Unfall mit Einparkassistent: Haftet der Autofahrer trotzdem?

28.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Auto,Beule Wer haftet, wenn die Einparkhilfe versagt? © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Einparkhilfen: Als technische Einparkhilfen sind in Autos insbesondere akustische Einparkhilfen, selbstlenkende Einparkassistenten, Parksensoren oder Rückfahrkameras verbaut.

2. Haftung bei Unfällen: Im Kfz eingebaute Einparkhilfen sind nach gängiger Rechtsprechung lediglich technische Hilfsmittel. Dem Fahrzeugführer obliegt trotz dieser Hilfen die allgemeinen Sorgfaltspflicht, umsichtig zu fahren. Verletzt er diese, haftet er bei Unfällen für den entstandenen Schaden.

3. Bußgeld: Kommt es wegen einer defekten Einparkhilfe, z.B. der Rückfahrkamera, zu einem Unfall, weil der Fahrzeugführer seine allgemeine Sorgfaltspflicht missachtet hat, droht ein Bußgeld und ein Punkt in Flensburg.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein schönes, neues Auto mit vielen Assistenzsystemen. Dazu gehören natürlich ein Einparkassistent und die Rückfahrkamera, mit der ab dem 7. Juli 2024 alle Neuwagen ausgestattet sein müssen. Sie müssen also nur noch Gas geben oder bremsen, alles andere erledigt das Auto von selbst. Prima, denken Sie sich, und fahren zum Baumarkt. Beim rückwärts Einparken lassen Sie dem Assistenten freie Hand. Und rrrums! Zwischen Ihrem Auto und dem Fahrzeug dahinter stand der neue Rasenmäher, den der andere Fahrer gerade einladen wollte. Ihre schöne neue Heckklappe ist eingedellt. 2.000 Euro veranschlagt der Gutachter – und berechnet Ihnen nochmal 500 Euro für seine Arbeit. Der wutentbrannte Unfallgegner möchte einen neuen Rasenmäher. Wer zahlt nun den Schaden? Sie allein? Oder durften Sie sich auf den Einparkassistenten inklusive Rückfahrkamera verlassen?

Welche Einparkhilfen gibt es?


Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Einparkhilfen. Zum Beispiel sind Parksensoren in Gebrauch, die bei der Annäherung an ein Hindernis einen mit abnehmender Entfernung immer eindringlicheren Warnton von sich geben. Auch gibt es Rückfahrkameras. Diese müssen seit dem 7. Juli 2024 in sämtliche Neuwagen eingebaut werden. Obendrein gibt es auch sogenannte aktive Systeme mit Lenkunterstützung. Dabei übernimmt der elektronische Parkassistent mit Hilfe von Sensordaten das Lenken während des Einparkens. Der Fahrer selbst gibt Gas oder betätigt die Bremse. Auch vollständig selbst einparkende Systeme sind bereits auf dem Markt. Wer haftet nun, wenn es bei Nutzung solcher technischen Helferlein zu einem Unfall kommt?

Fall: Mietwagen mit akustischer Einparkhilfe


Das Amtsgericht München hat sich vor ein paar Jahren mit einem Unfall bei der Nutzung einer akustischen Einparkhilfe befasst. Ein Autofahrer hatte bei einer Autovermietung einen PKW gemietet. Im Mietvertrag war für den Fall eines vom Fahrer verursachten Schadens eine Eigenbeteiligung von 750 Euro vereinbart. Die Einparkhilfe des Autos war ein sogenanntes "PDC-System". Beim Rückwärtsfahren warnt dieses durch akustische Signale vor Hindernissen.

Der Mieter des Fahrzeugs wollte dieses beim Zurückgeben auf dem Parkplatz der Autovermietung in eine Parkgarage stellen. Er parkte rückwärts ein und verließ sich dabei auf die Einparkhilfe. Allerdings gab es an der rückwärtigen Begrenzung des Parkplatzes in Höhe des Abtaststrahls des PDC einen Hohlraum. Deswegen erfasste der Abtaststrahl nicht die höher gelegene Begrenzung des Stellplatzes. Der Hohlraum unterhalb der Begrenzung wurde erfasst. Das Auto kollidierte mit der Rückwand. Am Fahrzeug entstand ein Schaden in Höhe von 788 Euro. Die Autovermietung forderte vom Mieter Schadensersatz in Höhe der Eigenbeteiligung, da er sich schuldhaft allein auf die Einparkhilfe verlassen habe.

