Berufskrankheit: Meldung, Anerkennung und Rente
03.07.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Zu den typischen Berufskrankheiten zählen Allergien, Hauterkrankungen oder Arthrosen und Bandscheibenschäden. Aber auch Lärmschwerhörigkeit, Krebserkrankungen oder Lungenkrankheiten bei Personen, die Schadstoffen ausgesetzt waren, gehören dazu. Die anerkannten Berufskrankheiten sind in der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgelistet. Diese Liste ist jedoch nicht abschließend. Die Gerichte haben immer wieder auch Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt, die nicht auf der Liste standen - allerdings erst auf eine Klage der betroffenen Arbeitnehmer hin.
Viele Arbeitnehmer arbeiten heute ständig mit der Computermaus. Folge kann eine schmerzhafte Erkrankung des Ellenbogens sein, ähnlich dem von Sportlern bekannten "Tennisarm". Die Gerichte sahen diese lange Zeit nicht als Berufskrankheit an. Dies gilt zum Beispiel für das Hessische Landessozialgericht im Fall eines Arbeitnehmers, der seine Erkrankung an Epicondylitis humeri radialis (sogenannter Tennisellenbogen) auf seine Bürotätigkeit zurückführte. Der Mann hatte mehr als drei Viertel seiner täglichen Arbeitszeit damit verbracht, am Computer komplexe Datenlisten zu bearbeiten und dabei ständig mit der Computermaus hoch- und herunter zu scrollen. Das Gericht meinte jedoch, dass solche Arbeitsabläufe keinen "Tennisellenbogen" auslösen könnten. Die Arbeit mit der Maus sei schließlich nicht so anstrengend wie das Klavierspielen. Unklar blieb, wie das Gericht auf dieses Beispiel kam (29.10.2013, Az. L 3 U 28/10).
Es gibt jedoch auch andere Urteile.
So entschied das Verwaltungsgericht Aachen zugunsten einer Finanzbeamtin, die sich infolge dauernder PC-Arbeit eine Sehnenscheidenentzündung im Unterarm zugezogen hatte. Das Gericht erkannte diese Erkrankung als Berufskrankheit an. Ein vom Gericht eingeholtes Gutachten hatte den Zusammenhang zwischen Arbeit und Erkrankung bestätigt (14.4.2011, Az. 1 K 1203/09).
Das Verwaltungsgericht Ansbach stellte fest, dass eine "Epicondylitis lateralis humeri" grundsätzlich eine Berufskrankheit sein könne. Es müsse jedoch die gesetzliche Definition erfüllt sein. Soll heißen: Es muss sich um eine Erkrankung "der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze" handeln, die den Arbeitnehmer zur Unterlassung der sie auslösenden Tätigkeiten zwingt. Nicht ausreichend ist ein laienhafter Verdacht auf "Tennisarm" (Urteil vom 14.3.2019, Az. AN 1 K 17.00813).
Erkrankungen der Sehnen und Sehnenscheiden stehen inzwischen in der Liste der Berufskrankheitenverordnung. Zum Teil wird jedoch eine Sehnenscheidenentzündung trotzdem nicht anerkannt. Dann hilft nur noch der Gang vor Gericht.
Der Umgang mit Pestiziden kann die Parkinson-Krankheit verursachen. Dabei treten die Symptome häufig erst mit zeitlicher Verzögerung auf. Dies erschwert die Anerkennung als Berufskrankheit. In einem Fall vor dem Bayerischen Landessozialgericht hatte ein Landwirt fast 30 Jahre lang Hopfen angebaut und mehrmals im Jahr Schädlingsbekämpfungs-, Unkrautvernichtungsmittel sowie Fungizide ausgebracht. Erst in den letzten Jahren seiner Tätigkeit verwendete er eine Atemmaske. Er gab den Hopfenanbau schließlich auf. Über zehn Jahre danach wurde ein Parkinson-ähnliches Krankheitsbild festgestellt.
