Sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung: Strafbarkeit und Verjährung
27.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Sexualstraftaten werden häufig erst viel später angezeigt - insbesondere, wenn die Tat in einem persönlichen Umfeld stattgefunden hat, aus dem sich das Opfer erst lösen muss. In vielen Fällen besteht Unsicherheit darüber, bis wann eine Strafverfolgung noch möglich ist.
Im deutschen Recht richtet sich die Dauer der Verjährungsfrist nach der Schwere der Tat bzw. nach der auf ein Delikt stehenden Höchststrafe (§ 78 StGB). Nur Mord verjährt nie. Bei Sexualstraftaten liegt die Dauer der Verjährungsfristen zwischen drei und 30 Jahren. Nach Ablauf dieser Frist kann keine Strafverfolgung des Täters mehr stattfinden. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sexualstraftaten mit jeweils unterschiedlicher Strafandrohung. Hier erläutern wir eine Auswahl.
§ 177 Abs. 1 des Strafgesetzbuches beschreibt den 2016 neu eingeführten Straftatbestand des sexuellen Übergriffs. Diesen begeht, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten veranlasst.
Um sich strafbar zu machen, ist hier keine besondere Nötigung oder Drohung erforderlich, sondern nur ein Ignorieren der Ablehnung sexueller Handlungen durch die andere Person.
"Gegen den erkennbaren Willen" heißt: Die andere Person sagt zum Beispiel "Nein", "Hör auf!" oder "Ich will nicht". Aber das "Nein" kann auch ohne Worte ausgedrückt werden, beispielsweise durch Wegdrücken oder Wegstoßen des anderen oder Weinen.
Natürlich macht sich der Täter genauso strafbar, wenn er es ausnutzt, dass die betreffende Person aus irgendwelchen Gründen gar nicht in der Lage ist, ihren "entgegenstehenden Willen" zu äußern und "Nein" zu sagen oder wenn der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt. Dies nennt man auch sexuelle Ausnutzung sonstiger Umstände (§ 177 Abs. 2 StGB).
Die Strafandrohung für einen sexuellen Übergriff und eine Ausnutzung sonstiger Umstände liegt jeweils bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Die sexuelle Nötigung ist in § 177 Abs. 5 StGB geregelt. Von ihr spricht man, wenn der Täter
- gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
- dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
- eine Lage ausnutzt, in der das Opfer seiner Einwirkung schutzlos ausgeliefert ist.
Darauf steht eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
Als besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung sieht es der Gesetzgeber nach § 177 Abs. 6 StGB an, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht. Ebenso, wenn er ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, besonders, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder wenn die Tat von mehreren Personen gemeinschaftlich begangen wird. Darauf stehen mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe.
Wenn der Täter
- bei der Tat eine Waffe bei sich hat oder
- ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, um sein Opfer gefügig zu machen oder
- wenn er es durch die Tat in die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit bringt,
beträgt die Freiheitsstrafe nach § 177 Abs. 7 StGB mindestens drei Jahre. Bei der Waffe reicht das reine Mitführen aus, die Waffe muss nicht benutzt werden.
Wenn der Täter bei einer schweren sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung tatsächlich eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug benutzt, fällt die Strafe nach § 177 Abs. 8 StGB höher aus. Hierauf droht eine Mindeststrafe von fünf Jahren. Dies gilt ebenso, wenn der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder in Lebensgefahr bringt.
Außer beim Straftatbestand des sexuellen Übergriffs gibt der Gesetzgeber für die in § 177 beschriebenen Delikte nur abgestufte Mindeststrafen vor, aber keine Höchststrafe. Diese richtet sich daher nach der allgemeinen Vorschrift des § 38 Abs. 2 StGB und beträgt 15 Jahre. Daraus ergibt sich nach § 79 StGB eine Verjährungsfrist von 25 Jahren.
Die Höchststrafe für einen sexuellen Übergriff sind zwei Jahre. Damit beträgt die Verjährungsfrist hier fünf Jahre.
Wenn der Täter das Opfer bei der Tat schwer misshandelt oder in Lebensgefahr bringt, beträgt die Mindestrafe fünf und die Höchststrafe fünfzehn Jahre. Die Tat verjährt in 25 Jahren.
Üblicherweise beginnt die Verjährungsfrist zu laufen, sobald die Tat beendet ist. Bei allen hier angesprochenen Sexualdelikten gibt es jedoch eine Besonderheit: Hier ruht die Verjährung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Erst dann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB). Diese Sonderregel erlaubt es Opfern, die sich erst Jahre später zu einer Strafanzeige durchringen, eine Bestrafung des Täters zu erwirken.
Gerade die letztgenannte Sonderregel macht den Eintritt einer Verjährung in vielen Fällen unwahrscheinlicher. Falls Ihnen eine Sexualstraftat vorgeworfen wird, ist eine Beratung durch einen versierten Rechtsanwalt für Strafrecht dringend zu empfehlen. Dieser kann Sie auch als Tatopfer und Nebenkläger im Strafverfahren vertreten.
Oft erstatten Opfer von Vergewaltigungen oder sexuellen Übergriffen aus Scham nicht sofort Anzeige. Manche ringen sich erst Jahre später dazu durch. Dann darf die Tat aber noch nicht verjährt sein.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wo ist die Verjährung von Straftaten geregelt? Was ist ein sexueller Übergriff? Wann liegt eine sexuelle Nötigung vor? Wann handelt es sich um eine Vergewaltigung? Und wenn die Tat mit Waffen begangen wurde? Was gilt, wenn eine Waffe benutzt wurde? Welche Verjährungsfrist gilt bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung? Schwere Misshandlung und Lebensgefahr Sonderregel bei Sexualstraftaten: Aufgeschobener Verjährungsbeginn Praxistipp zur Verjährung von Sexualstraftaten Wo ist die Verjährung von Straftaten geregelt?
