegt, sei ein elementares Gebot sozialen Miteinanders. Dies gelte auf Baustellen genauso, wie im Straßenverkehr. Die beim Rückwärtsfahren mit einem großen Radlader entstehende Gefahr sei so erheblich, dass man ihr nur mit einer hinreichenden Beobachtung des rückwärtigen Raumes wirksam begegnen könne. Das Gericht ließ trotzdem den LKW-Fahrer mit 70 Prozent haften. Dieser hätte nämlich nicht einfach knapp hinter dem Radlader vorbeifahren dürfen, ohne zumindest einmal zu hupen (Urteil vom 23.5.2012, Az. 1 U 8/12).
Praxistipp zum Unfall beim Rückwärtsfahen
Unabhängig davon, wo man rückwärts rangiert, sollte man sich nie darauf verlassen, dass gerade kein Auto kommt, dass keines kommen kann oder man irgendwelche Vorrechte hat. Sonst muss man womöglich mit hohen Schadensersatzforderungen rechnen. Bei der Beurteilung Ihres individuellen Falles und einem möglichen Verfahren vor Gericht hilft Ihnen ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.
(Bu)