Väter ohne Trauschein: Wie ist das Sorgerecht geregelt?

17.04.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
unverheiratet,Vater,Sorgerecht,Kind Auch für unverheiratete Väter gibt es Möglichkeiten, das Sorgerecht zu bekommen. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Anerkennung der Vaterschaft: Nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratete Väter müssen ihre Vaterschaft offiziell anerkennen, um auch das Sorgerecht übernehmen zu können.

2. Gemeinsames Sorgerecht: Nicht verheiratete Eltern können das gemeinsame Sorgerecht beantragen, sofern dies im besten Interesse des Kindes ist.

3. Gerichtliche Entscheidung: Reagiert die Kindsmutter nicht auf das Anliegen des Vaters oder weist dieses ab, kann dieser beim Familiengericht eine Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts auf beide Elternteile beantragen.

4. Alleiniges Sorgerecht: Entspricht das gemeinsame Sorgerecht nicht dem Kindeswohl, kann der Vater auch das alleinige Sorgerecht für sich beim Familiengericht beantragen. Dies gilt auch, wenn die Mutter das gemeinsame Kind zur Adoption freigibt.
Bis 2013 hatten unverheiratete Väter kaum eine Chance, das Sorgerecht für ihr Kind zu bekommen, wenn die Mutter nicht aktiv mitspielte. Inzwischen hat jedoch der Gesetzgeber Möglichkeiten für eine verstärkte Mitverantwortung des Vaters geschaffen. Denn: Viele unverheiratete Väter wollen Verantwortung für ihr Kind übernehmen. Nicht zuletzt spielt auch die Meinung des Kindes selbst oft eine Rolle.

Wie kam es zu den Änderungen des Sorgerechts?


Die gesetzlichen Regelungen gewährten früher das Sorgerecht generell der ledigen Mutter. Ohne deren Zustimmung gab es keine Chance auf ein gemeinsames Sorgerecht für beide Elternteile. Dadurch war der leibliche Vater oft auf die Rolle des Unterhalt überweisenden "Zahlvaters" reduziert.

Ein Umdenken setzte durch die Rechtsprechung der Gerichte ein. Zuerst fällten der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (2009) und dann auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (2010) maßgebliche Urteile. Daraus ergab sich, dass die damaligen deutschen Vorschriften über das Sorgerecht die Rechte der Väter verletzten. Schließlich war dessen Übernahme einer nicht allein finanziellen Mitverantwortung für sein Kind allein vom Willen der Mutter abhängig. Darin lag nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts ein Verstoß gegen Art. 6 Absatz 2 des Grundgesetzes ("Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht"). Daraufhin wurden schließlich die Gesetze geändert.

Was besagt die aktuelle gesetzliche Regelung?


Einen wichtigen Grundsatz findet man in § 1626 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): "Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen."

Seit dem 19. Mai 2013 bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten für die Entstehung eines gemeinsamen Sorgerechts beider unverheirateten Elternteile:

- Die Eltern einigen sich und beide geben eine Sorgerechtserklärung ab, nach der sie gemeinsam das Sorgerecht übernehmen möchten.
- Die Eltern heiraten.
- Das Familiengericht überträgt auf Antrag eines Elternteils beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht.

Stimmt nun also die Mutter einem gemeinsamen Sorgerecht nicht zu oder bleibt einfach untätig, heißt dies nicht, dass sie automatisch ein unangreifbares alleiniges Sorgerecht behält. Der Vater hat die Möglichkeit, sich an das Familiengericht zu wenden und dort eine Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts auf beide Elternteile zu beantragen. Das Gericht entscheidet nach dem Kindeswohl und nicht nach dem Willen der Mutter. Dies ist in § 1626a BGB geregelt.

Diese gesetzliche Regelung gilt auch für "Altfälle", in denen nichteheliche Väter bis 2013 keine Chance auf ein gemeinsames Sorgerecht hatten. Auch diese Väter haben also die Möglichkeit, eine gerichtliche Änderung des Sorgerechts zu beantragen.

Welche Rolle spielt das Kindeswohl?


Aus Sicht des Gesetzgebers und der Gerichte ist das Kindeswohl der entscheidende Faktor. Das Familiengericht überträgt das gemeinsame Sorgerecht auf Antrag beiden Elternteilen, wenn dies nicht dem Kindeswohl widerspricht. Diese Entscheidung erfolgt unabhängig davon, ob die Eltern noch zusammen leben oder ob sie vielleicht inzwischen neue Partner haben. Es geht dabei um das Kind und nicht um die Befindlichkeiten der Eltern oder darum, wer an einer Trennung schuld war.

