Wann können Arbeitnehmer Sonderurlaub nehmen?
31.05.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Mit dem Begriff Sonderurlaub meinen Juristen meist eine unbezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht. Arbeitnehmer gehen eher davon aus, dass damit eine bezahlte Freistellung gemeint ist. Tatsächlich steht der Begriff Sonderurlaub für Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht aus dem Arbeitsvertrag freigestellt wird, ohne herkömmlichen Urlaub beantragt zu haben. Dazu kommt es meist dann, wenn jemand für einen oder mehrere Tage unverschuldet nicht zur Arbeit kommen kann. Gründe dafür können zum Beispiel familiäre Notfälle, Erkrankungen von Kindern, Beerdigungen von Angehörigen oder ein Umzug sein. Einige Gesetze geben Arbeitnehmern außerdem in bestimmten Ausnahmefällen einen Anspruch auf Sonderurlaub.
§ 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewährt Arbeitnehmern einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub. Dieser setzt voraus, dass der Beschäftigte ”für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird."
Damit sind Umstände gemeint, die zwar von der persönlichen Seite des Arbeitnehmers kommen, an denen dieser aber keine Schuld trägt. Es geht also zum Beispiel nicht um eine Überschwemmung, die den Weg zur Arbeit blockiert oder einen Streik der öffentlichen Verkehrsmittel. Denn diese Umstände kommen nicht aus dem persönlichen Bereich des Beschäftigten.
Außerdem geht es bei dieser Regelung nur um einen kurzen Arbeitsausfall von einem bis wenigen Tagen. Die Arbeitsgerichte entscheiden im Einzelfall, ob es sich tatsächlich um eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" handelt. Diese Vorschrift gibt Arbeitnehmern einen Anspruch auf bezahlte Freistellung.
Wichtig: Sie dürfen den Sonderurlaub nicht einfach eigenmächtig nehmen und einfach zu Hause bleiben, wenn Sie meinen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitgeber muss vorher sein "okay" geben. Verweigert er den Sonderurlaub, hilft nur ein Rechtsanwalt und ggf. das Arbeitsgericht im Rahmen eines Eilverfahrens. Wer eigenmächtig der Arbeit fernbleibt, riskiert eine rechtsgültige Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.
Das Gesetz nennt keine besonderen Gründe für einen Sonderurlaub. Daher richten sich viele Arbeitgeber nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Dieser nennt als Anlässe für Sonderurlaub:
- Geburt eines Kindes,
- Tod des Ehepartners,
- Tod eines Elternteils oder Kindes,
- betrieblich bedingter Umzug an einen anderen Ort,
- 25- und 40-jähriges Arbeitsjubiläum,
- schwere Erkrankung von Angehörigen (im gleichen Haushalt) oder
- Kindern oder
- Betreuungspersonen von Kindern,
- ärztliche Behandlungen des Arbeitnehmers, die während der Arbeitszeit erfolgen müssen.
Zwar handelt es sich hier um eine bezahlte Arbeitsbefreiung. Aber: Wenn Sie einen gesetzlichen Sonderurlaub in Anspruch nehmen, müssen Sie sich als Arbeitnehmer den Betrag anrechnen lassen, der Ihnen während des Arbeitsausfalls von einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt wird.
Das Gesetz nennt den Sonderurlaub nach § 616 BGB auch "vorübergehende Verhinderung". Der Haken bei dieser Vorschrift ist: Sie kann durch einen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag abweichend geregelt werden. Ein solcher Sonderurlaub kann sogar vertraglich ganz ausgeschlossen sein. Dies ist durchaus nicht ungewöhnlich. Auch in einer Betriebsvereinbarung lassen sich vom Gesetz abweichende Regelungen treffen. Daher sollten sich Arbeitnehmer zunächst darüber informieren, welche Vereinbarungen für ihr Arbeitsverhältnis gelten, bevor sie auf einem Sonderurlaub bestehen.
§ 28 des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TvöD) sieht vor, dass Beschäftigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unbezahlten Sonderurlaub erhalten. Der Tarifvertrag enthält in § 29 jedoch auch genaue Regelungen über eine bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 616 BGB. Demnach ist beispielsweise ein Tag Arbeitsbefreiung möglich, wenn die Ehefrau des Arbeitnehmers ein Kind bekommt.
