Winter, Schnee und Eis: Wer muss räumen und streuen?

06.01.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schneeschieben,Gehweg,Mann,Winter,Schneeräumen Nicht bei jedem Glätteunfall droht eine Haftung. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Zuständigkeit des Vermieters: Der Vermieter ist grundsätzlich für die Sicherung der Zugangswege und Gehwege verantwortlich. Er kann die Räum- und Streupflicht im Mietvertrag wirksam auf den bzw. die Mieter übertragen.

2. Zuständigkeit der Mieter: Wenn der Mietvertrag die Räum- und Streupflicht auf die Mieter überträgt, müssen diese zu den üblichen Zeiten (in der Regel werktags 7–20 Uhr, sonn- und feiertags ab 9 Uhr) Schnee räumen und streuen.

3. Kontrollpflicht des Vermieters: Auch bei Übertragung auf die Mieter bleibt der Vermieter zur regelmäßigen Kontrolle verpflichtet, ob die Mieter ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen.
Die Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Straßen und Wegen haben grundsätzlich die Gemeinden. In der Regel übertragen diese jedoch ihre Pflicht hinsichtlich der Bürgersteige vor Privatgrundstücken (und in einigen Orten auch von Teilen der öffentlichen Straßen) auf die Eigentümer der benachbarten Grundstücke. Dazu verwenden sie kommunale Satzungen. Die Grundstückseigentümer ihrerseits können per Mietvertrag die Räum- und Streupflicht auf die Mieter ihrer Grundstücke oder Gebäude übertragen. Bei Privatwegen haben sich deren Eigentümer um das Räumen und Streuen zu kümmern. Diese Pflicht kann auch einem gewerblichen Winterdienst übertragen werden.

Wann muss die Gemeinde räumen und streuen?


Die Gemeinden haben auf öffentlichen Straßen und Wegen die Räum- und Streupflicht. Allerdings wissen auch die Gerichte, dass es praktisch gesehen vollkommen unmöglich ist, alle Straßen und Wege gleichzeitig um sieben Uhr morgens perfekt schnee- und eisfrei geräumt zu haben. Daher muss (und darf) die Gemeinde morgens zuerst die Hauptverkehrsstraßen räumen. Die Bürger dürfen jedoch nicht erwarten, dass zum Beispiel der Parkplatz des städtischen Schwimmbads permanent eis- und schneefrei gehalten wird. Dies zeigt ein Urteil des Landgerichts Coburg: Eine Frau war auf dem Parkplatz des städtischen Hallenbads auf dem Weg zu ihrem Auto gestürzt und hatte sich das Handgelenk gebrochen. Ihre Schadensersatzklage wies das Gericht ab (Az. 13 O 678/10). Übrigens dürfen die Gemeinden auf Nebenstraßen mit geringem Verkehrsaufkommen den Winterdienst generell einschränken.

Wer muss den Gehweg räumen: Vermieter oder Mieter?


Meist übertragen die Gemeinden ihre Räum- und Streupflicht bei Schnee und Eis auf den öffentlichen Gehwegen vor privaten Grundstücken auf die Anlieger. Wenn es keine Gehwege gibt, muss nach der Gemeindesatzung in der Regel ein Streifen am Straßenrand geräumt werden.

Vermieter dürfen die Räum- und Streupflicht im Mietvertrag ihren Mietern übertragen. Sie haben auch auf ihrem Grundstück eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Wege und der Zugänge zum Wohnhaus. Auch hier können sie den Winterdienst den Mietern auferlegen.

Wichtig zu wissen: Trotz Übertragung auf die Mieter behält der Vermieter eine Kontrollpflicht. Er muss überprüfen, ob seine Mieter wirklich den Winterdienst ordnungsgemäß durchführen. Stellt er im Rahmen stichprobenartiger Kontrollen fest, dass der oder die Mieter der Räumpflicht nicht nachkommen, kann der Vermieter diese abmahnen. Wenn ein Passant auf dem ungeräumten Gehweg stürzt, weil ein Mieter nicht geräumt hat, muss dieser mit Schadensersatz und -Schmerzensgeldforderungen rechnen.