Das Bayerische Landessozialgericht erkannte seine Erkrankung nicht als Berufskrankheit an. Das Gericht bezweifelte den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den eingesetzten Chemikalien. Für Zweifel sorgte auch der lange Zeitraum zwischen Arbeit und Erkrankung (6.11.2013, Az. L 2 U 558/10).
Wichtig: Solche Urteile hängen immer sehr von der Situation im Einzelfall ab - etwa von der Beweislage und vorgelegten Gutachten. Sie lassen sich nicht unbedingt auf andere Fälle übertragen.
Meniskusschäden gelten als Berufskrankheit, wenn sie auf mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten beruhen. Dies hat das hessische Landessozialgericht bei einem Profi-Fußballer bestätigt. Aufgrund der sportartspezifischen Kniebelastung reiche bei einem Fußballspieler in der 1. bis 4. Liga ein Zeitraum von drei Jahren aus, damit man eine Meniskuserkrankung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die sportliche Betätigung zurückführen könne (30.9.2013, Az. L 9 U 214/09).
Ein Rettungssanitäter war unter anderem beim Amoklauf von Winnenden und zwei Suiziden im Einsatz gewesen. Anschließend litt der Mann unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese wurde vom Sozialgericht Stuttgart nicht als Berufskrankheit anerkannt.
Das Gericht erläuterte, dass für die Anerkennung einer bisher nicht aufgelisteten Berufskrankheit eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sein müsse. Auch müsse es neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse darüber geben, dass diese Tätigkeit die jeweilige Erkrankung verursache. Derzeit sei eine Anerkennung von psychischen Gesundheitsschäden als Berufskrankheit mangels Nachweises dieser Anforderungen nicht möglich (8.11.2018, Az. S 1 U 1682/17).
Hier gibt es jedoch eine neue Entwicklung: Der Fall des Rettungssanitäters kam vor das Bundessozialgericht. Dieses bescheinigte dem Mann, dass seine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als eine sogenannte "Wie-Berufskrankheit" anerkannt werden könne, auch wenn sie nicht in der Liste der Berufskrankheitenverordnung auftauche. Nach dem Stand der Wissenschaft könnten die Erlebnisse bei der Arbeit als Rettungssanitäter eine PTBS verursachen. Ob dies im konkreten Fall so sei, müsse die Vorinstanz klären (Urteil vom 22.6.2023, Az. B 2 U 11/20 R).
Am gleichen Tag bestätigte das Bundessozialgericht, dass auch die Hepatitis-B-Erkrankung eines Feuerwehrmannes und Bergretters als Berufskrankheit anerkannt werden könne. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit häufig in Kontakt mit Blut und anderen Körperflüssigkeiten gekommen. Es komme dabei nicht auf eine bestimmte Zahl von Einsätzen an. Eine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung liege vor (Az. B 2 U 9/21 R).
Bereits mehrfach haben Gerichte Blasenkrebs infolge beruflichen Umgangs mit Giftstoffen als Berufskrankheit anerkannt. So entschied das hessische Landessozialgericht im Fall eines KfZ-Mechanikers, der vor Einführung bleifreier Kraftstoffe den darin enthaltenen Azofarbstoffen ausgesetzt gewesen war und an Harnblasenkrebs erkrankte. Nach dem Gericht war der Gefahrstoff o-Toluidin gesichert als krebserzeugender Arbeitsstoff anzusehen. Berücksichtigt wurde auch, dass der Mann Nichtraucher war und damit eine andere häufige Ursache für diese Krebsart ausschied (2.4.2019, Az. L 3 U 48/13).
Nach einem weiteren Urteil dieses Gerichts war bei einem Beschäftigten aus der Gummi-Industrie der Kontakt mit dem Gefahrenstoff 2-Naphthylamin ebenfalls eine wesentliche (Mit-) Ursache für Blasenkrebs. Diese Erkrankung sei auch bei einem Raucher als Berufskrankheit anzuerkennen (19.6.2018, Az. L 3 U 129/13).
