Unternehmensinsolvenz - was sollten Unternehmer wissen?

07.10.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
Unternehmer,Hilferuf Das Insolvenzrecht ist im Wandel - gerade auch durch die Coronakrise. © - freepik

Wird ein Unternehmen zahlungsunfähig, sind viele rechtliche Details zu beachten. Unternehmer riskieren hier auch, sich strafbar zu machen. Ein Insolvenzverfahren bietet aber auch Chancen.

Im Herbst 2020 drohen infolge der Coronakrise besonders viele Insolvenzen von Unternehmen. Für Unternehmer ist es wichtig, zu wissen, wann sie Insolvenz anmelden müssen, um eine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung zu vermeiden und welche Möglichkeiten es gibt, um das Unternehmen zu retten. Auch läuft eine Reform des Insolvenzrechts. Unter anderem wird die Verfahrensdauer für eine Restschuldbefreiung auch im Regelinsolvenzverfahren deutlich verkürzt.

Welche Insolvenzverfahren gibt es?


Man unterscheidet die Privatinsolvenz - also das Verbraucherinsolvenzverfahren - von der sogenannten Regelinsolvenz. Erstere können Privatpersonen beantragen, die nicht selbstständig tätig sind, sowie ehemalige Selbstständige mit unter 20 Gläubigern und ohne Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (etwa auf Zahlung von Arbeitslohn). Die Regelinsolvenz steht Selbstständigen und Unternehmen offen, etwa Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH, Einzelunternehmen oder Personengesellschaften wie oHG und KG.

Wann gilt ein Unternehmen als insolvent?


Es gibt drei anerkannte Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens:

- Überschuldung,
- drohende Zahlungsunfähigkeit,
- eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

Eine Überschuldung im Sinne von § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) liegt vor, wenn die Zahlungsverpflichtungen nicht mehr vom Vermögen gedeckt sind. Eine Ausnahme erlaubt das Gesetz, wenn die Fortführung des Unternehmens trotzdem wahrscheinlich ist.
Drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Um dies zu beurteilen, muss eine entsprechende Prognose erstellt werden. Diese bezieht sich auf einen bestimmten Prognosezeitraum. Dieser wird in der Regel mit 12 Monaten angesetzt.
Zahlungsunfähigkeit ist eingetreten, wenn das Unternehmen seinen Zahlungspflichten nicht mehr nachkommen kann - im Zweifelsfall, wenn es seine Zahlungen eingestellt hat.

Wann muss der Insolvenzantrag gestellt werden?


Eine gesetzliche Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, gibt es bei

- Überschuldung,
- eingetretener Zahlungsunfähigkeit.

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist ein zulässiger Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner selbst den Antrag stellt. Eine Antragspflicht besteht nicht. Das sogenannte Schutzschirmverfahren, ein vorläufiges Insolvenzverfahren, kann nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden. Hier handelt es sich um ein besonderes Verfahren, bei dem die Rettung des Unternehmens im Vordergrund steht.

Bei einem Unternehmen ist der Insolvenzantrag "ohne schuldhaftes Zögern", spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen.

Wer darf den Antrag stellen?


Bei tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gilt: Der Schuldner selbst muss Insolvenzantrag stellen, der Antrag kann jedoch auch von einem Gläubiger gestellt werden. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann nur der Schuldner selbst Insolvenzantrag stellen.

Bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften darf jedes Mitglied des Vertretungsorgans (etwa des Vorstandes) bzw. jeder persönlich haftende Gesellschafter den Insolvenzantrag stellen. Stellen nicht alle Mitglieder des Vertretungsorgans bzw. alle persönlich haftenden Gesellschafter den Antrag, ist der Eröffnungsgrund (etwa: Überschuldung) glaubhaft zu machen. Der Schuldner bzw. die Vertretungsorgane des betreffenden Unternehmens sind gegenüber dem Insolvenzgericht zu umfassenden Auskünften verpflichtet.