Die Mutter kann jedoch Gründe vortragen, aus denen sie eine Beeinträchtigung des Kindeswohls befürchtet. Wenn sie keine überzeugenden Gründe vorbringt und es aus Sicht des Gerichts auch sonst keinen guten Grund gibt, eine Gefährdung des Kindeswohls anzunehmen, ist per Gesetz davon auszugehen, dass das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile für das Kind das Beste ist.

Wie funktioniert das Verfahren der Sorgerechtsübertragung?


§ 155a FamFG regelt das Verfahren für den Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht. Der Vater muss beim Familiengericht einen Antrag stellen, in dem er Geburtsdatum und Geburtsort des Kindes angibt. Dann setzt das Gericht der Mutter eine Frist, um Stellung zu nehmen. Diese Frist darf für die Mutter aus Gründen des Mutterschutzes frühestens sechs Wochen nach der Geburt des Kindes enden.

Unternimmt die Mutter nichts weiter und trägt keine Gründe vor, aus denen das gemeinsame Sorgerecht dem Wohl des Kindes schaden könnte, kommt die oben erwähnte gesetzliche Vermutung zur Anwendung. Das Gericht spricht dann beiden Elternteilen das gemeinsame Sorgerecht zu. Wenn die Mutter innerhalb der Frist dem gemeinsamen Sorgerecht widerspricht, kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. In dieser wird geprüft, was für das Kind das Beste ist. Auch das Kind wird angehört.
Das Jugendamt spielt hier keine Rolle. Es hat nicht mitzubestimmen und wird höchstens über die Entscheidung des Familiengerichts informiert.

Wann kann der Vater das alleinige Sorgerecht bekommen?


Haben beide Elternteile das gemeinsame Sorgerecht inne, kann ein Elternteil – auch der Vater – das alleinige Sorgerecht beantragen. Dazu muss der jeweilige Elternteil dem Familiengericht nachweisen, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht dem Kindeswohl entspricht.
Auch kann der Vater das alleinige Sorgerecht beantragen, wenn die Mutter das Kind zur Adoption freigibt. In einem solchen Fall ruht das gemeinsame Sorgerecht. Auch hier wird geprüft, was am besten dem Kindeswohl entspricht.

Wann ist das Kindeswohl durch den neuen Partner der Mutter gefährdet?


2010 wurde ein interessantes Urteil gefällt, das schon von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beeinflusst war. Damals wurde einem nichtehelichen Vater das alleinige Recht zur Aufenthaltsbestimmung des Kindes und zur Bestimmung über dessen schulische Belange übertragen. Daher konnte das Kind beim Vater wohnen. Das Sorgerecht behielten jedoch beide Elternteile gemeinsam.

Der Grund für das Urteil waren erhebliche Alkoholprobleme und auch eine Gewaltneigung des neuen Partners der Frau. Im Haushalt der Mutter ging ständig das Jugendamt aus und ein, da es eine angemessene Versorgung ihrer drei Kinder (von drei verschiedenen Vätern) stark bezweifelte. Nach Prüfung der Sachlage kam das Familiengericht zu dem Schluss, dass das einzige leibliche Kind des Antragstellers bei seinem Vater besser aufgehoben sei (OLG Hamm, Urteil vom 7.10.2010, Az. II-2 WF 211/10).

Update vom 17.4.2024: Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte leiblicher Väter


Das Bundesverfassungsgericht hat mehr Rechte für leibliche Väter gefordert und dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30.6.2025 gesetzt, diese umzusetzen. Im konkreten Fall hatte sich ein unverheiratetes Paar kurze Zeit nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes getrennt. Die Mutter hatte bald einen neuen Partner. Der biologische Vater des Kindes wollte seine Vaterschaft anerkennen lassen. Dies scheiterte daran, dass die Mutter nicht zum Termin im Standesamt erschien. Daraufhin leitete er ein gerichtliches Vaterschaftsanerkennungsverfahren ein. Auch dieses blieb erfolglos, weil der neue Partner mit Zustimmung der Mutter inzwischen seine eigene rechtliche Vaterschaft für das Kind anerkannt hatte. Vor dem OLG Naumburg blieb der biologische Vater mit seiner Anfechtung der Vaterschaft des neuen Partners erfolglos, da das Gericht davon ausging, dass sich inzwischen eine "sozial-familiäre Beziehung" zwischen dem Kind und dem neuen Partner und mittlerweile Ehemann der Mutter gebildet habe.