Das Sozialgericht Karlsruhe hat auch Lungenkrebs infolge einer Chrombelastung am Arbeitsplatz als Berufskrankheit anerkannt. Weil der sogenannte Chromatlungenkrebs noch Jahre nach der entsprechenden Tätigkeit auftreten könne, sei ein längerer Zeitraum zwischen Tätigkeit und Erkrankung kein Gegenargument (Urteil vom 25.9.2018, Az. S 4 U 4163/16).
Nicht als Berufskrankheit anerkannt wurde eine tödlich verlaufene Legionelleninfektion. Zu dieser war es vermutlich durch Duschen in einem Hotel mit verseuchter Warmwasseranlage gekommen. So entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Fall eines Monteurs und Inbetriebnehmers aus der Automobilbranche. Dieser hatte sich die Infektion offenbar beim Duschen in einem belgischen Hotel zugezogen. Allerdings beruhte das Urteil hauptsächlich darauf, dass nicht klar nachgewiesen werden konnte, wie und wo es tatsächlich zu der Infektion gekommen war. Das Hotel war längst geschlossen und weitere Fälle waren nicht bekannt (Urteil vom 16.5.2018, Az. L 3 U 4168/17).
Zwei Berufsmusiker litten an Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule. Ihrer Ansicht nach waren diese durch die Körperhaltung beim Violinespielen in einem Orchester verursacht worden. Die Unfallversicherung lehnte eine Anerkennung als Berufskrankheit ab.
Auch das Bundessozialgericht versagte den Musikern die Anerkennung ihrer Beschwerden als Berufskrankheit. Diese seien zwar sicherlich durch die sogenannte "Schulter-Kinn-Zange", in der die Geige gehalten werde, einer erhöhten Belastung ausgesetzt. Es lägen jedoch keine neuen medizinischen Erkenntnisse dazu vor, dass dies Erkrankungen auslöse. Es ändere nichts, dass bei kleineren Berufsgruppen gar keine Studien zu diesem Thema durchgeführt würden. Der Gesetzgeber habe sogar ausdrücklich die Einführung einer Sonderregelung zum Schutze kleiner Berufsgruppen im Berufskrankheitenrecht abgelehnt (Urteile vom 18.6.2013, Az. B 2 U 3/12 R, B 2 U 6/12 R).
Eine Corona-Infektion wird nur dann als Arbeitsunfall anerkannt, wenn die Betroffenen glaubhaft machen können, dass sich diese am Arbeitsplatz bei der beruflichen Tätigkeit ereignet hat. Wenn der infizierte Arbeitnehmer länger und näher mit einem bestimmten Kollegen zusammengearbeitet hat, der sich später als infiziert erwies, kann eine Anerkennung in Frage kommen. Dann müsste die Berufsgenossenschaft zahlen. Nicht ausreichend ist eine Warnmeldung der Corona-App.
Als Berufskrankheit wird eine COVID-19-Erkrankung sehr wahrscheinlich nur bei bestimmten Berufsgruppen anerkannt, die ständig einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Dies gilt etwa für Ärzte oder Pflegekräfte. Die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) nennt dafür folgende Voraussetzungen:
- Kontakt mit SARS-CoV-2-infizierten Personen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen und
- relevante Krankheitserscheinungen, wie zum Beispiel Fieber oder Husten,
- positiver Nachweis des Virus durch einen PCR-Test.
Es kommt bei der Anerkennung von bisher nicht gelisteten Berufskrankheiten sehr auf die Umstände des Einzelfalles an. Wichtig ist, dass eine bestimmte Personengruppe der Gefahr deutlich stärker ausgesetzt ist, als andere Menschen. Auch müssen neue wissenschaftliche Erkenntnisse einen Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Krankheit belegen. Gutachten sind häufig entscheidend. Bei einem Rechtsstreit mit der gesetzlichen Unfallversicherung ist der fachlich beste Ansprechpartner ein Fachanwalt für Sozialrecht.
