Wann darf die Behörde einem Tierhalter sein Haustier wegnehmen?

13.09.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Hunde,Zwinger,Behörde,wegnehmen Nicht artgerechte Tierhaltung kann unangenehme Folgen haben. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Vernachlässigung: Das Tieramt kann einem Tierbesitzer sein Haustier wegnehmen und eine Haltungsverbot aussprechen, wenn dieser gegen tierschutzrechtliche Normen verstößt.

2. Verwaltungsakt: Eine solche Maßnahme muss von der zuständigen Ordnungsbehörde ausreichend begründet werden. Die Behörde muss das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß augeübt haben.

3. Verhältnismäßigkeit: Die Wegnahme des Tieres bzw. das Tierhalteverbot müssen verhältnismäßig sein. Das sind sie in der Regel nicht, wenn andere Maßnahmen geeignet sind, um das damit bezweckte Ziel zu erreichen.
Einem Tierhalter wird in der Regel sein Haustier erst dann weggenommen, wenn es wiederholt zu Auffälligkeiten gekommen ist und der Betroffene behördliche Anordnungen ignoriert hat. Bei solchen Anordnungen kann es darum gehen, eine unsachgemäße oder qualvolle Tierhaltung abzustellen, aber auch beispielsweise um die Gefährdung von anderen Menschen durch gefährliche Tiere wie etwa Kampfhunde oder Giftschlangen. Mit der Beschlagnahme eines Haustiers kann ein behördliches Tierhaltungsverbot verbunden sein.

Was gilt für entlaufene Hunde und Beißattacken?


Vor dem Verwaltungsgericht Würzburg wurde ein Fall verhandelt, bei dem es um zwei Hunde der Rasse Sivas-Kangal ging. Nachbarn hatten sich mehrfach über deren dauerndes Gebell beschwert. Dann waren die Hunde ausgerissen und hatten sich eine Beißerei mit Artgenossen geliefert. Auch deren Besitzer wurde dabei verletzt. Erst ein Tierarzt mit einem Blasrohr und Betäubungspfeilen konnte wieder für Frieden sorgen.

Die Polizei nahm die Hunde zunächst mit. Nach einem Tag gab sie diese jedoch dem Hundehalter zurück. Die Gemeinde ordnete Maßnahmen an, um das Grundstück ausbruchssicher zu machen. Die Hunde rissen jedoch erneut aus – unter Umständen erschreckt durch fremde Silvesterböller. Wieder fand eine Beißerei mit anderen Hunden statt, und auch der Ärmel eines Polizisten musste daran glauben. Daraufhin ordnete das Ordnungsamt die "Sicherstellung" der Hunde an. Die Polizei holte diese ab und brachte sie ins Tierheim. Dort wurden sie vom Ordnungsamt unbefristet untergebracht - auf Kosten des Tierhalters. Dieser klagte auf Herausgabe.

Wie hat das Verwaltungsgericht Würzburg entschieden?


Das Verwaltungsgericht Würzburg entschied, dass die mündliche Anordnung des Ordnungsamtes zur Sicherstellung der Hunde und ihrer Verwahrung auf Kosten des Halters rechtswidrig gewesen sei.

Zunächst wunderte sich das Gericht über den Begriff der "Sicherstellung". Dies sei eine Maßnahme aus dem Polizeirecht, die von der Polizei ausgehen müsse und für die es besondere Voraussetzungen gebe. Das Ordnungsamt könne keine Sicherstellung von was auch immer anordnen. Auch sei ein rein mündlicher Verwaltungsakt ziemlich ungewöhnlich. Dies sei zwar an sich nicht unzulässig. In diesem Fall habe aber eine Ermessensentscheidung vorgelegen und deren Gründe müssten zwingend dokumentiert werden. Ein zweizeiliger Aktenvermerk reiche dafür nicht aus.

Auch müsse die Behörde prüfen, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei oder ob auch eine weniger einschneidende Maßnahme in Frage komme. Zuletzt sei der Kläger nicht einmal darüber informiert worden, dass eine Dauerunterbringung der Hunde im Tierheim auf seine Kosten stattfinde. Aufgrund dieses unzulässigen Vorgehens ordnete das Gericht die sofortige Rückgabe der Hunde an (Urteil vom 28.7.2010, Az. W 5 K 10.464).

