Unfallflucht – wann mache ich mich strafbar?

25.09.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Unfallflucht,Fahrerflucht,Autounfall,Schadensersatz Kfz-Unfall: Eine Fahrerflucht kann teuer werden © Bu - Anwalt-Suchservice

Bei einem Unfall mit einem Kfz sind leichte bis schwere Sach- und Personenschäden an der Tagesordnung. Einige Unfallverursacher machen sich aus dem Staub, um der Haftung zu entgehen. Welche strafrechtlichen Folgen drohen?

Bei den meisten Menschen verursacht ein Autounfall zunächst eine Art Schock. Dieser führt oft nicht unbedingt zu logischen Reaktionen. Es kann sogar eine Art Fluchtreflex ausgelöst werden. Wenn ein parkendes Auto beschädigt wurde, ein fremder Gartenzaun demoliert oder öffentliches Eigentum wie eine Leitplanke verbeult wurde, ist die Versuchung groß, sich zügig zu entfernen. In diesem Moment ist ja auch kein Geschädigter vor Ort, der auf einer Feststellung von Personalien bestehen könnte. Wenn ein Unfallschaden unter Alkoholeinfluss verursacht wurde, ist die Motivation besonders hoch, den Unfallort fluchtartig zu verlassen. Denn hier ist die Fahrerlaubnis in Gefahr. Hinzu kommt: Immer noch glauben viele Verkehrsteilnehmer, dass es nach der Beschädigung eines parkenden Fahrzeugs ausreicht, eine Visitenkarte oder einen Zettel mit seiner Adresse hinterm Scheibenwischer zu hinterlassen. Dies ist jedoch ein Irrtum.

Was bedeutet unerlaubtes Entfernen vom Unfallort?


Die Unfallflucht ist in § 142 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Sie stellt also keine Ordnungswidrigkeit dar, sondern eine Straftat. Diese begeht man, indem man sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor man

- den anderen Beteiligten und Geschädigten die Feststellung seiner Personalien, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat,
- eine nach den jeweiligen Umständen angemessene Zeit vor Ort gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, diese Informationen entgegenzunehmen.

Ebenso macht man sich strafbar, wenn man

- zwar eine angemessene Zeit wartet, sich dann jedoch vom Unfallort entfernt, ohne unverzüglich nachträglich die entsprechenden Feststellungen zu ermöglichen,
- sich berechtigtermaßen oder entschuldigt entfernt, ohne unverzüglich nachträglich die Feststellungen zu ermöglichen. So ist man zum Beispiel entschuldigt, wenn man Hilfe holt oder dringend selbst ärztliche Hilfe benötigt.

Im Klartext: Auch eine angemessene Zeit vergeblich zu warten, befreit niemanden von der Pflicht, sich unverzüglich auf einer nahegelegenen Polizeidienststelle zu melden. Dort sind die erforderlichen Angaben zum Unfall und den eigenen Personalien zu machen. Wer dies unterlässt, muss mit der gleichen Strafe rechnen wie bei einer "normalen" Unfallflucht. Übrigens: Sein beschädigtes Auto muss man nach einem Unfall für eine gewisse Zeit im Unfallzustand lassen, damit ggf. eine Begutachtung möglich ist.

Mit welchen Strafen muss man nach einer Unfallflucht rechnen?


Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Allerdings kann das Gericht die Strafe abmildern oder komplett darauf verzichten, wenn der Betreffende sich innerhalb von 24 Stunden freiwillig gemeldet hat. Die Voraussetzungen dafür sind, dass es bei dem Unfall keinen Personenschaden gegeben hat, dass der Sachschaden gering war und sich der Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs ereignet hat (also etwa die typischen Parkrempler). Vorsicht: Wenn die Polizei mit ihren Ermittlungen der freiwilligen Meldung zuvorkommt, hat man Pech: Eine "Nachmeldung" zählt nur, wenn der Unfallverursacher nicht schon ermittelt wurde.

Wer ist Unfallbeteiligter?


Als Unfallbeteiligter gilt jeder, der durch sein Verhalten irgendwie zu dem Unfall mit beigetragen haben kann. Dies kann zum Beispiel auch ein Fußgänger sein, der mit seinem Smartphone vor der Nase eine Straße überquert hat, so dass ein Auto bremsen musste und einen Auffahrunfall verursachte. Oder ein Hundehalter, dessen Tier plötzlich auf die Straße gelaufen ist und einen Unfall verursacht hat, ohne überhaupt ein Fahrzeug zu berühren.