Die gesetzliche Unfallversicherung kommt auch für Berufskrankheiten auf. Viele Versicherte wissen jedoch nicht genau, welche Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt werden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann ist ein "Mausarm" eine Berufskrankheit? Wann sind Erkrankungen durch Pestizide eine Berufskrankheit? Was gilt für Meniskusschäden bei Profifußballern? Posttraumatische Belastungsstörung / Hepatitis bei Rettungskräften Krebs durch Umgang mit Giftstoffen am Arbeitsplatz Legionelleninfektion auf Dienstreise Halswirbelerkrankungen bei Berufsgeigern Corona-Infektion am Arbeitsplatz Praxistipp zu Berufskrankheiten Wann ist ein "Mausarm" eine Berufskrankheit?
Viele Arbeitnehmer arbeiten heute ständig mit der Computermaus. Folge kann eine schmerzhafte Erkrankung des Ellenbogens sein, ähnlich dem von Sportlern bekannten "Tennisarm". Die Gerichte sahen diese lange Zeit nicht als Berufskrankheit an. Dies gilt zum Beispiel für das Hessische Landessozialgericht im Fall eines Arbeitnehmers, der seine Erkrankung an Epicondylitis humeri radialis (sogenannter Tennisellenbogen) auf seine Bürotätigkeit zurückführte. Der Mann hatte mehr als drei Viertel seiner täglichen Arbeitszeit damit verbracht, am Computer komplexe Datenlisten zu bearbeiten und dabei ständig mit der Computermaus hoch- und herunter zu scrollen. Das Gericht meinte jedoch, dass solche Arbeitsabläufe keinen "Tennisellenbogen" auslösen könnten. Die Arbeit mit der Maus sei schließlich nicht so anstrengend wie das Klavierspielen. Unklar blieb, wie das Gericht auf dieses Beispiel kam (29.10.2013, Az. L 3 U 28/10).
Es gibt jedoch auch andere Urteile.
So entschied das Verwaltungsgericht Aachen zugunsten einer Finanzbeamtin, die sich infolge dauernder PC-Arbeit eine Sehnenscheidenentzündung im Unterarm zugezogen hatte. Das Gericht erkannte diese Erkrankung als Berufskrankheit an. Ein vom Gericht eingeholtes Gutachten hatte den Zusammenhang zwischen Arbeit und Erkrankung bestätigt (14.4.2011, Az. 1 K 1203/09).
Das Verwaltungsgericht Ansbach stellte fest, dass eine "Epicondylitis lateralis humeri" grundsätzlich eine Berufskrankheit sein könne. Es müsse jedoch die gesetzliche Definition erfüllt sein. Soll heißen: Es muss sich um eine Erkrankung "der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze" handeln, die den Arbeitnehmer zur Unterlassung der sie auslösenden Tätigkeiten zwingt. Nicht ausreichend ist ein laienhafter Verdacht auf "Tennisarm" (Urteil vom 14.3.2019, Az. AN 1 K 17.00813).
Erkrankungen der Sehnen und Sehnenscheiden stehen inzwischen in der Liste der Berufskrankheitenverordnung. Zum Teil wird jedoch eine Sehnenscheidenentzündung trotzdem nicht anerkannt. Dann hilft nur noch der Gang vor Gericht.
Wann sind Erkrankungen durch Pestizide eine Berufskrankheit?
Der Umgang mit Pestiziden kann die Parkinson-Krankheit verursachen. Dabei treten die Symptome häufig erst mit zeitlicher Verzögerung auf. Dies erschwert die Anerkennung als Berufskrankheit. In einem Fall vor dem Bayerischen Landessozialgericht hatte ein Landwirt fast 30 Jahre lang Hopfen angebaut und mehrmals im Jahr Schädlingsbekämpfungs-, Unkrautvernichtungsmittel sowie Fungizide ausgebracht. Erst in den letzten Jahren seiner Tätigkeit verwendete er eine Atemmaske. Er gab den Hopfenanbau schließlich auf. Über zehn Jahre danach wurde ein Parkinson-ähnliches Krankheitsbild festgestellt.
Das Bayerische Landessozialgericht erkannte seine Erkrankung nicht als Berufskrankheit an. Das Gericht bezweifelte den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den eingesetzten Chemikalien. Für Zweifel sorgte auch der lange Zeitraum zwischen Arbeit und Erkrankung (6.11.2013, Az. L 2 U 558/10).
