Was bedeuten die Erst- und Zweitstimme bei Bundes- und Landtagswahlen?
27.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Jede Wählerin und jeder Wähler hat bei der Bundestagswahl und den Landtagswahlen zwei Stimmen, die in aller Regel auf einem Stimmzettel abgebildet sind: Die Erst- und die Zweitstimme. Auf dem Stimmzettel können also zwei Kreuze gemacht werden. Im Folgenden erklären wir Dir, welche Bedeutung die beiden Stimmen haben.
Nein. Das deutsche Grundgesetz gewährt auch die sogenannte negative Wahlfreiheit. Es gibt also keine Wahlpflicht. Die Teilnahme an Wahlen ist freiwillig.
Mit der Erststimme wird ein Direktkandidat aus dem Wahlkreis des Wählers gewählt. Dies ist dann also möglicherweise eine Person, die der Wähler kennt und von der er sich wünscht, dass sie seinen Wahlkreis politisch vertritt. Man spricht hier auch von einer Personenwahl. Dagegen stimmt man mit der Zweitstimme für eine Partei. Die Zweitstimme entscheidet darüber, wie viele Sitze eine bestimmte Partei erhält, in welchem Verhältnis also die Sitze unter den Parteien verteilt werden. Dies nennt sich Verhältniswahlrecht. Aber: Die Zweitstimme des Wählers zählt nur, wenn die gewählte Partei über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Sonst kann diese nicht in den Bundestag oder den Landtag einziehen.
Die Erststimme entscheidet darüber, ob eine bestimmte Person, die sich zur Wahl stellt, in den Bundestag oder den Landtag einzieht. Sie stellt also mehr eine Sympathiestimme dar. Die Zweitstimme beeinflusst dagegen stärker die künftige Politik, weil sie Grundlage der Sitzverteilung für die einzelnen Parteien im Bundes- oder einem Landesparlament ist. Mit ihr entscheidet der Wähler darüber, wie viele Sitze im Parlament eine Partei bekommt, wie viele Abgeordnete dieser Partei beispielsweise also in den Bundestag einziehen. Letztlich hängt davon dann ab, wie stark eine Partei ihre Politik um- und durchsetzen kann. Man könnte also sagen, dass die Zweitstimme für die Wahl einer bestimmten Partei und damit einer bestimmten Politik viel wichtiger ist als die Erststimme. Die bekannten Hochrechnungen am Wahltag beziehen sich deswegen in der Regel in der Regel auf die Zweitstimmen.
Erst- und Zweitstimme können von den Wählern unabhängig voneinander vergeben werden. Hat man vom Direktkandidaten einer Partei eine besonders hohe Meinung, kann man diesen also mit der Erststimme wählen. Vielleicht bevorzugt man aber insgesamt doch eine andere Partei. Dieser kann man problemlos trotzdem die Zweitstimme geben. Insbesondere kleinere Parteien werben im Wahlkampf intensiv um die Zweitstimmen der Wähler. Die Zweitstimme entscheidet über die Stärke der Partei im Bundes- oder Landesparlament.
Ja, das ist rechtlich zulässig. Man kann also nur einen Direktkanidaten mit der Erststimme oder nur eine Partei mit der Zweitstimme wählen. Allerdings besteht damit die Möglichkeit, dass das andere Kreuz durch jemand anderen "ergänzt" wird - möglicherweise nicht im eigenen Sinne.
Wähler dürfen für die Erst und Zweitstimme jeweils ein Kreuz machen – entweder auf dem gleichen Stimmzettel oder, wie bei manchen Landtagswahlen, auf zwei Stimmzetteln. Natürlich muss das Kreuz an der dafür vorgesehenen Stelle sitzen. Wenn der Wähler die Kreise hinter den Namen von Abgeordneten und Partei mit einem einzelnen Strich oder Haken versehen, geht dies auch in Ordnung.
Wichtig ist jedoch, dass sich eindeutig aus dem Wahlzettel ergibt, wie der Wähler die zwei Stimmen vergeben will. Im Prinzip darf man auch zusätzlich zum Ankreuzen den Namen der gewünschten Partei mit Blockbuchstaben daneben schreiben, die eigene Ankreuz-Entscheidung positiv kommentieren oder auch alle Wahlvorschläge bis auf einen streichen. Wenn die Auszähler allerdings nicht eindeutig erkennen können, wen der Wähler denn eigentlich wählen wollte, ist der Stimmzettel ungültig. Passieren kann dies etwa bei handschriftlichen negativen Kommentaren zur selbst getroffenen Wahl, bei einem Ankreuzen von mehr als zwei Kreisen oder bei einer Streichung einzelner Kandidaten. Es ist daher zu empfehlen, schlicht ein deutlich erkennbares Kreuz bei der Erst- und Zweitstimme zu machen.