Den entsprechenden Beschluss hob das Bundesverfassungsgericht jedoch auf. Es gab zu bedenken, dass ein Kind womöglich auch mehr als zwei rechtlich verantwortliche Elternteile haben könne. Bleibe es bei zwei rechtlichen Elternteilen, müsse der leibliche Vater mehr Rechte erhalten, die es ihm erleichterten, die Vaterschaft eines neuen Partners anzufechten. Durch die aktuellen Regelungen in § 1600 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BGB werde das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz unverhältnismäßig eingeschränkt. Dies müsse der Gesetzgeber ändern. Das Bundesverfassungsgericht räumte dem Kläger die Möglichkeit ein, bei der Vorinstanz eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer gesetzlichen Neuregelung zu beantragen (Urteil vom 9.4.2024, Az. 1 BvR 2017/21).

Wann darf das Kind einer Änderung des Sorgerechts widersprechen?


Natürlich hat auch das Kind etwas zu sagen. Um dessen Wohl geht es hier schließlich. Das Kind wird – unabhängig von seinem Alter – in aller Regel in einem Sorgerechtsprozess vor dem Familiengericht angehört.

In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Bremen ging es um ein unverheiratetes und getrenntes Paar. Deren gemeinsames Kind lebte bei seiner Mutter. Diese hatte das alleinige Sorgerecht inne. Der Vater hatte das gemeinsame Sorgerecht beantragt und dies mit der guten Kooperation der Eltern begründet. Nur war die Mutter dagegen. Vor dem Familiengericht wurde auch das Kind angehört.

Das Gericht hatte dabei den Eindruck, dass zwischen den Eltern keine sinnvolle Kommunikation möglich sei. Zwischen beiden gebe es einen schweren Konflikt mit gegenseitigen Vorwürfen. Obendrein hätten beide unterschiedliche Vorstellungen über die Erziehung und könnten darüber nicht miteinander reden.

Der beim Prozess elfjährige Sohn habe seinem Vater den Versuch einer Änderung der Situation übelgenommen. Das Kind habe Bedenken über die Ausgestaltung der Umgangskontakte geäußert und sich auch Sorgen wegen häufiger Streitigkeiten zwischen dem Vater und dessen neuer Lebensgefährtin gemacht. Es habe auch den Umgang des Vaters mit der Hauskatze kritisiert.

Die Reaktion des Vaters habe nur darin bestanden, die Bedenken des Kindes abzuleugnen: Häufige Streitigkeiten mit der Lebensgefährtin gebe es nicht, es habe nur einmal einen Streit gegeben, bei dem rein zufällig ein Messer heruntergefallen sei. Er behandle die Katze artgerecht. Die Mutter habe das Kind gegen ihn aufgestachelt.

Dies kam beim Familiengericht nicht gut an. Laut Gericht war es entscheidend, wie das Kind die Situation empfinde. Wenn der Vater dessen Eindrücke einfach ableugne und mit einer Einflussnahme der Mutter begründe, zeige dies eher, dass er nicht auf sein Kind einginge.

Der Konflikt zwischen den Elternteilen habe sich gerade während des Verfahrens noch erheblich verstärkt. Daher lehnte das Gericht den Antrag des Vaters ab. Obendrein bestätigte es die Anordnung der Vorinstanz, welche den Eltern eine Erziehungsberatung verordnet hatte (Urteil vom 16.12.2016, Az. 5 UF 110/16).

Praxistipp zum Sorgerecht unverheirateter Väter


Das gemeinsame Sorgerecht wird ein Familiengericht beiden Elternteilen nur dann zusprechen, wenn ein gewisses Mindestmaß an Kooperation zwischen ihnen möglich ist. Gegenseitige Beschuldigungen sind einer solchen Entscheidung ebenso abträglich wie das Nicht-Ernst-Nehmen von Einwänden des Kindes. Bei herumfliegenden Messern – aus welchen Gründen auch immer – dürfte der Fall gelaufen sein. Vätern, die sich um ein gemeinsames Sorgerecht bemühen möchten, kann ein Fachanwalt für Familienrecht wertvolle Hilfe leisten.

(Bu)


 Stephan Buch
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