Verkehrsrecht - Bremsen für Kleintiere?
26.08.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Viele Verkehrsteilnehmer wissen nicht genau, wie sie mit Kleintieren im Straßenverkehr umzugehen haben. Mancher bremst für sie – manch anderer ist aber der Meinung, dass es eine regelrechte Pflicht gibt, sie zu überfahren, wenn sie einem unvermutet vor das Auto laufen. Tatsächlich ist die Rechtslage nicht ganz so einfach. Grundsätzlich gilt zuerst: Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, Tiere zu überfahren. Ein Autofahrer kann sich jedoch einer Mithaftung aussetzen, wenn er ruckartig bremst und ihm daher ein anderes Fahrzeug hinten auffährt.
Wer plötzlich eine Vollbremsung hinlegt, geht das Risiko ein, dass ihm ein anderes Fahrzeug auffährt. So kann ein erheblicher Sachschaden entstehen, und es können auch Menschen zu Schaden kommen. Daher schreibt die Straßenverkehrsordnung vor, dass ein Fahrzeug, dem ein anderes folgt, nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen darf. Ein nicht erforderliches Bremsmanöver ist eine Ordnungswidrigkeit. Allerdings ist die Gefahr, deswegen ein Bußgeld zahlen zu müssen, eher gering.
Mehr Ärger bedeuten kann die Haftung für einen Unfall. Die Gerichte gehen zwar bei Auffahrunfällen meist davon aus, dass der Auffahrende schuld ist. Aber: Wenn das vorausfahrende Fahrzeug ohne guten Grund stark gebremst hat, muss dessen Fahrer sich oft ein Mitverschulden anrechnen lassen. Zum “guten Grund” kommen wir später.
Leider existiert keine allgemein gültige Definition, welche Tiere im Straßenverkehr als Kleintiere anzusehen sind oder wie groß ein Kleintier im Durchschnitt ist.
Die Gerichte sehen meist Tiere als Kleintiere an, die so klein sind, dass ihr Überfahren nur wenig Schaden am eigenen Auto verursachen würde. Dazu gehören zum Beispiel:
- Tauben (OLG Köln, Urteil vom 7.7.1993, Az. 11 U 63/93),
- Wildenten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.7.1987, Az. 1 U 288/86)
- Eichhörnchen (AG München, Urteil vom 25.2.2014, Az. 331 C 16026/13),
- Füchse (LG Trier, Urteil vom 3.2.2010, Az. 4 O 241/09),
- Hasen (BGH, Urteil vom 18.12.1996, Az. IV ZR 321/95),
- Katzen (AG Schondorf, Urteil vom 10.11.1992, Az. 2 C 811/92).
Nicht als Kleintiere gelten Rehe oder Wildschweine. Eine Kollision mit ihnen führt oft zu schweren und auch für dem Menschen lebensgefährlichen Unfällen.
Viel spricht bei einem Auffahrunfall dafür, dass der Fahrer des hinteren Fahrzeugs dem vorderen aufgefahren ist. Schließlich hat der hintere Fahrer einen Sicherheitsabstand einzuhalten, der so groß ist, dass er auch bei einer Notbremsung des vorderen Fahrzeugs diesem nicht auffährt. Geregelt ist dies in § 4 Abs. 1 Satz 1 der StVO. Übrigens ist die Pflicht, einen ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten, gleichrangig mit der Pflicht, keine unnötige Vollbremsung zu veranstalten, wenn ein anderes Auto hinter einem fährt.
Wenn es nun trotz dieser Regeln zu einem Unfall kommt, wird sich das Gericht genau ansehen, wer daran welchen Anteil hatte. Es wird dann eine Haftungsteilung vornehmen.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem älteren Urteil entschieden, dass eine Autofahrerin nicht wegen einer Wildente hätte bremsen dürfen. Der Schutz des Tieres habe weniger Gewicht als derjenige der nachfolgenden Verkehrsteilnehmer. Trotzdem spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Fahrer des nachfolgenden PKW hier entweder zu dicht aufgefahren sei oder nicht aufgepasst habe. Dieser musste trotz ihrer unerwarteten Vollbremsung immer noch 60 Prozent des Schadens tragen (Az. 1 U 288/86).
Nach Ansicht der Versicherungen ist eine Bremsung für Kleintiere oft grob fahrlässig. Wurde beispielsweise durch ein Ausweichmanöver das eigene Auto beschädigt, ist der Versicherungsschutz in der Kaskoversicherung in Gefahr. Der Versicherer kann seine Leistung dann abhängig von der Schwere des Verschuldens seines Kunden kürzen.