Übrigens: Vor Gericht kann sogar ein öffentlich zugänglicher Supermarkt-Parkplatz unter "Straßenverkehr" laufen. Dies gilt jedoch nicht für einen Privatweg auf einem nicht allgemein zugänglichen Grundstück. Auch die Beschädigung einer Leitplanke gilt als Unfall. Immerhin muss aus Sicht der Gerichte für eine Unfallflucht ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden sein. Aber: Mit der Beurteilung, dass es ja nur ein Kratzer ist, sollte man sehr vorsichtig sein. Jegliche Karosserie- oder Lackarbeiten an Autos werden sehr schnell teuer.

Was lang ist die angemessene Wartezeit nach einem Unfall?


Dafür gibt es keine allgemein verbindlichen Regeln. Welche Wartezeit angemessen ist, hängt von der Größe des Schadens ab. Ebenso spielen das Wetter, die Verkehrsdichte und weitere Faktoren eine Rolle. Findet ein Unfall bei Nacht statt, in einer verlassenen Gegend, und gibt es nur einen geringen Schaden, muss man nicht so lange warten wie in der Stadt, tagsüber und bei einem größeren Schaden. Oft fordern die Gerichte eine Wartezeit von mindestens 30 Minuten, bei größeren Schäden auch schon mal von 90 Minuten. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, die Polizei zu rufen, damit diese den Unfall aufnimmt.

Reicht ein Zettel hinter der Windschutzscheibe?


Nein. Das Hinterlassen von Zetteln oder Visitenkarten an der Windschutzscheibe des Unfallgegners ist nicht ausreichend. Es schützt den Verursacher nicht vor einer Bestrafung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Zettel oder Karten können davonfliegen, nass werden oder von irgendwem weggenommen werden. Auch wenn sie hängen bleiben, erfüllt man damit seine Pflichten nicht.

Begehe ich Fahrerflucht, wenn ich den Unfall gar nicht bemerkt habe?


Einige Unfallverursacher bemerken einen Unfall gar nicht. 2015 befasste sich das Kammergericht Berlin mit dem Fall einer PKW-Fahrerin. Diese erklärte, dass ihr die Kollision mit einem anderen Auto gar nicht aufgefallen war. Eine Strafbarkeit erfordert hier Vorsatz. Wer gar nichts von einem Unfall weiß, kann sich auch nicht vorsätzlich unerlaubt vom Unfallort entfernen.

Hier reicht zwar auch ein sogenannter bedingter Vorsatz aus (also ein In-Kauf-Nehmen). Das Kammergericht entschied jedoch: Eine Strafe setze voraus, dass der Unfallverursacher den Unfall wirklich wahrgenommen oder zumindest mit der Möglichkeit eines Unfalls gerechnet habe (Beschluss vom 8.7.2015, Az. (3) 121 Ss 69/15 (47/15)).

Was gilt, wenn ich erst später merke, dass es einen Unfall gab?


Unter Umständen realisiert ein Autofahrer erst nach mehreren Kilometern, dass er womöglich ein anderes Fahrzeug beschädigt hat. Zu einem solchen Fall hat das OLG Düsseldorf am 1.10.2007 (Az. III-2 Ss 142/07-69/07 III) entschieden. Hier war dem Fahrer nicht aufgefallen, dass er ein parkendes Auto gestreift hatte. Allerdings fuhr ihm eine Zeugin mehrere Kilometer weit hupend hinterher und klärte ihn schließlich auf. Das Gericht erläuterte:

- Wenn man sich vom Unfallort entfernt, ohne etwas von dem Unfall zu wissen, macht man sich nicht strafbar.
- Man kann sich jedoch strafbar machen, wenn man von dem Unfall erfährt, solange noch ein sogenannter "räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen" vorhanden ist – solange man sich also noch in der Nähe aufhält und damit zu rechnen ist, dass am Unfallort der Geschädigte auftaucht und wissen will, wo die Beule an seinem Auto herkommt.
- Dieser Zusammenhang entfällt, wenn der Unfallbeteiligte nach dem Unfall innerorts noch fünf bis zehn Minuten lang weitergefahren ist und dabei etwa drei Kilometer zurückgelegt hat, bevor er von dem Unfall erfuhr.

Da dies hier der Fall gewesen war, wurde der Mann freigesprochen.

Können auch Fußgänger Unfallflucht begehen?


Auch unmotorisierte Verkehrsteilnehmer können sich strafbar machen, zum Beispiel Fußgänger, Radfahrer und Skater. Jeder, der in irgendeiner Weise in einen Unfall verwickelt sein könnte, hat die Pflicht, vor Ort zu bleiben und die Feststellung seiner Personalien und der Art seiner Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Wenn die Polizei erst einmal zu Hause vor der Tür steht, ist ein Strafverfahren unvermeidbar.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf befasste sich mit dem Fall eines Mannes, der auf einem Parkplatz eines Supermarktes Einkäufe in sein Auto geladen hatte. Plötzlich rollte sein Einkaufswagen davon und kollidierte mit einem geparkten Auto. Er tat nichts und fuhr nach Hause. Allerdings wurde er ermittelt und bekam eine Strafanzeige. Das Gericht betrachtete das Ganze als Unfall im Straßenverkehr. Zu diesem gehöre auch das Be- und Entladen und das Betreten von Verkehrsflächen durch Fußgänger. Die Beseitigung des Lackkratzers kostete 1.500 Euro. Zusätzlich zu dem Schaden – den der Unfallgegner nach dem Zivilrecht geltend machen muss – wurde der Mann vom Strafgericht zu einer Geldstrafe verurteilt (Urteil vom 7.11.2011, Az. III-1 RVs 62/11).