Beim Tod eines Ehegatten, eingetragenen Lebenspartners, Kindes oder Elternteils können Beschäftigte zwei Tage lang frei bekommen. Wird ein dienstlich begründeter Umzug notwendig, berechtigt sie dies zu einem Tag bezahlter Arbeitsbefreiung. Ebenso ist es bei einem 25. oder 40. Dienstjubiläum. Wenn ein Angehöriger schwer erkrankt, der im gleichen Haushalt lebt, berechtigt dies Beschäftigte zu einem freien Tag im Kalenderjahr. Handelt es sich um ein Kind unter 12 Jahren, können es bis zu vier Tage pro Jahr werden. Letzteres gilt jedoch nur, wenn kein Anspruch auf Krankengeld aus dem Sozialrecht besteht (§ 45 SGB V). Der Chef kann zusätzlich bis zu drei Tage Arbeitsbefreiung nach eigenem Ermessen erlauben, wenn der Arbeitnehmer diese aus einem dringendem Anlass benötigt.
Die sogenannte Sonderurlaubsverordnung enthält spezielle Vorschriften zum Sonderurlaub für Bundesbeamte. Ihre §§ 9 – 22 regeln genau, wie viele Tage Arbeitsbefreiung bei welcher Art der persönlichen Verhinderung gewährt werden müssen. Die Vorschrift deckt sich in vielen Punkten mit dem TvöD. Für Beamte der Bundesländer gelten länderspezifische Regelungen.
Bei außergewöhnlichen, familiären Ereignissen haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Sonderurlaub. Dies gilt bei einer Geburt sogar für nicht verheiratete Partner.
So entschied zumindest das Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen VG 7 K 158.12). Dem Urteil zufolge durfte einem Polizeibeamten ein Tag Sonderurlaub aus Anlass der Geburt seines Kindes nicht mit der Begründung verweigert werden, er sei mit der Mutter nicht verheiratet. Die entsprechende Sonderurlaubsverordnung für Beamte spreche zwar ausdrücklich von verheirateten oder in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten. Das Gericht meinte jedoch, dass eine Geburt einen anderen wichtigen persönlichen Grund im Sinne der Vorschrift darstelle.
Ein Polizeibeamter kann nicht 25 Monate Sonderurlaub verlangen, um nach einem nebenberuflichen Jurastudium ein Referendariat abzuleisten. Auch dies entschied das Verwaltungsgericht Berlin (Az. VG 7 K 647.12). Ein wichtiger Grund für einen Sonderurlaub liege nur vor, wenn die privaten Belange bei objektiver Betrachtung gewichtig und schutzwürdig wären. Je länger der beantragte Sonderurlaub eines Beamten dauern solle, umso stärker sei das öffentliche Interesse an seiner vollen Dienstleistung betroffen. Dementsprechend müsse man höhere Anforderungen an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Beurlaubungsgrundes stellen. Daher könne ein besonders langer Sonderurlaub nur in einer Ausnahmesituation gewährt werden, die sich als echte Zwangslage darstelle. Dies sei hier nicht der Fall.
Da der Sonderurlaub nur im Zusammenhang mit einem dringenden Anlass gewährt wird, fordern viele Gerichte einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Sonderurlaub und Anlass. Allerdings entscheiden die Gerichte hier nicht einheitlich. Häufig hängt die Entscheidung auch von den jeweiligen arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen ab.
Beispiel: Das Kind eines Flugkapitäns wurde an einem Arbeitstag geboren, an dem sein Vater Überstunden "abfeierte". Daher konnte er den ihm laut Tarifvertrag zustehenden Sonderurlaub von drei Tagen nicht nehmen. Er wollte dies einige Wochen später nachholen. Sein Arbeitgeber lehnte ab. Es kam zum Rechtsstreit durch mehrere Instanzen.
Schließlich nahm die Airline die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zurück. Damit blieb es beim Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln, das besagte: Verlangt der Tarifvertrag keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen Anlass und Sonderurlaub, kann der Beschäftigte den Sonderurlaub durchaus auch später nehmen, um sich dann um Mutter und Kind zu kümmern oder "anlassbezogene" Erledigungen durchzuführen (Az. 6 Sa 91/11).
Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsfreie Zeit für eine Tätigkeit als Betriebsrat benötigt, kann er sich auf § 37 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz berufen. Nach dieser Vorschrift hat er Anspruch auf Freistellung von der Arbeit bei Fortzahlung des Arbeitslohns. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit werden müssen, wenn die ordnungsgemäße Durchführung ihrer Aufgaben dies erfordert (Az. 7 AZR 500/88).
Lange Zeit war es ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der gesetzliche Anspruch auf Erholungsurlaub sogar bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis bestand. Ein Sonderurlaub änderte daher rein gar nichts am herkömmlichen Urlaubsanspruch. Ausschlag gab allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.
Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.3.2019 hat sich dies jedoch geändert. Nach dieser Entscheidung steht Arbeitnehmern, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ein Jahr lang unbezahlten Sonderurlaub haben, für dieses Jahr dann kein Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub mehr zu. Laut Bundesarbeitsgericht ist der Erholungsurlaub nun davon abhängig, an wie vielen Tagen pro Woche tatsächlich gearbeitet wurde.
§ 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) besagt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf 24 Urlaubstage haben, wenn sie sechs Tage pro Woche arbeiten. Bei einer Fünftagewoche liegt der Urlaubsanspruch bei 20 Tagen. Je weniger Tage in der Woche gearbeitet wird, desto weniger Erholungsurlaub fällt an. Arbeitet ein Beschäftigter wegen Sonderurlaub überhaupt nicht, hat er auch keinen Urlaubsanspruch.
Wichtig: Diese Rechtsprechung ist nicht auf andere ruhende Arbeitsverhältnisse übertragbar. Sie gilt nur hinsichtlich des Sonderurlaubs (Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17).
Die gesetzlichen Regelungen zum Urlaub von Arbeitnehmern können nicht alle in der Arbeitswelt auftretenden Fragen zu diesem Thema beantworten. Die Gesetze werden daher immer wieder durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergänzt und neu ausgelegt. Wenn Sie zum Thema Sonderurlaub Fragen haben oder es Streit mit dem Chef gibt, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht Sie kompetent beraten.
Das Wichtigste in Kürze
1. Anspruch: Arbeitnehmer haben gemäß § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub. Der Anspruch kann sich auch aus einem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag ableiten.
2. Besonderer Grund: Voraussetzung für Sonderurlaub ist, dass der Beschäftigte für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
3. Verhältnis zum Erholungsurlaub: Ruht ein Arbeitsverhältnis wegen Sonderurlaubs länger, kann dies dazu führen, dass der Arbeitnehmer im betreffenden Kalenderjahr keinen Anspruch auf Erholungsurlaub mehr hat.
1. Anspruch: Arbeitnehmer haben gemäß § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub. Der Anspruch kann sich auch aus einem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag ableiten.
2. Besonderer Grund: Voraussetzung für Sonderurlaub ist, dass der Beschäftigte für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
3. Verhältnis zum Erholungsurlaub: Ruht ein Arbeitsverhältnis wegen Sonderurlaubs länger, kann dies dazu führen, dass der Arbeitnehmer im betreffenden Kalenderjahr keinen Anspruch auf Erholungsurlaub mehr hat.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann besteht grundsätzlich Anspruch auf Sonderurlaub? Welche Gründe berechtigen zum Sonderurlaub? Welchen Nachteil hat bezahlter Sonderurlaub? Welche Regelungen gibt es in Arbeits- oder Tarifverträgen zum Sonderurlaub? Was gilt laut Tarifvertrag im öffentlichen Dienst zum Sonderurlaub? Wann bekommen Beamte Sonderurlaub? Sonderurlaub für Hochzeit und Geburt? Sonderurlaub für den Referendardienst? Wann sollte man den Sonderurlaub nehmen? Was gilt bei Betriebsratstätigkeit? Wie ist das Verhältnis von Sonderurlaub und normalem Urlaub? Praxistipp zum Anspruch auf Sonderurlaub Wann besteht grundsätzlich Anspruch auf Sonderurlaub?
§ 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewährt Arbeitnehmern einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub. Dieser setzt voraus, dass der Beschäftigte ”für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird."
Damit sind Umstände gemeint, die zwar von der persönlichen Seite des Arbeitnehmers kommen, an denen dieser aber keine Schuld trägt. Es geht also zum Beispiel nicht um eine Überschwemmung, die den Weg zur Arbeit blockiert oder einen Streik der öffentlichen Verkehrsmittel. Denn diese Umstände kommen nicht aus dem persönlichen Bereich des Beschäftigten.
Außerdem geht es bei dieser Regelung nur um einen kurzen Arbeitsausfall von einem bis wenigen Tagen. Die Arbeitsgerichte entscheiden im Einzelfall, ob es sich tatsächlich um eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" handelt. Diese Vorschrift gibt Arbeitnehmern einen Anspruch auf bezahlte Freistellung.
Wichtig: Sie dürfen den Sonderurlaub nicht einfach eigenmächtig nehmen und einfach zu Hause bleiben, wenn Sie meinen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitgeber muss vorher sein "okay" geben. Verweigert er den Sonderurlaub, hilft nur ein Rechtsanwalt und ggf. das Arbeitsgericht im Rahmen eines Eilverfahrens. Wer eigenmächtig der Arbeit fernbleibt, riskiert eine rechtsgültige Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.
