Wann darf die Polizei ein Handy durchsuchen?

23.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Handy,Smartphone,Polizei,Durchsuchung Ein Polizeibeamter durchsucht ein Handy nach verbotenen Inhalten © fr - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Zulässigkeit: Die Durchsuchung eines Handys durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft ist nur dann zulässig, wenn ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt oder Gefahr im Verzug ist.

2. Schwere der Straftaten: Im Oktober 2024 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Polizei grundsätzlich auch beim Verdacht auf leichte Straftaten Handys auslesen darf.

3. Herausgabe der PIN: Weil sich nach deutschen Strafrecht niemand selbst belasten muss, ist kein Handy-Besitzer gezwungen, der Polizei oder Staatsanwaltschaft die PIN seines Handys mitzuteilen.
Persönliche Kontakte, Fotos, Videos, Textnachrichten, Chatverläufe und einiges mehr finden sich heute auf jedem Smartphone. Natürlich ist es im Interesse der Polizei, auf diese Daten zugreifen zu können. Aber: Ist das erlaubt? Oder ist dafür ein richterlicher Beschluss erforderlich? Und was meint der Europäische Gerichtshof zu diesem Thema?

Wann darf die Polizei das Handy durchsuchen?


In Deutschland gilt bisher: Die Polizei darf ein Handy nur durchsuchen, wenn sie einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss hat oder Gefahr im Verzug ist. Letzteres ist ein etwas dehnbarer Begriff. Die Gefahr kann zum Beispiel darin bestehen, dass ein Verdächtiger belastendes Material löschen oder Komplizen warnen könnte, bevor ein Richter einen Durchsuchungsbeschluss erlassen kann. Solange kein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht, darf die Polizei das Handy jedoch nicht ohne Einwilligung des Besitzers durchsuchen.

Auf welche Art durchsucht die Polizei ein Handy?


Vermutet die Polizei belastende Informationen auf einem Handy, wird sie es beschlagnahmen. Dann liest die Polizei die auf dem Smartphone gespeicherten Daten aus, um Beweise für Straftaten zu erhalten. Dazu muss das Handy allerdings erst entsperrt werden. Dafür ist der Entsperrcode oder die PIN erforderlich. Wenn die Polizei diesen hat, kann sie auf alle gespeicherten Inhalte zugreifen. So können zum Beispiel in den Kontakten oder Anruferlisten Personen gefunden werden, die polizeibekannt sind oder Straftaten begangen haben. Oder es werden Fotos oder Videos mit belastendem Inhalt gefunden. Auch SMS-Verläufe, WhatsApp-Verläufe oder Facebook-Inhalte können ausgelesen und dann gegen den Handy-Besitzer verwendet werden. Oft ist das Auslesen des Handys heute ein entscheidendes Beweismittel zur Überführung von Straftätern.

Muss ich der Polizei die PIN meines Handys geben?


In Deutschland gilt der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit. Das heißt: Niemand kann gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Es muss also auch niemand die PIN seines Handys herausgeben, weil die Polizei darauf nach Hinweisen für Straftaten suchen möchte. Auch ein Durchsuchungsbeschluss oder Gefahr im Verzug ändern daran nichts.

Kann die Polizei mein Passwort knacken?


Passwörter oder die PIN des Handys können durch einen sogenannten Brute-Force-Angriff oder Softwareprodukte der Firma Cellebrite geknackt werden. Es gibt jedoch keine Garantie, dass dies der Polizei auch gelingt. Je nach Handy ist es unterschiedlich schwierig. Daher empfehlen Anwälte, die PIN oder den Entsperrcode nicht herauszugeben, auch wenn die Polizei behauptet, das Handy in jedem Fall auslesen zu können.

Wie lange dauert die Auswertung meines Handys durch die Polizei?


Dies hängt davon ab, ob die PIN vom Besitzer übergeben wurde oder die Polizei erst versuchen muss, die Sperre zu überwinden. Auch die gespeicherte Datenmenge hat Einfluss auf die Dauer der Auswertung. Meist ist mit drei bis vier Wochen Auswertungszeit für das Smartphone zu rechnen. Werden Hinweise auf Straftaten gefunden, bekommt der Beschuldigte sein Telefon jedoch allenfalls nach Ende des Strafverfahrens zurück.