Welche Folgen drohen bei Insolvenzverschleppung?


Bei Insolvenzverschleppung - also verspätetem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - drohen strafrechtliche Folgen für die im Unternehmen verantwortlichen Personen. Darauf steht nach § 15a Abs. 4 InsO eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Bei fahrlässiger Begehung droht immer noch eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Bis zu fünf Jahre Haft oder Geldstrafe drohen bei einem Bankrottdelikt nach § 283 des Strafgesetzbuches, wenn bei Überschuldung oder drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit zum Beispiel Vermögensgegenstände beiseite geschafft, verheimlicht oder zerstört werden oder wenn riskante Spekulations- oder Anlagegeschäfte betrieben werden.

Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe drohen den Verantwortlichen bei einer Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB, wenn sie zum Beispiel kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen einzelnen Gläubiger auszahlen. Schon der Versuch ist strafbar.

Für die Vertretungsorgane eines Unternehmens kann es darüber hinaus zu einer persönlichen Haftung kommen, zum Beispiel für den GmbH-Geschäftsführer bei Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§ 64 GmbHG).

Wie läuft das Insolvenzverfahren ab?


Zunächst ist ein Antrag beim Insolvenzgericht zu stellen. Bei diesem sind ein Vermögensverzeichnis und ein Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis mit einzureichen. Das Gericht prüft dann, ob die Voraussetzungen vorliegen und ob die Verfahrenskosten gedeckt sind. Unter Umständen wird jetzt bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, um das verbleibende Vermögen des Schuldners vor weiterem Schaden zu bewahren.
Ist genügend Masse zur Kostendeckung vorhanden, wird das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet. Hier kann nun ein Insolvenzverwalter eingesetzt werden oder dem Unternehmen wird eine Insolvenz in Eigenverwaltung erlaubt.
Wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt, übernimmt dieser die Verantwortung für das Unternehmen. Er entscheidet beispielsweise über Einstellungen und Kündigungen und über die Bezahlung von Rechnungen. Nur er darf Gläubiger auszahlen. Gläubiger dürfen keine Vollstreckungshandlungen mehr einleiten. Eine feste Dauer für ein Insolvenzverfahren gibt es nicht.

Wann ist eine Restschuldbefreiung möglich?


Auch im Regelinsolvenzverfahren ist eine Restschuldbefreiung möglich - allerdings nur für natürliche Personen, also etwa einen Gewerbetreibenden (§ 286 InsO).
Dieses ist ein besonderes Verfahren, das zusätzlich beantragt werden muss - gleichzeitig mit dem Insolvenzantrag oder innerhalb von zwei Wochen, nachdem das Gericht den Schuldner auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Der Schuldner muss dafür den pfändbaren Teil seines Einkommens für eine gewisse Zeit an den vom Gericht zu bestimmenden Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder abtreten. Dieser versucht, die Gläubiger gleichmäßig zufriedenzustellen, soweit dies möglich ist. Diese Abtretungsfrist nennt man auch die Wohlverhaltensphase, denn hier muss der Schuldner verschiedene Obliegenheiten erfüllen. So muss er zum Beispiel einer Berufstätigkeit nachgehen oder sich zumindest ernsthaft um eine bemühen. Er darf nicht selbst Geld an Gläubiger auszahlen. Geerbtes Vermögen muss er zu 50 Prozent an den Treuhänder herausgeben, Wechsel von Wohnsitz oder Arbeitsplatz sind dem Treuhänder und dem Insolvenzgericht zu melden.

Die Abtretungsfrist bzw. Wohlverhaltensphase dauert bisher grundsätzlich sechs Jahre. Sie kann auf fünf Jahre verringert werden, wenn der Schuldner die Verfahrenskosten bezahlt hat, oder auf drei Jahre, wenn der Schuldner zusätzlich dazu mindestens 35 Prozent seiner Schulden bezahlt hat.

