Vorsätzliches Rasen im Straßenverkehr wird doppelt teuer
19.09.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Allgemein bekannt ist: Wer zu schnell fährt, riskiert ein Bußgeld. Bei der Festlegung der Höhe des Verwarnungs- oder Bußgelds geht die Bußgeldstelle meist von einer fahrlässigen Begehung aus. Vorsatz kann Autofahrer jedoch teuer zu stehen kommen, denn hier gelten besondere Regeln. Ein Vorsatz kann zum Beispiel jemandem unterstellt werden, der als Wiederholungstäter und dann auch noch besonders schnell unterwegs ist.
Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich in zweiter Instanz mit einem Fall, in dem der Fahrer eines Pkw innerhalb einer geschlossenen Ortschaft überholt hatte und dabei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von der Polizei gemessen worden war. 78 km/h waren das Ergebnis der Lasermessung. 50 km/h waren erlaubt.
"Nicht weiter schlimm", mag sich der Verkehrssünder vielleicht gedacht haben. 28 km/h zu schnell – das ergab nach dem damaligen Bußgeldkatalog ein Bußgeld von 100 Euro. Doch so "günstig" kam der eilige Mercedes-Fahrer nicht davon. Das Amtsgericht Höxter verhängte gegen ihn eine Geldbuße von 300 Euro.
Das Amtsgericht Höxter ging nämlich hier von einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit aus. Dabei spielte einerseits die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als die Hälfte eine Rolle. Zweitens berücksichtigte das Gericht auch strafverschärfend, dass der Fahrer schon mehrmals wegen Verkehrsverstößen, speziell Geschwindigkeitsüberschreitungen, aufgefallen war.
Zwar werde im Regelfall nach dem Bußgeldkatalog das Bußgeld von 100 Euro verhängt. Hier lag dem Gericht zufolge jedoch kein Regelfall vor: Dieser setze Fahrlässigkeit und normale Tatumstände voraus. Hier handle es sich um Vorsatz. Der Fall ging in die nächste Instanz. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte diese Ansicht.
Woher will nun aber ein Gericht wissen, ob man versehentlich oder vorsätzlich zu schnell gefahren ist?
Dabei sind die innere Einstellung und das Wissen des Fahrers im Moment der Geschwindigkeitsüberschreitung zu berücksichtigen. Auch die Örtlichkeit kann eine Rolle spielen, etwa die Beschilderung. Da nun natürlich der Richter keine Gedanken lesen kann, ist er darauf angewiesen, aus den "äußeren Umständen der Tat" Schlüsse zu ziehen. Er muss also die vorliegenden Indizien bewerten, und so entscheiden, ob ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln vorlag.
Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handelt gemäß der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vorsätzlich, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit kennt und bewusst dagegen verstößt. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Als ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln werteten die Richter den Grad der Überschreitung, genauer das Verhältnis zwischen vorgeschriebener und gefahrener Geschwindigkeit. Ein Autofahrer müsse die deutliche Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung schon wegen der Fahrgeräusche und der schnell vorüberziehenden Umgebung bemerken, wenn er die maximal zulässige Geschwindigkeit um mehr als 40 Prozent überschreite.
Im konkreten Fall stellte das Gericht fest: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit hatte der Fahrer aufgrund der Beschilderung kennen müssen. Seine gemessene Geschwindigkeit lag um mehr als 50 Prozent darüber. Dies genügte für die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes. Für den Verkehrssünder bedeutete dies endgültig ein dreimal so hohes Bußgeld wie üblich (Beschluss vom 10.5.2016, 4 RBs 91/16).
Im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog Stand 2019 finden sich die Erläuterungen zum Regelfall und zum Abweichen vom Regelsatz auf Seite 8. Auch dort wird erläutert, dass der Regelfall bei Fahrlässigkeit und normalen Tatumständen vorliegt. Bei einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder einer Sachbeschädigung wird der Bußgeldsatz jeweils erhöht.