Im deutschen Recht richtet sich die Dauer der Verjährungsfrist nach der Schwere der Tat bzw. nach der auf ein Delikt stehenden Höchststrafe (§ 78 StGB). Nur Mord verjährt nie. Bei Sexualstraftaten liegt die Dauer der Verjährungsfristen zwischen drei und 30 Jahren. Nach Ablauf dieser Frist kann keine Strafverfolgung des Täters mehr stattfinden. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sexualstraftaten mit jeweils unterschiedlicher Strafandrohung. Hier erläutern wir eine Auswahl.
Was ist ein sexueller Übergriff?
§ 177 Abs. 1 des Strafgesetzbuches beschreibt den 2016 neu eingeführten Straftatbestand des sexuellen Übergriffs. Diesen begeht, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten veranlasst.
Um sich strafbar zu machen, ist hier keine besondere Nötigung oder Drohung erforderlich, sondern nur ein Ignorieren der Ablehnung sexueller Handlungen durch die andere Person.
"Gegen den erkennbaren Willen" heißt: Die andere Person sagt zum Beispiel "Nein", "Hör auf!" oder "Ich will nicht". Aber das "Nein" kann auch ohne Worte ausgedrückt werden, beispielsweise durch Wegdrücken oder Wegstoßen des anderen oder Weinen.
Natürlich macht sich der Täter genauso strafbar, wenn er es ausnutzt, dass die betreffende Person aus irgendwelchen Gründen gar nicht in der Lage ist, ihren "entgegenstehenden Willen" zu äußern und "Nein" zu sagen oder wenn der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt. Dies nennt man auch sexuelle Ausnutzung sonstiger Umstände (§ 177 Abs. 2 StGB).
Die Strafandrohung für einen sexuellen Übergriff und eine Ausnutzung sonstiger Umstände liegt jeweils bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Wann liegt eine sexuelle Nötigung vor?
Die sexuelle Nötigung ist in § 177 Abs. 5 StGB geregelt. Von ihr spricht man, wenn der Täter
- gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
- dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
- eine Lage ausnutzt, in der das Opfer seiner Einwirkung schutzlos ausgeliefert ist.
Darauf steht eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
Wann handelt es sich um eine Vergewaltigung?
Als besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung sieht es der Gesetzgeber nach § 177 Abs. 6 StGB an, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht. Ebenso, wenn er ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, besonders, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder wenn die Tat von mehreren Personen gemeinschaftlich begangen wird. Darauf stehen mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe.
Und wenn die Tat mit Waffen begangen wurde?
Wenn der Täter
- bei der Tat eine Waffe bei sich hat oder
- ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, um sein Opfer gefügig zu machen oder
- wenn er es durch die Tat in die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit bringt,
beträgt die Freiheitsstrafe nach § 177 Abs. 7 StGB mindestens drei Jahre. Bei der Waffe reicht das reine Mitführen aus, die Waffe muss nicht benutzt werden.
Was gilt, wenn eine Waffe benutzt wurde?
Wenn der Täter bei einer schweren sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung tatsächlich eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug benutzt, fällt die Strafe nach § 177 Abs. 8 StGB höher aus. Hierauf droht eine Mindeststrafe von fünf Jahren. Dies gilt ebenso, wenn der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder in Lebensgefahr bringt.
Welche Verjährungsfrist gilt bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung?
Außer beim Straftatbestand des sexuellen Übergriffs gibt der Gesetzgeber für die in § 177 beschriebenen Delikte nur abgestufte Mindeststrafen vor, aber keine Höchststrafe. Diese richtet sich daher nach der allgemeinen Vorschrift des § 38 Abs. 2 StGB und beträgt 15 Jahre. Daraus ergibt sich nach § 79 StGB eine Verjährungsfrist von 25 Jahren.
Die Höchststrafe für einen sexuellen Übergriff sind zwei Jahre. Damit beträgt die Verjährungsfrist hier fünf Jahre.
Schwere Misshandlung und Lebensgefahr
Wenn der Täter das Opfer bei der Tat schwer misshandelt oder in Lebensgefahr bringt, beträgt die Mindestrafe fünf und die Höchststrafe fünfzehn Jahre. Die Tat verjährt in 25 Jahren.
Sonderregel bei Sexualstraftaten: Aufgeschobener Verjährungsbeginn
Üblicherweise beginnt die Verjährungsfrist zu laufen, sobald die Tat beendet ist. Bei allen hier angesprochenen Sexualdelikten gibt es jedoch eine Besonderheit: Hier ruht die Verjährung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Erst dann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB). Diese Sonderregel erlaubt es Opfern, die sich erst Jahre später zu einer Strafanzeige durchringen, eine Bestrafung des Täters zu erwirken.
Praxistipp zur Verjährung von Sexualstraftaten
Gerade die letztgenannte Sonderregel macht den Eintritt einer Verjährung in vielen Fällen unwahrscheinlicher. Falls Ihnen eine Sexualstraftat vorgeworfen wird, ist eine Beratung durch einen versierten Rechtsanwalt für Strafrecht dringend zu empfehlen. Dieser kann Sie auch als Tatopfer und Nebenkläger im Strafverfahren vertreten.
(Ma)