Kann die Polizei gelöschte Fotos auf dem Handy wiederherstellen?


Auch gelöschte Daten und Bilder können von der Polizei wiederhergestellt werden. Absolute Sicherheit bietet nur die physische Zerstörung des Geräts und seiner Speichermedien.

Kann die Polizei WhatsApp-Nachrichten lesen?


Generell hat WhatsApp eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die das Live-Mitlesen von fremder Seite unmöglich machen soll. Ermöglicht werden kann dies höchstens durch das Einschleusen eines Trojaners oder das Hacken des Handys. Soll dies durch die Polizei erfolgen, ist dies jedoch an besondere rechtliche Voraussetzungen gebunden.

Bei einem beschlagnahmten Handy kann die Polizei jedoch gespeicherte WhatsApp-Verläufe auslesen.

Welche Gefahr besteht durch Zufallsfunde auf dem Handy?


Bei der Vielzahl von gespeicherten Daten hat mancher Handynutzer kaum noch einen Überblick. Eine Grundeinstellung des Smartphones kann dafür sorgen, dass sämtliche Bilder aus einer WhatsApp-Gruppe in der Galerie gespeichert werden. Viele Handynutzer wissen gar nicht genau, welche Bilder auf ihrem Handy verfügbar sind. Sind darauf zum Beispiel verfassungsfeindliche Symbole zu sehen, kann dies schnell zu einem Strafverfahren führen.

Welches Problem besteht beim Handy-Entsperren über den Fingerabdruck oder die Face-ID?


Fingerprint- oder Face-ID-Verfahren sind bequem und entsperren das Handy, ohne dass man einen Code eingeben muss. Der Nachteil der Bequemlichkeit: Die Polizei muss nur den Finger des Nutzers auf das Handy drücken oder ihm das Handy vor das Gesicht halten, um es zu entsperren und auf alle Inhalte zuzugreifen.

Wie hat der EuGH zur Smartphone-Durchsuchung entschieden?


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober 2024 entschieden, dass die Polizei grundsätzlich auch beim Verdacht auf leichte Straftaten Handys auslesen darf. Zwar stelle dies einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte einer Person dar. Würde man der Polizei aber verbieten, auch bei leichten Straftaten Beweise zu sichern, könnten Straftaten nicht mehr effektiv verfolgt werden.

Voraussetzung für eine polizeiliche Durchsuchung des Handys sei jedoch, dass ein Gericht oder eine andere unabhängige Behörde vorher prüfe, ob die Durchsuchung im konkreten Fall verhältnismäßig sei. Dabei spiele die Schwere der Straftat wieder eine Rolle.

Dem EuGH zufolge muss der Zugang zu den Handydaten genau gesetzlich geregelt sein. Auch muss der Betroffene über die Maßnahme informiert werden. Dies sei nur dann verzichtbar, wenn es die Ermittlungen gefährden könne (Urteil vom 4.10.2024, Az. C-548/21).

Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf Deutschland haben. So sahen auch die Teilnehmer des jüngsten Deutschen Juristentages gesetzlichen Nachbesserungsbedarf beim Thema Handy-Durchsuchung. Zum Beispiel dürfte eine genaue Klarstellung erforderlich sein, bei welchen Straftaten das Handy ausgelesen werden darf. Dies ist bisher nicht geregelt. Auch das Thema einer Durchsuchung ohne Gericht und behördliche Prüfung aufgrund von "Gefahr im Verzug" wird unter Umständen genauer geregelt werden müssen.

Praxistipp zur Durchsuchung des Handys durch die Polizei


Wer von einer polizeilichen Beschlagnahme seines Handys betroffen ist, sollte die PIN nicht herausgeben. Es empfiehlt sich, in diesem Fall einen Fachanwalt für Strafrecht aufzusuchen. Dieser kann Akteneinsicht nehmen und feststellen, welche Beweise bei der Auswertung tatsächlich gefunden wurden. Dementsprechend kann eine Verteidigungsstrategie erarbeitet werden.

(Wk)


 Günter Warkowski
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