Grundsätzlich muss die Versicherung durchaus auch Schäden bezahlen, die entstehen, wenn der Unfall bei einem Ausweichmanöver entsteht, das größeren Schaden verhindern sollte. Bei Kleintieren ist dies jedoch nicht der Fall - meinte jedenfalls der Bundesgerichtshof im Jahr 1996. Damals hatte eine Frau sich mit ihrem Auto überschlagen, als sie einem Hasen auswich (Az. IV ZR 321/95).
Die KfZ-Haftpflichtversicherung hat zunächst den Schaden des anderen Autofahrers zu bezahlen. Grobe Fahrlässigkeit des eigenen Kunden schließt diese Zahlungspflicht nicht aus. Aber: Hat sich der Versicherungsnehmer grob fahrlässig verhalten, kann sie diesen unter Umständen in Regress nehmen. Sie kann sich also das ausgezahlte Geld innerhalb bestimmter Grenzen von ihrem Versicherungsnehmer zurückholen.
Zunächst einmal dann, wenn dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer in Gefahr gerät. Hat man gar kein anderes Fahrzeug hinter sich oder folgt das nächste Auto erst in weitem Abstand, muss man auch nicht besonders vorsichtig bremsen. Dann kann es auch nicht zu einer Mithaftung kommen, weil man durch sein Verhalten überhaupt niemand anderen schädigen kann.
Höchstens kann der eigene Versicherungsschutz in einer Vollkaskoversicherung leiden, wenn man beim Bremsen das eigene Auto in den Graben setzt. Ist jedoch ein gefahrloses Abbremsen möglich, hat dieses weiter keine Folgen.
Verkehrsteilnehmern kann auch dann kein Vorwurf gemacht werden, wenn ihre Vollbremsung nicht bewusst, sondern reflexartig erfolgt ist - weil sie schlicht einen Schreck bekommen haben, dass ihnen etwas vor das Fahrzeug läuft.
Dazu ein Urteil des Landgerichts Coburg: Ein Autofahrer hatte das Lenkrad seines Mietwagens reflexartig herumgerissen, als ihm ein Tier in Fuchsgröße vors Auto lief. Dabei hatte er die Leitplanke gerammt. Das Gericht betrachtete sein Handeln nicht als grob fahrlässig (Az. 22 O 709/00).
Alle genannten Grundsätze über das Überfahren von Kleintieren sind nach Ansicht der meisten Gerichte nur außerorts gültig.
Innerhalb geschlossener Ortschaften haben Autofahrer nämlich so vorsichtig zu fahren, dass sie im Notfall auch zum Stehen kommen können, ohne etwas zu überfahren (Landgericht Paderborn, Urteil vom 7.9.2000; Az. 5 S 181/00). Schließlich könnte es auch ein kleines Kind sein, das auf die Straße läuft.
Bei Motorradfahrern ist die Sachlage etwas anders. Diese können auch schon durch die Kollision mit einem Kleintier in erhebliche Gefahr geraten, etwa indem sie seitlich wegrutschen. Hier ist die Rechtsprechung nicht einheitlich.
Vor dem Landgericht Hamburg gewann ein Motorradfahrer den Prozess gegen seine Versicherung. Er war in einer Kurve einem Hasen ausgewichen und dadurch gestürzt (Urteil vom 3. August 2006, Az. 323 O 106/06). Das Gericht sah sein Ausweichmanöver nicht als grob fahrlässig an: Gerade beim Kurvenfahren mit dem Motorrad hätte auch bei der Kollision mit einem Hasen ein hohes Unfall- und Verletzungsrisiko bestanden. Daher musste die Versicherung zahlen.
Kein Gesetz verpflichtet Autofahrer dazu, Tiere zu überfahren. Wenn man ohne Gefahr für sich und andere für das Tier bremsen kann, darf man das selbstverständlich tun. Kommt es allerdings infolge eines solchen Bremsmanövers zu einem Auffahrunfall, kann dem Fahrer ein Mitverschulden angerechnet werden. Seine Versicherung kann unter Umständen die Zahlung reduzieren. Aber: Innerhalb geschlossener Ortschaften darf man auch für Kleintiere bremsen. Motorradfahrer dürfen eher für Kleintiere bremsen als Autofahrer.
Nach einem Verkehrsunfall kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht über Ihre Rechte beraten.