Unterernährung, Kot und Wassermangel


Das Verwaltungsgericht Stuttgart beschäftigte sich mit dem Fall eines Mannes, der diverse Tiere hielt - Geflügel, Schafe, Ziegen, Kaninchen und auch drei Hunde in Zwingern. Auf seinem Grundstück hatte es eine Vielzahl von Polizeieinsätzen und behördlichen Kontrollen gegeben, da sämtliche Tiere in desolaten Zuständen gehalten wurden. Fast bei jeder Kontrolle fehlten den Tieren Nahrung und Wasser, auch waren die Käfige und Gehege mit Kot verschmutzt. Schließlich wurden dem Mann drei verwahrloste Hunde mit teilweise unversorgten Bisswunden und mehrere unterernährte Lämmer weggenommen. Die Behörde sprach hinsichtlich Hunden ein Tierhaltungsverbot aus und ordnete die Einziehung der Tiere an.

Wann ist eine Einziehung von Tieren wegen Vernachlässigung rechtmäßig?


Nach dem Urteil des VG Stuttgart war die Einziehung der Tiere rechtmäßig. Das Hundehaltungsverbot beruhe auf § 16a Satz 2 Ziffer 3 des Tierschutzgesetzes. Der Tierhalter habe das Gebot der artgerechten Tierhaltung missachtet. Die Tiere hätten erheblich und über längere Zeit gelitten. Ihre Verletzungen und Krankheiten seien nicht erkannt worden. Ohnehin habe sich der Tierhalter die meiste Zeit über nicht auf dem Grundstück aufgehalten.

Die Behörde hatte ihre Entscheidung begründet und erläutert, dass sie weniger harte Maßnahmen – etwa Anordnungen über die Art der Haltung und eine zeitlich begrenzte Wegnahme – schon mehrfach erfolglos durchgeführt hätte. Damit war die Verhältnismäßigkeit gewahrt und es hatte keine andere Möglichkeit mehr gegeben (Urteil vom 25.6.2007, Az. 4 K 1973/07).

Ist ein Hundehaltungsverbot wegen Missachtung der Maulkorbpflicht zulässig?


Das Verwaltungsgericht Augsburg befasste sich mit einem behördlichen Tierhaltungsverbot gegen eine Frau, der zwei Berner Sennenhunde und ein Schäferhund gehörten. Beim Gassigehen hatte der Schäferhund einen fremden Terrier gebissen. Die zuständige Behörde ordnete daher für alle drei Hunde einen Maulkorb- und Leinenzwang an. Zusätzlich wurde ihr auferlegt, nur noch einen Hund zur Zeit auszuführen. In der Folgezeit wurde sie jedoch wiederholt dabei erwischt, wie sie ihre Hunde ohne Beachtung dieser Auflagen ausführte. Ein Zwangsgeld von 300 Euro änderte daran nichts. Schließlich verbot ihr die Gemeinde die Hundehaltung und setzte ihr eine Frist zur Abschaffung der Tiere.

Hundehaltungsverbot: Mit Kanonen auf Spatzen


Das Augsburger Gericht fand in der behördlichen Anordnung des Tierhaltungsverbots verschiedene Fehler. Dieses war nicht mit den richtigen Paragrafen begründet worden. Insgesamt sah das Gericht das Hundehaltungsverbot als unverhältnismäßig und unrechtmäßig an.

Es habe bereits sei geraumer Zeit keine Vorfälle mehr mit den Hunden der Frau gegeben. Mehrere denkbare mildere Maßnahmen habe die Behörde überhaupt nicht in Erwägung gezogen – zum Beispiel, den Auslauf der Hunde auf den heimischen Garten zu beschränken. Wenn die Behörde darauf verzichte, ihre eigenen Anordnungen der Maulkorbpflicht etc. durch wiederholte, höhere Zwangsgelder auch konsequent durchzusetzen, dürfe sie nicht gleich ein Tierhaltungsverbot verhängen (Urteil vom 13.12.2011, Az. 5 K 10.1144).

Welche neue Rechtslage gibt es seit 2021 für Hundehalter?