Welche Gründe berechtigen zum Sonderurlaub?
Das Gesetz nennt keine besonderen Gründe für einen Sonderurlaub. Daher richten sich viele Arbeitgeber nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Dieser nennt als Anlässe für Sonderurlaub:
- Geburt eines Kindes,
- Tod des Ehepartners,
- Tod eines Elternteils oder Kindes,
- betrieblich bedingter Umzug an einen anderen Ort,
- 25- und 40-jähriges Arbeitsjubiläum,
- schwere Erkrankung von Angehörigen (im gleichen Haushalt) oder
- Kindern oder
- Betreuungspersonen von Kindern,
- ärztliche Behandlungen des Arbeitnehmers, die während der Arbeitszeit erfolgen müssen.
Welchen Nachteil hat bezahlter Sonderurlaub?
Zwar handelt es sich hier um eine bezahlte Arbeitsbefreiung. Aber: Wenn Sie einen gesetzlichen Sonderurlaub in Anspruch nehmen, müssen Sie sich als Arbeitnehmer den Betrag anrechnen lassen, der Ihnen während des Arbeitsausfalls von einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt wird.
Welche Regelungen gibt es in Arbeits- oder Tarifverträgen zum Sonderurlaub?
Das Gesetz nennt den Sonderurlaub nach § 616 BGB auch "vorübergehende Verhinderung". Der Haken bei dieser Vorschrift ist: Sie kann durch einen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag abweichend geregelt werden. Ein solcher Sonderurlaub kann sogar vertraglich ganz ausgeschlossen sein. Dies ist durchaus nicht ungewöhnlich. Auch in einer Betriebsvereinbarung lassen sich vom Gesetz abweichende Regelungen treffen. Daher sollten sich Arbeitnehmer zunächst darüber informieren, welche Vereinbarungen für ihr Arbeitsverhältnis gelten, bevor sie auf einem Sonderurlaub bestehen.
Was gilt laut Tarifvertrag im öffentlichen Dienst zum Sonderurlaub?
§ 28 des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TvöD) sieht vor, dass Beschäftigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unbezahlten Sonderurlaub erhalten. Der Tarifvertrag enthält in § 29 jedoch auch genaue Regelungen über eine bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 616 BGB. Demnach ist beispielsweise ein Tag Arbeitsbefreiung möglich, wenn die Ehefrau des Arbeitnehmers ein Kind bekommt.
Beim Tod eines Ehegatten, eingetragenen Lebenspartners, Kindes oder Elternteils können Beschäftigte zwei Tage lang frei bekommen. Wird ein dienstlich begründeter Umzug notwendig, berechtigt sie dies zu einem Tag bezahlter Arbeitsbefreiung. Ebenso ist es bei einem 25. oder 40. Dienstjubiläum. Wenn ein Angehöriger schwer erkrankt, der im gleichen Haushalt lebt, berechtigt dies Beschäftigte zu einem freien Tag im Kalenderjahr. Handelt es sich um ein Kind unter 12 Jahren, können es bis zu vier Tage pro Jahr werden. Letzteres gilt jedoch nur, wenn kein Anspruch auf Krankengeld aus dem Sozialrecht besteht (§ 45 SGB V). Der Chef kann zusätzlich bis zu drei Tage Arbeitsbefreiung nach eigenem Ermessen erlauben, wenn der Arbeitnehmer diese aus einem dringendem Anlass benötigt.
Wann bekommen Beamte Sonderurlaub?
Die sogenannte Sonderurlaubsverordnung enthält spezielle Vorschriften zum Sonderurlaub für Bundesbeamte. Ihre §§ 9 – 22 regeln genau, wie viele Tage Arbeitsbefreiung bei welcher Art der persönlichen Verhinderung gewährt werden müssen. Die Vorschrift deckt sich in vielen Punkten mit dem TvöD. Für Beamte der Bundesländer gelten länderspezifische Regelungen.
Sonderurlaub für Hochzeit und Geburt?
Bei außergewöhnlichen, familiären Ereignissen haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Sonderurlaub. Dies gilt bei einer Geburt sogar für nicht verheiratete Partner.
So entschied zumindest das Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen VG 7 K 158.12). Dem Urteil zufolge durfte einem Polizeibeamten ein Tag Sonderurlaub aus Anlass der Geburt seines Kindes nicht mit der Begründung verweigert werden, er sei mit der Mutter nicht verheiratet. Die entsprechende Sonderurlaubsverordnung für Beamte spreche zwar ausdrücklich von verheirateten oder in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten. Das Gericht meinte jedoch, dass eine Geburt einen anderen wichtigen persönlichen Grund im Sinne der Vorschrift darstelle.