Verläuft die Abtretungsphase komplikationsfrei, erteilt das Insolvenzgericht schließlich eine Befreiung von sämtlichen verbliebenen Schulden. Ausgenommen sind Geldstrafen, Bußgelder, Unterhalt und Steuerschulden, wenn schon eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung oder Ähnlichem vorliegt.

Welche Änderungen stehen 2020 an?


Die Abtretungsfrist bzw. Wohlverhaltensphase soll generell auf drei Jahre verkürzt werden - und zwar ohne Bedingungen. Dies gilt für das Verbraucherinsolvenzverfahren wie auch für das Regelinsolvenzverfahren. Beim Verbraucherinsolvenzverfahren gilt diese Befristung nur vorläufig und wird 2024 noch einmal überprüft, im Regelinsolvenzverfahren für selbstständig Tätige gilt sie auf Dauer.

Neu hinzu kommt die Obliegenheit, während der Abtretungsfrist keine unvernünftigen neuen Schulden zu machen. Auch Schenkungen müssen nun zu 50 Prozent an den Treuhänder abgegeben werden, Glücksspielgewinne sogar komplett.

Die bisher zehnjährige Sperrfrist für eine zweite Restschuldbefreiung wird auf elf Jahre erhöht. Ein erneutes Restschuldbefreiungsverfahren dauert künftig nicht mehr drei, sondern fünf Jahre.

Die Neuregelung befindet sich Anfang Oktober 2020 noch im Gesetzgebungsverfahren und soll rückwirkend zum 1. Oktober 2020 in Kraft treten. Für Insolvenzverfahren, die ab 17.12.2019 beantragt wurden, gibt es eine stufenweise Verkürzung der Abtretungsfrist, zu finden in Art. 103k des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung.

Welche Änderungen sind ab Anfang 2021 geplant?


Bundesjustizministerin Christine Lambrecht will das Insolvenzrecht künftig grundlegend ändern. So sollen Unternehmen mit einem glaubhaften Sanierungskonzept von der Insolvenz verschont bleiben - wenn die überwiegende Zahl der Gläubiger dies unterstützt. So soll verhindert werden, dass einzelne Gläubiger einen Betrieb in die Insolvenz treiben können.

Die für Anfang 2021 geplante Neuregelung soll insbesondere Unternehmen zugutekommen, die unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden, trotzdem aber ein tragfähiges Geschäftsmodell haben.

Welche Besonderheiten gelten wegen Corona?


Die wegen der Auswirkungen von COVID-19 beschlossene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt seit 1. Oktober 2020 nur noch eingeschränkt.

Überschuldete Unternehmen sind bis Jahresende 2020 weiterhin von der Insolvenzantragspflicht befreit. Allerdings nur, wenn die Überschuldung auf Corona-Folgen beruht.

Vorsicht: Zahlungsunfähige Betriebe sind ab 1. Oktober 2020 NICHT mehr von der Antragspflicht befreit.

Wie kann das Unternehmen gerettet werden?


Ein Insolvenzverfahren kann mit der Stilllegung des Unternehmens enden - aber durchaus auch mit einer Sanierung oder mit dem Verkauf des Unternehmens oder von Unternehmensteilen. Um zu beurteilen, was im jeweiligen Fall in Frage kommt, ist fachkundige Beratung erforderlich.

Eine Möglichkeit ist auch das 2012 eingeführte Schutzschirmverfahren. Es ist geregelt in § 270b InsO und stellt einen Spezialfall der Eigenverwaltung dar. Es findet vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt und hat das Ziel, dem Schuldner durch frühes Handeln eine Sanierung zu ermöglichen. Diese wird durch die Erstellung eines Insolvenzplans vorbereitet.

Praxistipp


Für Unternehmer ist es wichtig, stets im Bilde über ihre Liquidität und Zahlungsfähigkeit zu bleiben, um ggf. rechtzeitig handeln zu können. Im Insolvenzfall sollte fachkundiger Rat eingeholt werden, etwa von einem Fachanwalt für Insolvenzrecht.

(Ma)


 Ulf Matzen
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