Mieter oder Vermieter können auch einen gewerblichen Räumdienst beauftragen. Auch dann behält der jeweilige Auftraggeber allerdings eine Aufsichts- und Kontrollpflicht. Er ist also nicht vollkommen vor einer Haftung geschützt. Besonders in Mehrfamilienhäusern kann die Beauftragung eines Räumdienstes jedoch dazu beitragen, Streit um Räumpflichten zu vermeiden.

Mieter sind wegen Krankheit, Arbeit oder Urlaub nicht automatisch von ihrer vertraglich übernommenen Schneeräumpflicht befreit. Sie müssen grundsätzlich bei Verhinderung für eine Ersatzperson sorgen, welche die Arbeit übernimmt.

Welche Ansprüche haben Passanten nach einem Sturz auf Eis und Schnee?


Wenn sich ein Passant bei einem Sturz auf Schnee oder Glatteis verletzt, weil der Verpflichtete nicht geräumt oder gestreut hat, kann der Geschädigte in der Regel Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht verlangen. Dies ergibt sich aus § 823 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Wichtig zu wissen: Auch als Passant hat man im Winter Pflichten. Immerhin weiß jeder, dass es im Winter häufig glatt ist. Deswegen muss jeder sein Verhalten anpassen und sich vorsichtiger bewegen. Die Gerichte achten sehr genau auf ein mögliches Mitverschulden des Verletzten.

Urteil: Sturz auf Betriebsgelände wegen Glatteis


Abgewiesen wurde die Klage einer Arbeitnehmerin, die morgens auf dem Hof ihres Arbeitgebers auf Glatteis gestürzt war. Sie hatte sich mehrere Knochenbrüche zugezogen. Die Frau war danach sechs Monate lang arbeitsunfähig und litt auch später noch an den Folgen. Ihr Arbeitgeber hatte den Winterdienst einem Dienstleister übertragen. Von diesem verlangte die Frau 10.000 Euro Schmerzensgeld. Der Winterdienst erklärte jedoch, dass er am Unfalltag gegen 5.30 Uhr geräumt und gestreut habe. Zwar hatte ein Arbeitskollege der Frau ihren Sturz um neun Uhr beobachtet. Er sagte jedoch aus, dass die Hoffläche zu diesem Zeitpunkt großflächig geräumt und gestreut gewesen sei. Es habe nur in der Nähe eines einzelnen Lkw-Anhängers eine Schnee- oder Eisschicht mit einem Durchmesser von etwa einem Meter gegeben.

Aus Sicht des Gerichts war die Räum- und Streupflicht hier ausreichend erfüllt worden. Der Winterdienst müsse lediglich einen Zustand herstellen, der es Personen erlaube, bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt die Hoffläche gefahrlos zu befahren und zu begehen. Es müssten nur sichere, genügend breite Geh- und Fahrwege geschaffen, aber nicht der komplette Platz geräumt werden. Gerade bei Tageslicht sei hier der Eis- und Schneerest leicht zu erkennen und zu umgehen gewesen.

Selbst auf öffentlichen und stark frequentierten Parkplätzen gelte die Streupflicht nur auf Gehwegen, aber nicht zwischen den geparkten Autos. Den Benutzern könne man zumuten, die geräumten Zuwege zu nutzen und in den anderen Bereichen vorsichtig zu sein. Dies gelte insbesondere auf einem nicht öffentlichen Betriebshof (Az. 21 O 380/11).

Zu welchen Uhrzeiten muss Schnee geräumt werden?


Die Zeiten, zu denen Schnee geräumt sein muss, sind nicht einheitlich geregelt. Meist ergeben sie sich aus einer Gemeindesatzung. In manchen Orten muss werktags bis sieben Uhr morgens, in anderen bis acht Uhr oder acht Uhr dreißig geräumt und gestreut sein. Wenn es tagsüber wieder neu schneit, muss der Gehweg meist bis 20 Uhr abends in regelmäßigen Abständen immer wieder geräumt werden. Räumpflichtige dürfen auch an Sonn- und Feiertagen nicht viel länger schlafen: Häufig muss der Weg dann bis acht Uhr, in einigen Orten auch erst bis neun Uhr oder neun Uhr dreißig geräumt sein.