Wie entschied das Gericht zur akustischen Einparkhilfe?


Das Gericht gestand der Autovermietung den Betrag zu. Der Schaden sei vom Fahrer fahrlässig verursacht worden. Fahrlässig handele, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse, wenn der Eintritt eines Schadens vorhersehbar und auch vermeidbar sei. Erforderlich sei das Ausmaß an Umsicht und Sorgfalt, das ein besonnener und gewissenhafter Verkehrsteilnehmer im Normalfall an den Tag lege.

Bei der Nutzung einer Einparkhilfe dürfe sich ein Autofahrer nicht darauf verlassen, dass diese zuverlässig in jedem Fall und bei jedem Hindernis ein Warnsignal gebe. Insbesondere beim Rückwärtsfahren müsse man hohe Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt des Autofahrers stellen. Dieser müsse sich trotz Einparkhilfe immer zusätzlich durch eigene Beobachtungen per Blick in den Rückspiegel, durch Umschauen, gegebenenfalls durch Aussteigen aus dem Auto vergewissern, wie weit ein sicheres Rückwärtsfahren möglich sei. Der Fahrer des Mietwagens haftete daher hier in Höhe der Eigenbeteiligung (Amtsgericht München, Urteil vom 19.7.2007, Az. 275 C 15658/07).

Fall: Was gilt bei einem Unfall mit Einparkassistent?


Auch bei einer automatisch lenkenden Einparkhilfe kann es zu einem Unfall kommen. Das Amtsgericht Gelsenkirchen bechäftigte sich mit einem solchen Fall. Ein Autofahrer hatte die Einparkautomatik seines Wagens verwendet, um rückwärts in eine Parklücke zwischen anderen PKW zu fahren. Diese Parklücke lag parallel zur Fahrbahn. Beim rückwärts einparken kollidierte er mit dem dahinter stehenden Fahrzeug. Er glaubte sich jedoch im Recht, weil er ja eine Einparkhilfe benutzt hatte. Daher verklagte er den anderen Autofahrer auf Schadensersatz. Dieser hatte dafür wenig Verständnis. Schließlich hatte er zum Unfallzeitpunkt nur in seinem stehenden Fahrzeug gesessen. Nun sah er nicht ein, warum er für den Schaden aufkommen sollte.

Wie hat das Gericht zum Einparkassistenten entschieden?


Auch das Amtsgericht hatte für diese Argumentation wenig Verständnis. Es wies die Klage des Einparkhilfen-Nutzers ab. Hier deute gar nichts auf ein Verschulden des Unfallgegners hin. Dessen Auto habe zum Unfallzeitpunkt gestanden und sei auf vollkommen zulässige Weise geparkt gewesen. Obendrein habe der einparkende Autofahrer das andere Auto gut sehen können.

Der Kläger selbst habe jedoch gegen § 9 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Danach müsse man beim Rückwärtsfahren besonders vorsichtig sein. Als Autofahrer müsse man sich dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Notfalls muss man sogar aussteigen und sich einweisen lassen. Der Kläger habe all dies nicht getan und sich stattdessen blind auf seine Einparkhilfe verlassen. Das habe er jedoch nicht gedurft. Jeder Autofahrer habe die Pflicht, selbst aufzupassen, dass es beim Rückwärtsfahren nicht zu einem Unfall komme.

In diesem Fall sprach auch der sogenannte Anscheinsbeweis gegen den Kläger. Das bedeutet: Bei einem Unfall beim Rückwärtsfahren geht man zunächst davon aus, dass der Rückwärtsfahrende unaufmerksam war. Dieser darf dann versuchen, das Gegenteil zu beweisen. Es gab hier jedoch keine Beweise für eine Schuld des anderen Fahrers. Das Ergebnis: Der Autofahrer, der die Einparkhilfe benutzt hatte, musste allein für den Schaden aufkommen (Urteil vom 3.5.2016, Az. 427 C 74/15).

Trotz Parksensor gegen die Mauer – wer zahlt?


Das Amtsgericht Hamburg hat sich mit einem weiteren Mietwagenfall befasst. Hier war ein Fahrzeugmieter beim Rückwärts-Einparken gegen eine Mauer gefahren. Beim Rangieren hatte er sich auf den akustischen Warnton der Einparkhilfe verlassen. Diese blieb jedoch stumm. Der Fahrzeugmieter meinte, dass wohl ein Sensor defekt gewesen sein müsse. Daher wollte er den Schaden nicht zahlen.