Was unterscheidet die Unfallflucht per Auto von der bei Fußgängern?


Wenn das Gericht entscheidet, dass die Tat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, verhängt es unter Umständen zusätzlich zur Geldstrafe ein Fahrverbot für bis zu sechs Monate (§ 44 Abs. 1 StGB). Auch das Thema Versicherung darf man nicht vergessen: War das eigene Auto des Schadensverursachers beteiligt, zahlt dessen Kfz-Haftpflichtversicherung den Fremdschaden (nicht die Geldstrafe). Anderenfalls zahlt höchstens seine Privathaftpflicht. Faustregel: War das Auto noch abgeschlossen, war es am Unfall auch nicht beteiligt.

Unfallflucht: Was gilt als Bagatellschaden?


Als Bagatellschäden betrachtet man kleine Schäden, die sich mit geringen Kosten beseitigen lassen oder auf deren Beseitigung man einfach verzichtet. Dafür gibt es keine klare betragsmäßige Grenze. Teilweise ist von 50 Euro bis 400 oder 500 Euro die Rede. Gelegentlich bietet die Staatsanwaltschaft an, das Verfahren einzustellen, wenn der Unfallverursacher einen Strafbefehl akzeptiert. Damit verpflichtet sich dieser zur Zahlung einer Geldstrafe. Die im Strafbefehl genannte Strafe mag gering sein. Man sollte jedoch wissen, dass trotzdem ein Eintrag im Bundeszentralregister droht.

Ob es sich empfiehlt, ein solches Angebot anzunehmen, hängt von den Umständen ab. Dabei ist anwaltliche Beratung wichtig. Wer das Angebot annimmt, riskiert unter Umständen Ärger mit seiner Versicherung. Die Haftpflichtversicherung kann darin ein Schuldeingeständnis sehen und stellt unter Umständen Regressforderungen. Das heißt: Sie fordert vom Kunden den an den Unfallgegner gezahlten Betrag zurück.

Die Kaskoversicherung wiederum betrachtet womöglich das unerlaubte Entfernen vom Unfallort als Obliegenheitsverletzung. Der Kunde ist vertraglich verpflichtet, eine Aufklärung des Unfallgeschehens zu ermöglichen. Dazu gehört auch sein Promillepegel. Diese Überlegung entfällt bei einem Bagatellschaden.

In der Praxis wird fast nie ein echter Bagatellschaden vorliegen. Bereits ein kleiner Kratzer im Lack kann bei fachgerechter Reparatur heute einen vierstelligen Betrag kosten. Durch Gutachterhonorare und die Zahlung von Nutzungsausfällen verteuert sich alles noch mehr.

Wie gehe ich am besten vor, wenn gegen mich wegen Unfallflucht ermittelt wird?


Mit einem Sachverständigengutachten lässt sich manchmal nachweisen, dass man als Fahrer den Unfall gar nicht bemerkt hat. Wenn bei einer Unfallflucht nur das Kennzeichen, nicht aber die Identität des Fahrers festgehalten wird, kann ein Tatnachweis häufig nur geführt werden, wenn der Halter – der dann zunächst als Beschuldigter geführt wird – sich zum Sachverhalt äußert. Daher empfiehlt es sich für den Halter des Fahrzeugs, zu den erhobenen Vorwürfen zu schweigen. Dazu ist er berechtigt. Antwortet der Halter auf die Frage, wer den PKW regelmäßig fährt oder gar am Tattag gefahren ist, überführt er möglicherweise einen Angehörigen oder sich selbst. Denn: Nicht immer können Zeugen eine Personenbeschreibung des Fahrers liefern.

Praxistipp zur Unfallflucht


Nach einem Unfall sollte man unbedingt ausreichend lange warten oder die Polizei rufen. Es lohnt sich nicht, hier ein Risiko einzugehen. Die Folgen sind in aller Regel schlimmer, wenn Sie sich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verantworten müssen. Bei einem Straf- oder Ermittlungsverfahren sollten Sie einen Fachanwalt für Verkehrsrecht oder Strafrecht hinzuziehen.

(Wk)


 Günter Warkowski
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
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