Auf Seite 10 des Bußgeldkataloges wird klargestellt, dass sich das Bußgeld bei einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit, für die ein Regelsatz von mehr als 55 Euro vorgesehen ist, verdoppelt. Dies gilt auch für ein zum Beispiel wegen Gefährdung anderer bereits erhöhtes Bußgeld. Der ermittelte Betrag wird dann auf den nächsten vollen Euro-Betrag abgerundet.
Wer heute die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 26 bis 30 km/h überschreitet, riskiert bereits als Regelsatz 140 Euro Bußgeld, 2 Punkte und einen Monat Fahrverbot (Bußgeldkatalog Nr. 103718). Bei Vorsatz können daraus durchaus 280 Euro werden.
Die Rechtsprechung ist hier jedoch nicht einheitlich. Das Oberlandesgericht Bamberg hat zum Beispiel am 27.3.2006 entschieden, dass jeder Kraftfahrer wisse, dass er innerorts nicht schneller als 50 km/h fahren dürfe. Daher sei bei einer Tempo-Überschreitung um 31 km/h (62 %) die Verurteilung wegen Vorsatzes angezeigt (Az. 3 Ss OWi 316/2006).
Das OLG Brandenburg hat mit Beschluss vom 17.6.2014 festgestellt, dass eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Bundesstraße um 34 km/h nicht allein schon ausreicht, um Vorsatz anzunehmen (Az. 53 Ss-OWi 230/14).
Die Gerichte scheinen bei immer niedrigeren prozentualen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von einem Vorsatz auszugehen. Hier ist für Betroffene eine Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht unter Berücksichtigung der lokalen Rechtsprechung zu empfehlen. Denn: Aus der Geschwindigkeitsübertretung allein kann nach Ansicht einiger Gerichte eben nicht auf den Vorsatz geschlossen werden.
Die meisten Bußgelder ergehen wegen einer fahrlässigen Temposünde. Was viele nicht wissen: Wer mit voller Absicht zu schnell unterwegs ist, muss auch mit einem deutlich höheren Bußgeld rechnen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Fall: Mit 78 km/h in der Ortschaft Was gilt bei Vorsatz? Wann fährt man vorsätzlich zu schnell? Wichtiges Indiz: Grad der Geschwindigkeitsüberschreitung Überschreitung um mehr als 50 Prozent Was sagt der Bußgeldkatalog? Was kostet es heute? Was sagen andere Gerichte? Praxistipp Fall: Mit 78 km/h in der Ortschaft
Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich in zweiter Instanz mit einem Fall, in dem der Fahrer eines Pkw innerhalb einer geschlossenen Ortschaft überholt hatte und dabei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von der Polizei gemessen worden war. 78 km/h waren das Ergebnis der Lasermessung. 50 km/h waren erlaubt.
"Nicht weiter schlimm", mag sich der Verkehrssünder vielleicht gedacht haben. 28 km/h zu schnell – das ergab nach dem damaligen Bußgeldkatalog ein Bußgeld von 100 Euro. Doch so "günstig" kam der eilige Mercedes-Fahrer nicht davon. Das Amtsgericht Höxter verhängte gegen ihn eine Geldbuße von 300 Euro.
Was gilt bei Vorsatz?
Das Amtsgericht Höxter ging nämlich hier von einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit aus. Dabei spielte einerseits die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als die Hälfte eine Rolle. Zweitens berücksichtigte das Gericht auch strafverschärfend, dass der Fahrer schon mehrmals wegen Verkehrsverstößen, speziell Geschwindigkeitsüberschreitungen, aufgefallen war.
Zwar werde im Regelfall nach dem Bußgeldkatalog das Bußgeld von 100 Euro verhängt. Hier lag dem Gericht zufolge jedoch kein Regelfall vor: Dieser setze Fahrlässigkeit und normale Tatumstände voraus. Hier handle es sich um Vorsatz. Der Fall ging in die nächste Instanz. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte diese Ansicht.
Wann fährt man vorsätzlich zu schnell?