Im August 2020 legte das Bundeslandwirtschaftsministerium einen Entwurf für eine Änderung der Tierschutz-Hundeverordnung vor. Dieser ist seit 2021 in Kraft.
Die neue Regelung enthält unter anderem eine Pflicht für Hundehalter, mindestens zweimal täglich mindestens je eine Stunde mit ihrem Hund Gassi zu gehen. Dies muss im Freien und außerhalb eines Zwingers stattfinden. Jeder Hund muss mehrmals täglich Umgang mit seinem Halter oder einer Betreuungsperson haben.
Die Anbindehaltung - also das dauerhafte Anbinden eines Hundes - ist seit 1. Januar 2023 grundsätzlich verboten. Der ganztags angebundene "Kettenhund" ist also Geschichte. Eine Ausnahme sieht § 7 der Tierschutz-Hundeverordnung vor, wenn der Hund sich in Begleitung einer Betreuungsperson befindet, um Tätigkeiten auszuüben, für die er ausgebildet wurde oder wird. Allerdings sind dann Vorgaben zu Leine und Geschirr einzuhalten.

Bei Ausstellungen dürfen keine Hunde aus Qualzuchten oder mit abgeschnittenen Ohren oder anderen Körperteilen mehr gezeigt werden. Dies gilt für jede Art von Veranstaltung. Dadurch sollen Vertrieb und Werbung für den Verkauf solcher Hunde unterbunden werden. Weitere Regeln gibt es für die Hundezucht.

Verstöße sind Ordnungswidrigkeiten nach dem Tierschutzgesetz und können im ersten Schritt zu Bußgeldern führen. Bei Wiederholungen können die Behörden jedoch auch zu anderen Maßnahmen greifen, wie etwa einem Tierhaltungsverbot.

Update vom 13.9.2024: Haltung von Minischweinen im Wohngebiet erlaubt?


Vor dem Verwaltungsgericht Neustadt ging es um die Frage, ob ein Ehepaar in seinem Garten zwei Minischweine halten darf. Es handelte sich um ein Wohngebiet, in dem Häuser mit dahinter liegenden Gärten üblich waren. Der Bebauungsplan wies das Gebiet als allgemeines Wohngebiet aus. Nachbarn hatten sich über die "Schweinerei" beschwert. Daraufhin hatte das Ordnungsamt deren Haltung verboten. Dagegen wehrte sich das Besitzerpaar vor Gericht. Ihr Argument: Minischweine seien Kleintiere und damit auch für die Haltung im Wohngebiet geeignet. Die Haltung in einem Freigehege im Garten sei bauplanungsrechtlich erlaubt. Obendrein sei der Ort Haßloch früher ein Dorf gewesen und damit sei ein Wohngebiet dort anders zu beurteilen, als in der Stadt.

Das sah das Gericht anders. Es hielt die Haltung von zwei Minischweinen im Garten in einem allgemeinen Wohngebiet für bauplanungsrechtlich unzulässig. Zwar seien dort grundsätzlich auch Anlagen zur Kleintierhaltung erlaubt. Aber nur, wenn die Kleintierhaltung in dem betreffenden Baugebiet üblich und ungefährlich sei und den Rahmen einer typischen Freizeitbetätigung nicht sprenge. Unter Kleintieren verstand das Gericht eher Hunde und Katzen. Ziegen, Schafe und Schweine seien heute in einem Wohngebiet unüblich. Gerade letztere könnten die Nachbarn durch entstehende Gerüche stören. Auch würden Minischweine bis zu einem Meter lang und bis zu 100 Kilogramm schwer. Sie seien damit nicht anders zu behandeln, als normale Hausschweine. Der frühere dörfliche Charakter von Haßloch ändere nichts an den Regeln für allgemeine Wohngebiete. Das Gericht bestätigte, dass die Minischweine abgeschafft werden müssten (Urteil vom 11.9.2024, Az. 5 K 427/24.NW).

Praxistipp zur Einziehung von Haustieren durch das Tieramt


Behördliche Anordnungen für Tierhalter - bis hin zur Einziehung von Tieren oder einem Tierhaltungsverbot - müssen den Regeln für Verwaltungsakte entsprechen. Sie müssen korrekt begründet werden und verhältnismäßig sein. Bei Fehlern der Behörde sind sie gerichtlich angreifbar. Beratung dazu finden Sie am besten bei einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht oder einem Rechtsanwalt, der sich auf das Tierrecht spezialisiert hat.

(Bu)


 Stephan Buch
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