Wenn es längere Zeit stark schneit, müssen Räumpflichtige meist erst nach Ende des Schneefalls aktiv werden. Sie müssen also erst dann wieder zur Kehrschaufel greifen, wenn eine Wiederholung nicht völlig sinnlos erscheint. Dies hat der Bundesgerichtshof schon 1984 entschieden (Az. VI ZR 49/83). Manche Gerichte sind auch der Meinung, dass man nach Ende des Schneefalls noch eine halbe Stunde abwarten darf, ob der Niederschlag wieder einsetzt. Allerdings ist dies keine allgemein gültige Faustregel.

Strengere Maßstäbe gelten bei Glatteis. Hier droht besondere Unfallgefahr. Wer bei Glatteis stundenlang mit dem Streuen wartet, setzt sich schnell der Gefahr einer Haftung aus. Auch Bereiche wie Eingangstreppen dürfen Räumpflichtige nicht für längere Zeit sich selbst überlassen, nur weil es immer wieder darauf regnet und sich erneut Glatteis bildet.

Was streut man bei Eisglätte?


Fast alle Gemeinden verbieten heutzutage ausdrücklich den Einsatz von Streusalz durch Privatleute. Streusalz schädigt die Umwelt, Autos und Bauten und belastet die Gewässer. Daher drohen für seine private Nutzung hohe Bußgelder. Stattdessen sind Sand, Splitt oder Granulat zum Streuen bei Glatteis angesagt. Wenig empfehlenswert sind sehr saugfähige Streumittel wie Holzspäne. Wenn sich diese mit Wasser vollsaugen, das dann gefriert, wird das Streugut selbst zur Gefahr. Dann droht wieder eine Haftung (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 24.11.2014, Az. 6 U 92/12).

Privatwege im Winter: Betreten auf eigene Gefahr?


Eigentümer eines Privatweges können sich nicht durch das Aufstellen eines Schildes "Betreten auf eigene Gefahr" von ihrer Räum- und Streupflicht befreien. Dies gilt besonders bei einer Privatstraße mit mehreren Anliegern, die sie regulär nutzen (OLG Saarbrücken, Az. 4 U 466/03). Generell gilt: Sobald ein Platz oder eine Straße von anderen Leuten benutzt werden darf, kann ein Privateigentümer durch eine Beschilderung keinen Haftungsausschluss vornehmen. Versucht er dies, behält er trotz Schild die Verkehrssicherungspflicht und muss im Zweifel haften. Dies sieht bei Gemeinden anders aus.
Allerdings kann ein Schild, das auf eine konkrete Gefahr hinweist, dazu beitragen, vor Gericht den Mitverschuldensanteil des Verletzten zu erhöhen. Dann hätte dieser womöglich besser aufpassen müssen.

Müssen auch Senioren und Kranke Schnee räumen?


Können Senioren körperlich ihrer mietvertraglichen Räumpflicht nicht mehr nachkommen, kann der Vermieter dies von ihnen auch nicht verlangen. Einige Gerichtsurteile besagen, dass die Senioren dann von der Schneeräumpflicht befreit sind und auch keinen Räumdienst beauftragen müssen (Landgericht Köln, Urteil vom 30.8.2012, Az. 1 S 52/11).

Auch jüngere Menschen können manchmal aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht Schnee räumen. In diesem Fall müssen sie einigen Gerichten zufolge zumindest versuchen, einen Vertreter im Bekanntenkreis zu finden – oder nachweisen, dass kein Räumdienst zu vernünftigen Bedingungen verfügbar war (Landgericht Münster, Az. 8 S 263/05).

Urteil: Räumpflicht nur für Gehweg vorm Grundstück


Einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zufolge gilt die Räumpflicht nur für den Gehweg vor dem eigenen Grundstück (Az. VG 1 K 366.11). Das Grundstück der Klägerin befand sich in einer Straße, die im Straßenreinigungsverzeichnis C des Landes Berlin eingetragen war. Daher galt dort eine Pflicht zur Schnee- und Eisbeseitigung. Allerdings gab es vor dem Grundstück der Klägerin keinen Gehweg, sondern einen zum Parken genutzten, unbefestigten Randstreifen. Ein Gehweg befand sich gegenüber auf der anderen Fahrbahnseite. Die Kommune hatte gegen die Frau ein Bußgeld verhängt, da sie diesen gegenüberliegenden Gehweg nicht geräumt hatte. Die Anliegerin wollte vom Gericht festgestellt haben, dass sie dort gar nicht zum Räumen verpflichtet sei.