Woher will nun aber ein Gericht wissen, ob man versehentlich oder vorsätzlich zu schnell gefahren ist?
Dabei sind die innere Einstellung und das Wissen des Fahrers im Moment der Geschwindigkeitsüberschreitung zu berücksichtigen. Auch die Örtlichkeit kann eine Rolle spielen, etwa die Beschilderung. Da nun natürlich der Richter keine Gedanken lesen kann, ist er darauf angewiesen, aus den "äußeren Umständen der Tat" Schlüsse zu ziehen. Er muss also die vorliegenden Indizien bewerten, und so entscheiden, ob ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln vorlag.
Wichtiges Indiz: Grad der Geschwindigkeitsüberschreitung
Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handelt gemäß der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vorsätzlich, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit kennt und bewusst dagegen verstößt. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Als ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln werteten die Richter den Grad der Überschreitung, genauer das Verhältnis zwischen vorgeschriebener und gefahrener Geschwindigkeit. Ein Autofahrer müsse die deutliche Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung schon wegen der Fahrgeräusche und der schnell vorüberziehenden Umgebung bemerken, wenn er die maximal zulässige Geschwindigkeit um mehr als 40 Prozent überschreite.
Überschreitung um mehr als 50 Prozent
Im konkreten Fall stellte das Gericht fest: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit hatte der Fahrer aufgrund der Beschilderung kennen müssen. Seine gemessene Geschwindigkeit lag um mehr als 50 Prozent darüber. Dies genügte für die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes. Für den Verkehrssünder bedeutete dies endgültig ein dreimal so hohes Bußgeld wie üblich (Beschluss vom 10.5.2016, 4 RBs 91/16).
Was sagt der Bußgeldkatalog?
Im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog Stand 2019 finden sich die Erläuterungen zum Regelfall und zum Abweichen vom Regelsatz auf Seite 8. Auch dort wird erläutert, dass der Regelfall bei Fahrlässigkeit und normalen Tatumständen vorliegt. Bei einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder einer Sachbeschädigung wird der Bußgeldsatz jeweils erhöht.
Auf Seite 10 des Bußgeldkataloges wird klargestellt, dass sich das Bußgeld bei einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit, für die ein Regelsatz von mehr als 55 Euro vorgesehen ist, verdoppelt. Dies gilt auch für ein zum Beispiel wegen Gefährdung anderer bereits erhöhtes Bußgeld. Der ermittelte Betrag wird dann auf den nächsten vollen Euro-Betrag abgerundet.
Was kostet es heute?
Wer heute die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 26 bis 30 km/h überschreitet, riskiert bereits als Regelsatz 140 Euro Bußgeld, 2 Punkte und einen Monat Fahrverbot (Bußgeldkatalog Nr. 103718). Bei Vorsatz können daraus durchaus 280 Euro werden.
Was sagen andere Gerichte?
Die Rechtsprechung ist hier jedoch nicht einheitlich. Das Oberlandesgericht Bamberg hat zum Beispiel am 27.3.2006 entschieden, dass jeder Kraftfahrer wisse, dass er innerorts nicht schneller als 50 km/h fahren dürfe. Daher sei bei einer Tempo-Überschreitung um 31 km/h (62 %) die Verurteilung wegen Vorsatzes angezeigt (Az. 3 Ss OWi 316/2006).
Das OLG Brandenburg hat mit Beschluss vom 17.6.2014 festgestellt, dass eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Bundesstraße um 34 km/h nicht allein schon ausreicht, um Vorsatz anzunehmen (Az. 53 Ss-OWi 230/14).
Praxistipp
Die Gerichte scheinen bei immer niedrigeren prozentualen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von einem Vorsatz auszugehen. Hier ist für Betroffene eine Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht unter Berücksichtigung der lokalen Rechtsprechung zu empfehlen. Denn: Aus der Geschwindigkeitsübertretung allein kann nach Ansicht einiger Gerichte eben nicht auf den Vorsatz geschlossen werden.
(Wk)