Wichtig: Solche Urteile hängen immer sehr von der Situation im Einzelfall ab - etwa von der Beweislage und vorgelegten Gutachten. Sie lassen sich nicht unbedingt auf andere Fälle übertragen.
Was gilt für Meniskusschäden bei Profifußballern?
Meniskusschäden gelten als Berufskrankheit, wenn sie auf mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten beruhen. Dies hat das hessische Landessozialgericht bei einem Profi-Fußballer bestätigt. Aufgrund der sportartspezifischen Kniebelastung reiche bei einem Fußballspieler in der 1. bis 4. Liga ein Zeitraum von drei Jahren aus, damit man eine Meniskuserkrankung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die sportliche Betätigung zurückführen könne (30.9.2013, Az. L 9 U 214/09).
Posttraumatische Belastungsstörung / Hepatitis bei Rettungskräften
Ein Rettungssanitäter war unter anderem beim Amoklauf von Winnenden und zwei Suiziden im Einsatz gewesen. Anschließend litt der Mann unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese wurde vom Sozialgericht Stuttgart nicht als Berufskrankheit anerkannt.
Das Gericht erläuterte, dass für die Anerkennung einer bisher nicht aufgelisteten Berufskrankheit eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sein müsse. Auch müsse es neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse darüber geben, dass diese Tätigkeit die jeweilige Erkrankung verursache. Derzeit sei eine Anerkennung von psychischen Gesundheitsschäden als Berufskrankheit mangels Nachweises dieser Anforderungen nicht möglich (8.11.2018, Az. S 1 U 1682/17).
Hier gibt es jedoch eine neue Entwicklung: Der Fall des Rettungssanitäters kam vor das Bundessozialgericht. Dieses bescheinigte dem Mann, dass seine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als eine sogenannte "Wie-Berufskrankheit" anerkannt werden könne, auch wenn sie nicht in der Liste der Berufskrankheitenverordnung auftauche. Nach dem Stand der Wissenschaft könnten die Erlebnisse bei der Arbeit als Rettungssanitäter eine PTBS verursachen. Ob dies im konkreten Fall so sei, müsse die Vorinstanz klären (Urteil vom 22.6.2023, Az. B 2 U 11/20 R).
Am gleichen Tag bestätigte das Bundessozialgericht, dass auch die Hepatitis-B-Erkrankung eines Feuerwehrmannes und Bergretters als Berufskrankheit anerkannt werden könne. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit häufig in Kontakt mit Blut und anderen Körperflüssigkeiten gekommen. Es komme dabei nicht auf eine bestimmte Zahl von Einsätzen an. Eine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung liege vor (Az. B 2 U 9/21 R).
Krebs durch Umgang mit Giftstoffen am Arbeitsplatz
Bereits mehrfach haben Gerichte Blasenkrebs infolge beruflichen Umgangs mit Giftstoffen als Berufskrankheit anerkannt. So entschied das hessische Landessozialgericht im Fall eines KfZ-Mechanikers, der vor Einführung bleifreier Kraftstoffe den darin enthaltenen Azofarbstoffen ausgesetzt gewesen war und an Harnblasenkrebs erkrankte. Nach dem Gericht war der Gefahrstoff o-Toluidin gesichert als krebserzeugender Arbeitsstoff anzusehen. Berücksichtigt wurde auch, dass der Mann Nichtraucher war und damit eine andere häufige Ursache für diese Krebsart ausschied (2.4.2019, Az. L 3 U 48/13).
Nach einem weiteren Urteil dieses Gerichts war bei einem Beschäftigten aus der Gummi-Industrie der Kontakt mit dem Gefahrenstoff 2-Naphthylamin ebenfalls eine wesentliche (Mit-) Ursache für Blasenkrebs. Diese Erkrankung sei auch bei einem Raucher als Berufskrankheit anzuerkennen (19.6.2018, Az. L 3 U 129/13).