Das Verwaltungsgericht Berlin gab ihr Recht. Dem Berliner Straßenreinigungsgesetz zufolge müssten Anlieger zwar den Winterdienst auf den nächstgelegenen Gehwegen vor ihren Grundstücken durchführen. Man könne aber den Begriff des nächstgelegenen Gehwegs nicht so weit ausdehnen, dass davon auch noch der Gehweg vor den Grundstücken auf der gegenüberliegenden Straßenseite umfasst wäre. Die Fahrbahnmitte sei die natürliche Grenze für Reinigungs- bzw. Winterdienstpflichten.

Urteil: Sturz auf vereistem Kundenparkplatz an Heiligabend


Ein Ehepaar hatte an einem 24. Dezember sein Auto auf dem Kundenparkplatz einer Bäckerei geparkt. Bis zur Eingangstür waren es fünf Meter. Die Frau rutschte auf dieser Strecke auf einer etwa drei Meter großen Eisfläche aus und stürzte. Dabei brach sie sich das Schien- und Wadenbein und musste für eine Woche ins Krankenhaus. Anschließend verklagte sie den Bäcker. Ihrer Meinung nach hätte dieser seinen Parkplatz komplett von Schnee und Eis befreien müssen. Sie verlangte Schadensersatz sowie Verdienstausfall in Höhe von 12.500 Euro und ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 Euro.

Bereits das Landgericht Koblenz wies ihre Klage ab: Der Bäcker sei nicht dazu verpflichtet gewesen, seinen Parkplatz lückenlos von Eis zu befreien. Die Klägerin sei in erheblichem Maße selbst schuld. In der nächsten Instanz wies das Oberlandesgericht Koblenz die Klägerin darauf hin, dass ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts nicht Erfolg versprechend sei. Die Parkfläche sei zehn Meter breit gewesen. Sie hätte den vereisten Bereich umgehen können. An dem Tag sei kein anderer Kunde der Bäckerei auf Glatteis gestürzt (Az. 5 U 582/12).

Was gilt, wenn der Winterdienst schlecht arbeitet?


Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein "Winterdienstvertrag" ein Dienst- oder ein Werkvertrag ist. Vorher beurteilten die Gerichte diese Frage unterschiedlich. Die Vertragsart hat jedoch rechtliche Folgen. Im BGH-Fall hatte ein Grundstückseigentümer einen gewerblichen Winterdienst beauftragt. Mit dessen Arbeit war er unzufrieden gewesen. Daher hatte er einen Teil der Vergütung nicht bezahlt. Das zunächst damit befasste Gericht gab dem Winterdienst recht: Es handle sich um einen Dienstvertrag (entsprechend einem Arbeitsvertrag). Es sei also kein bestimmter Erfolg geschuldet gewesen. Eine Preisminderung wegen mangelhafter Leistung sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Der Bundesgerichtshof sah den Winterdienst-Auftrag jedoch als einen Werkvertrag an. Daher schuldete der Auftragnehmer dem Kunden nicht nur Arbeit, sondern einen konkreten Erfolg – den schneefreien Gehweg. Wenn er dies nicht schaffe, so das Gericht, könne der vereinbarte Betrag gemindert werden. Dann liege ein Werkmangel vor. Die in solchen Fällen häufig notwendige Fristsetzung zur Nachbesserung betrachtete der Bundesgerichtshof hier als überflüssig (Az. VII ZR 355/12).

Praxistipp zum Räumen und Streuen im Winter


Wer in einem eigenen Haus wohnt, kann sich gegen Haftungsrisiken aufgrund vernachlässigten Winterdienstes durch eine Privathaftpflichtversicherung absichern. Dies können auch Mieter, die zum Schneeräumen verpflichtet sind. Für Vermieter ist eine Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung zu empfehlen. Wenn es nach einem Sturz auf Schnee oder Eis zu einem Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche kommt, kann Sie ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt kompetent beraten.

(Ma)


 Ulf Matzen
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