Manchmal hört man, dass Autofahrer Kleintiere, die ihnen vors Auto laufen, überfahren sollen – dass sie dazu sogar gesetzlich verpflichtet seien. Ist das wahr, und wie müssen sich Autofahrer wirklich verhalten?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Warum nicht bremsen? Was sind eigentlich Kleintiere? Wer haftet bei einem Auffahrunfall? Wann zahlt die Versicherung? Wann darf man für Tiere bremsen? Warum ist es wichtig, ob man sich innerorts befindet? Was müssen Zweiradfahrer beachten? Praxistipp Warum nicht bremsen?
Wer plötzlich eine Vollbremsung hinlegt, geht das Risiko ein, dass ihm ein anderes Fahrzeug auffährt. So kann ein erheblicher Sachschaden entstehen, und es können auch Menschen zu Schaden kommen. Daher schreibt die Straßenverkehrsordnung vor, dass ein Fahrzeug, dem ein anderes folgt, nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen darf. Ein nicht erforderliches Bremsmanöver ist eine Ordnungswidrigkeit. Allerdings ist die Gefahr, deswegen ein Bußgeld zahlen zu müssen, eher gering.
Mehr Ärger bedeuten kann die Haftung für einen Unfall. Die Gerichte gehen zwar bei Auffahrunfällen meist davon aus, dass der Auffahrende schuld ist. Aber: Wenn das vorausfahrende Fahrzeug ohne guten Grund stark gebremst hat, muss dessen Fahrer sich oft ein Mitverschulden anrechnen lassen. Zum “guten Grund” kommen wir später.
Was sind eigentlich Kleintiere?
Leider existiert keine allgemein gültige Definition, welche Tiere im Straßenverkehr als Kleintiere anzusehen sind oder wie groß ein Kleintier im Durchschnitt ist.
Die Gerichte sehen meist Tiere als Kleintiere an, die so klein sind, dass ihr Überfahren nur wenig Schaden am eigenen Auto verursachen würde. Dazu gehören zum Beispiel:
- Tauben (OLG Köln, Urteil vom 7.7.1993, Az. 11 U 63/93),
- Wildenten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.7.1987, Az. 1 U 288/86)
- Eichhörnchen (AG München, Urteil vom 25.2.2014, Az. 331 C 16026/13),
- Füchse (LG Trier, Urteil vom 3.2.2010, Az. 4 O 241/09),
- Hasen (BGH, Urteil vom 18.12.1996, Az. IV ZR 321/95),
- Katzen (AG Schondorf, Urteil vom 10.11.1992, Az. 2 C 811/92).
Nicht als Kleintiere gelten Rehe oder Wildschweine. Eine Kollision mit ihnen führt oft zu schweren und auch für dem Menschen lebensgefährlichen Unfällen.
Wer haftet bei einem Auffahrunfall?
Viel spricht bei einem Auffahrunfall dafür, dass der Fahrer des hinteren Fahrzeugs dem vorderen aufgefahren ist. Schließlich hat der hintere Fahrer einen Sicherheitsabstand einzuhalten, der so groß ist, dass er auch bei einer Notbremsung des vorderen Fahrzeugs diesem nicht auffährt. Geregelt ist dies in § 4 Abs. 1 Satz 1 der StVO. Übrigens ist die Pflicht, einen ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten, gleichrangig mit der Pflicht, keine unnötige Vollbremsung zu veranstalten, wenn ein anderes Auto hinter einem fährt.
Wenn es nun trotz dieser Regeln zu einem Unfall kommt, wird sich das Gericht genau ansehen, wer daran welchen Anteil hatte. Es wird dann eine Haftungsteilung vornehmen.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem älteren Urteil entschieden, dass eine Autofahrerin nicht wegen einer Wildente hätte bremsen dürfen. Der Schutz des Tieres habe weniger Gewicht als derjenige der nachfolgenden Verkehrsteilnehmer. Trotzdem spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Fahrer des nachfolgenden PKW hier entweder zu dicht aufgefahren sei oder nicht aufgepasst habe. Dieser musste trotz ihrer unerwarteten Vollbremsung immer noch 60 Prozent des Schadens tragen (Az. 1 U 288/86).
Wann zahlt die Versicherung?
Nach Ansicht der Versicherungen ist eine Bremsung für Kleintiere oft grob fahrlässig. Wurde beispielsweise durch ein Ausweichmanöver das eigene Auto beschädigt, ist der Versicherungsschutz in der Kaskoversicherung in Gefahr. Der Versicherer kann seine Leistung dann abhängig von der Schwere des Verschuldens seines Kunden kürzen.