Dem Gericht zufolge kommt es jedoch überhaupt nicht darauf an, ob die Sensoren intakt oder defekt waren. Ein Parksensor sei ein reines technisches Hilfsmittel, auf das sich der Fahrer nicht verlassen dürfe. Autofahrer müssten bedenken, dass ein solcher Sensor immer nur einen Ausschnitt des hinter dem Auto liegenden Bereiches erfassen könne. Daher könne es bei einem Bordstein oder einer kleineren Mauer durchaus zu einem Kontakt des Fahrzeugs mit einem Hindernis kommen, das der Sensor nicht erfasst habe. Die Straßenverkehrsordnung verpflichte Fahrer dazu, beim Rückwärtsfahren nach hinten zu schauen und sich zu vergewissern, dass dort kein Hindernis sei. Der Fahrer musste daher auch in diesem Fall in Höhe seiner Eigenbeteiligung für den Schaden haften (AG Hamburg, Urteil vom 24.2.2016, Az. 49 C 299/15).

Wie ist die Haftung bei Unfällen mit Rückfahrkamera?


Seit dem 7. Juli 2024 müssen Autohersteller in alle Neuwagen eine Rückfahrkamera einbauen. Auch eine im Auto verbaute Rückfahrkamera befreit den Fahrer oder die Fahrerin jedoch nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht. Der Fahrzeugführer muss trotzdem sein Umfeld beobachten und zum Beispiel den Schulterblick anwenden. Die Rückfahrkamera dient lediglich als Hilfsmittel, das dem Autofahrer beim Ein- und Ausparken eine bessere Orientierung bieten soll. Sie schützt nicht vor einer Haftung, wenn es trotzdem zu einer Kollision kommt.

Welche Strafen drohen bei Unfällen wegen defekter Fahrerassistenzsysteme?


Wenn es wegen eines defekten Fahrerassistenzsystems zu einem Unfall kommt, weil der Fahrer die ihm obliegende allgemeine Sorgfaltspflicht nicht beachtet hat, drohen ein Bußgeld und ein Punkt in Flensburg. Kollidiert man zum Beispiel beim Einparken mit der Rückfahrkamera mit einem anderen Auto, ist mit 100 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg zu rechnen. Wenn andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden, muss der Fahrzeugführer 80 Euro bezahlen und erhält ebenfalls einen Punkt in Flensburg. Wurde lediglich die Sorgfaltspflicht missachtet, werden 35 Euro Bußgeld fällig.

Mit welchen Fehlfunktionen müssen Autofahrer bei Einparkassistenten rechnen?


Einparkassistenten arbeiten nicht fehlerfrei. Bekannte Schwachstellen sind:

- Falsche Abstandsmessung bei starkem Regen oder Schnee,
- flache Bordsteine oder tiefliegende Hindernisse werden nicht erkannt,
- aktive Parkassistenten erkennen nicht jede Parklücke,
- Sensoren können beschädigt oder verschmutzt sein.

Was ist nach einem Unfall mit Einparkhilfe zu beachten?


Auch ein Unfall mit einem Einparkassistenten ist ein Unfall. Wenn nötig, ist zuerst die Unfallstelle abzusichern. Ist der Geschädigte nicht anwesend, sollte man als Autofahrer mindestens 30 Minuten abwarten, ob jemand kommt, und dann die Polizei rufen. Wer sich stattdessen einfach entfernt, begeht eine Fahrerflucht und macht sich strafbar. Dies gilt auch bei vermeintlich kleinen Schäden, denn auch diese können teuer werden.

Praxistipp zur Haftung bei Verwendung von Einparkhilfen


Automatische Assistenzsysteme wie akustische Einparkhilfen, Einparkassistenten, Parksensoren oder Rückfahrkameras befreien den Fahrer nicht aus seiner Verantwortung. Versagen sie, haftet er, notfalls auch allein, für den Schaden. Daher sollten Sie als Fahrer oder Fahrerin trotz technischer Hilfsmittel immer selbst sicherstellen, dass kein Unfall passiert. Kommt es dann doch zu einem Schaden oder einem Verkehrsunfall, kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kompetent beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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