Sonderurlaub für den Referendardienst?
Ein Polizeibeamter kann nicht 25 Monate Sonderurlaub verlangen, um nach einem nebenberuflichen Jurastudium ein Referendariat abzuleisten. Auch dies entschied das Verwaltungsgericht Berlin (Az. VG 7 K 647.12). Ein wichtiger Grund für einen Sonderurlaub liege nur vor, wenn die privaten Belange bei objektiver Betrachtung gewichtig und schutzwürdig wären. Je länger der beantragte Sonderurlaub eines Beamten dauern solle, umso stärker sei das öffentliche Interesse an seiner vollen Dienstleistung betroffen. Dementsprechend müsse man höhere Anforderungen an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Beurlaubungsgrundes stellen. Daher könne ein besonders langer Sonderurlaub nur in einer Ausnahmesituation gewährt werden, die sich als echte Zwangslage darstelle. Dies sei hier nicht der Fall.
Wann sollte man den Sonderurlaub nehmen?
Da der Sonderurlaub nur im Zusammenhang mit einem dringenden Anlass gewährt wird, fordern viele Gerichte einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Sonderurlaub und Anlass. Allerdings entscheiden die Gerichte hier nicht einheitlich. Häufig hängt die Entscheidung auch von den jeweiligen arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen ab.
Beispiel: Das Kind eines Flugkapitäns wurde an einem Arbeitstag geboren, an dem sein Vater Überstunden "abfeierte". Daher konnte er den ihm laut Tarifvertrag zustehenden Sonderurlaub von drei Tagen nicht nehmen. Er wollte dies einige Wochen später nachholen. Sein Arbeitgeber lehnte ab. Es kam zum Rechtsstreit durch mehrere Instanzen.
Schließlich nahm die Airline die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zurück. Damit blieb es beim Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln, das besagte: Verlangt der Tarifvertrag keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen Anlass und Sonderurlaub, kann der Beschäftigte den Sonderurlaub durchaus auch später nehmen, um sich dann um Mutter und Kind zu kümmern oder "anlassbezogene" Erledigungen durchzuführen (Az. 6 Sa 91/11).
Was gilt bei Betriebsratstätigkeit?
Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsfreie Zeit für eine Tätigkeit als Betriebsrat benötigt, kann er sich auf § 37 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz berufen. Nach dieser Vorschrift hat er Anspruch auf Freistellung von der Arbeit bei Fortzahlung des Arbeitslohns. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit werden müssen, wenn die ordnungsgemäße Durchführung ihrer Aufgaben dies erfordert (Az. 7 AZR 500/88).
Wie ist das Verhältnis von Sonderurlaub und normalem Urlaub?
Lange Zeit war es ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der gesetzliche Anspruch auf Erholungsurlaub sogar bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis bestand. Ein Sonderurlaub änderte daher rein gar nichts am herkömmlichen Urlaubsanspruch. Ausschlag gab allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.
Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.3.2019 hat sich dies jedoch geändert. Nach dieser Entscheidung steht Arbeitnehmern, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ein Jahr lang unbezahlten Sonderurlaub haben, für dieses Jahr dann kein Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub mehr zu. Laut Bundesarbeitsgericht ist der Erholungsurlaub nun davon abhängig, an wie vielen Tagen pro Woche tatsächlich gearbeitet wurde.
§ 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) besagt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf 24 Urlaubstage haben, wenn sie sechs Tage pro Woche arbeiten. Bei einer Fünftagewoche liegt der Urlaubsanspruch bei 20 Tagen. Je weniger Tage in der Woche gearbeitet wird, desto weniger Erholungsurlaub fällt an. Arbeitet ein Beschäftigter wegen Sonderurlaub überhaupt nicht, hat er auch keinen Urlaubsanspruch.
Wichtig: Diese Rechtsprechung ist nicht auf andere ruhende Arbeitsverhältnisse übertragbar. Sie gilt nur hinsichtlich des Sonderurlaubs (Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17).
Praxistipp zum Anspruch auf Sonderurlaub
Die gesetzlichen Regelungen zum Urlaub von Arbeitnehmern können nicht alle in der Arbeitswelt auftretenden Fragen zu diesem Thema beantworten. Die Gesetze werden daher immer wieder durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergänzt und neu ausgelegt. Wenn Sie zum Thema Sonderurlaub Fragen haben oder es Streit mit dem Chef gibt, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht Sie kompetent beraten.
(Bu)