Grundsätzlich muss die Versicherung durchaus auch Schäden bezahlen, die entstehen, wenn der Unfall bei einem Ausweichmanöver entsteht, das größeren Schaden verhindern sollte. Bei Kleintieren ist dies jedoch nicht der Fall - meinte jedenfalls der Bundesgerichtshof im Jahr 1996. Damals hatte eine Frau sich mit ihrem Auto überschlagen, als sie einem Hasen auswich (Az. IV ZR 321/95).
Die KfZ-Haftpflichtversicherung hat zunächst den Schaden des anderen Autofahrers zu bezahlen. Grobe Fahrlässigkeit des eigenen Kunden schließt diese Zahlungspflicht nicht aus. Aber: Hat sich der Versicherungsnehmer grob fahrlässig verhalten, kann sie diesen unter Umständen in Regress nehmen. Sie kann sich also das ausgezahlte Geld innerhalb bestimmter Grenzen von ihrem Versicherungsnehmer zurückholen.
Wann darf man für Tiere bremsen?
Zunächst einmal dann, wenn dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer in Gefahr gerät. Hat man gar kein anderes Fahrzeug hinter sich oder folgt das nächste Auto erst in weitem Abstand, muss man auch nicht besonders vorsichtig bremsen. Dann kann es auch nicht zu einer Mithaftung kommen, weil man durch sein Verhalten überhaupt niemand anderen schädigen kann.
Höchstens kann der eigene Versicherungsschutz in einer Vollkaskoversicherung leiden, wenn man beim Bremsen das eigene Auto in den Graben setzt. Ist jedoch ein gefahrloses Abbremsen möglich, hat dieses weiter keine Folgen.
Verkehrsteilnehmern kann auch dann kein Vorwurf gemacht werden, wenn ihre Vollbremsung nicht bewusst, sondern reflexartig erfolgt ist - weil sie schlicht einen Schreck bekommen haben, dass ihnen etwas vor das Fahrzeug läuft.
Dazu ein Urteil des Landgerichts Coburg: Ein Autofahrer hatte das Lenkrad seines Mietwagens reflexartig herumgerissen, als ihm ein Tier in Fuchsgröße vors Auto lief. Dabei hatte er die Leitplanke gerammt. Das Gericht betrachtete sein Handeln nicht als grob fahrlässig (Az. 22 O 709/00).
Warum ist es wichtig, ob man sich innerorts befindet?
Alle genannten Grundsätze über das Überfahren von Kleintieren sind nach Ansicht der meisten Gerichte nur außerorts gültig.
Innerhalb geschlossener Ortschaften haben Autofahrer nämlich so vorsichtig zu fahren, dass sie im Notfall auch zum Stehen kommen können, ohne etwas zu überfahren (Landgericht Paderborn, Urteil vom 7.9.2000; Az. 5 S 181/00). Schließlich könnte es auch ein kleines Kind sein, das auf die Straße läuft.
Was müssen Zweiradfahrer beachten?
Bei Motorradfahrern ist die Sachlage etwas anders. Diese können auch schon durch die Kollision mit einem Kleintier in erhebliche Gefahr geraten, etwa indem sie seitlich wegrutschen. Hier ist die Rechtsprechung nicht einheitlich.
Vor dem Landgericht Hamburg gewann ein Motorradfahrer den Prozess gegen seine Versicherung. Er war in einer Kurve einem Hasen ausgewichen und dadurch gestürzt (Urteil vom 3. August 2006, Az. 323 O 106/06). Das Gericht sah sein Ausweichmanöver nicht als grob fahrlässig an: Gerade beim Kurvenfahren mit dem Motorrad hätte auch bei der Kollision mit einem Hasen ein hohes Unfall- und Verletzungsrisiko bestanden. Daher musste die Versicherung zahlen.
Praxistipp
Kein Gesetz verpflichtet Autofahrer dazu, Tiere zu überfahren. Wenn man ohne Gefahr für sich und andere für das Tier bremsen kann, darf man das selbstverständlich tun. Kommt es allerdings infolge eines solchen Bremsmanövers zu einem Auffahrunfall, kann dem Fahrer ein Mitverschulden angerechnet werden. Seine Versicherung kann unter Umständen die Zahlung reduzieren. Aber: Innerhalb geschlossener Ortschaften darf man auch für Kleintiere bremsen. Motorradfahrer dürfen eher für Kleintiere bremsen als Autofahrer.
Nach einem Verkehrsunfall kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht über Ihre Rechte beraten.
(Ma)