Das Sozialgericht Karlsruhe hat auch Lungenkrebs infolge einer Chrombelastung am Arbeitsplatz als Berufskrankheit anerkannt. Weil der sogenannte Chromatlungenkrebs noch Jahre nach der entsprechenden Tätigkeit auftreten könne, sei ein längerer Zeitraum zwischen Tätigkeit und Erkrankung kein Gegenargument (Urteil vom 25.9.2018, Az. S 4 U 4163/16).
Legionelleninfektion auf Dienstreise
Nicht als Berufskrankheit anerkannt wurde eine tödlich verlaufene Legionelleninfektion. Zu dieser war es vermutlich durch Duschen in einem Hotel mit verseuchter Warmwasseranlage gekommen. So entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Fall eines Monteurs und Inbetriebnehmers aus der Automobilbranche. Dieser hatte sich die Infektion offenbar beim Duschen in einem belgischen Hotel zugezogen. Allerdings beruhte das Urteil hauptsächlich darauf, dass nicht klar nachgewiesen werden konnte, wie und wo es tatsächlich zu der Infektion gekommen war. Das Hotel war längst geschlossen und weitere Fälle waren nicht bekannt (Urteil vom 16.5.2018, Az. L 3 U 4168/17).
Halswirbelerkrankungen bei Berufsgeigern
Zwei Berufsmusiker litten an Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule. Ihrer Ansicht nach waren diese durch die Körperhaltung beim Violinespielen in einem Orchester verursacht worden. Die Unfallversicherung lehnte eine Anerkennung als Berufskrankheit ab.
Auch das Bundessozialgericht versagte den Musikern die Anerkennung ihrer Beschwerden als Berufskrankheit. Diese seien zwar sicherlich durch die sogenannte "Schulter-Kinn-Zange", in der die Geige gehalten werde, einer erhöhten Belastung ausgesetzt. Es lägen jedoch keine neuen medizinischen Erkenntnisse dazu vor, dass dies Erkrankungen auslöse. Es ändere nichts, dass bei kleineren Berufsgruppen gar keine Studien zu diesem Thema durchgeführt würden. Der Gesetzgeber habe sogar ausdrücklich die Einführung einer Sonderregelung zum Schutze kleiner Berufsgruppen im Berufskrankheitenrecht abgelehnt (Urteile vom 18.6.2013, Az. B 2 U 3/12 R, B 2 U 6/12 R).
Corona-Infektion am Arbeitsplatz
Eine Corona-Infektion wird nur dann als Arbeitsunfall anerkannt, wenn die Betroffenen glaubhaft machen können, dass sich diese am Arbeitsplatz bei der beruflichen Tätigkeit ereignet hat. Wenn der infizierte Arbeitnehmer länger und näher mit einem bestimmten Kollegen zusammengearbeitet hat, der sich später als infiziert erwies, kann eine Anerkennung in Frage kommen. Dann müsste die Berufsgenossenschaft zahlen. Nicht ausreichend ist eine Warnmeldung der Corona-App.
Als Berufskrankheit wird eine COVID-19-Erkrankung sehr wahrscheinlich nur bei bestimmten Berufsgruppen anerkannt, die ständig einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Dies gilt etwa für Ärzte oder Pflegekräfte. Die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) nennt dafür folgende Voraussetzungen:
- Kontakt mit SARS-CoV-2-infizierten Personen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen und
- relevante Krankheitserscheinungen, wie zum Beispiel Fieber oder Husten,
- positiver Nachweis des Virus durch einen PCR-Test.
Praxistipp zu Berufskrankheiten
Es kommt bei der Anerkennung von bisher nicht gelisteten Berufskrankheiten sehr auf die Umstände des Einzelfalles an. Wichtig ist, dass eine bestimmte Personengruppe der Gefahr deutlich stärker ausgesetzt ist, als andere Menschen. Auch müssen neue wissenschaftliche Erkenntnisse einen Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Krankheit belegen. Gutachten sind häufig entscheidend. Bei einem Rechtsstreit mit der gesetzlichen Unfallversicherung ist der fachlich beste Ansprechpartner ein Fachanwalt für Sozialrecht.
(Wk)