In Deutschland existieren 299 Wahlkreise. Daher werden zuerst 299 Sitze an die Direktkandidaten vergeben, die in den einzelnen Wahlkreisen die meisten Stimmen erhalten haben. Für jeden Wahlkreis zieht also der Kandidat in den Bundestag ein, der die meisten Stimmen bekommen hat.
Die Mindestzahl der Sitze im Bundestag beträgt 598. Durch sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate kommen weitere Sitze hinzu. Dadurch ändert sich die Zahl der Sitze mit jeder Wahlperiode.
Wie viele Abgeordnete einer Partei insgesamt in den Bundestag kommen, wird mit Hilfe der Zweitstimmen entschieden. Diese bestimmen über die Anzahl und damit den prozentualen Anteil der Sitze, die eine Partei in einem Parlament erhält. Hat eine Partei mehr Sitze erhalten, als Direktkandidaten von ihr gewählt wurden, so werden die restlichen Sitze mit Parteimitgliedern aufgefüllt, die auf einer Liste stehen. Je weiter oben ein Parteimitglied auf der Liste seiner Partei steht, desto sicherer ist sein Einzug ins Parlament über die Zweitstimme. Wie weit oben ein Parteimitglied auf der Liste steht, entscheidet die Partei in eigenen Auswahlverfahren. Die Wähler haben über den Einzug dieser Personen also nur insoweit Einfluss, als dass sie mit ihrer Zweitstimme die Partei, aber keine direkten Kandidaten wählen.
Die 5-Prozent-Hürde ist eine Regel im deutschen Wahlrecht, die besagt, dass eine Partei mindestens 5 % der Zweitstimmen erhalten muss, um in den Bundestag oder in ein Landesparlament einzuziehen. Diese Regel soll verhindern, dass zu viele kleine Parteien ins Parlament kommen, was die Regierungsbildung erschweren könnte (Arguement "Zersplitterung"). Parteien, die diese Hürde nicht überwinden, erhalten keine Sitze im Parlament, sind also draußen.
Eine Ausnahme besteht, wenn eine solche Partei mindestens drei (Bundestagswahl) oder zwei (Sachsen) Direktmandate erzielt. In diesem Fall greift die sogenannte Grundmandatsklausel, und die Partei zieht trotz Nichterreichens der 5-Prozent-Hürde ins Parlament ein.
Die Zweitstimmen entscheiden darüber, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Bundestag bekommt. Sind nach Abzug der Sitze der Direktkandidaten noch Sitze übrig, werden diese an Kandidaten von den Landeslisten der Partei vergeben. Nun kann es aber passieren, dass mittels der Erststimmen mehr Direktkandidaten einer Partei gewählt wurden, als der Partei insgesamt Sitze zustehen. Da aber jeder Direktkandidat das garantierte Anrecht auf einen Sitz hat, muss man zusätzliche Abgeordnete in den Bundestag aufnehmen. Diese zusätzlichen Sitze werden als Überhangmandate bezeichnet. Eine entscheidende Folge von ihnen ist, dass sie den Anteil der Sitze der Parteien, der mittels der Zweitstimmen erreicht wurden, verzerren.
Damit es bei der prozentualen Verteilung der Sitzplätze der Parteien, die mittels der Zweitstimmen erreicht wurde, bleibt, werden diesen seit der Wahlrechtsreform von 2013 sogenannte Ausgleichsmandate zugestanden. Jede Partei erhält so viele Ausgleichsmandate, bis ihr mittels der Zweitstimmen erzielter prozentualer Sitzanteil im Parlament wieder hergestellt ist.
Die Folge dieser Überhang- und Ausgleichsmandate ist, dass die Anzahl der Bundestagsabgeordneten weit über die grundgesetzlich geregelte Anzahl in Höhe von 598 Sitzen steigt. So wurden bei der Bundestagswahl 2021 gesamt 736 Mandate vergeben.
Es gab und gibt verschiedene Diskussionen, die durch Überhang- und Ausgleichsmandate entstandene hohe Zahl an Sitzen im Bundestag durch eine Wahlrechtsreform zu ändern. Denn: Abgeordnete kosten Steuergelder, und zu viele Abgeordnete können nach Meinung mancher dazu führen, dass der Bundestag irgendwann vor lauter Diskussionen nicht mehr entscheidungsfähig ist.
2020 wurde eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Diese besagt unter anderem, dass beim Überschreiten der Regelgröße von 598 Sitzen bis zu drei Überhangmandate nicht mehr durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden sollen. Auch soll - aber erst nach der Bundestagswahl 2021 - die Anzahl der Wahlkreise von 299 Wahlkreisen auf 280 reduziert werden.
Diese Reform wurde von den Oppositionsparteien als nicht ausreichend kritisiert, da sie nach deren Rechenmodellen kaum eine Verbesserung bewirken soll. Auch würden davon eher die großen Parteien profitieren. Es wurde auch beim Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren dagegen geklagt. Das Gericht hat den Eilantrag jedoch abgelehnt. Zwar äußerte es ebenfalls Zweifel an der Reform, dies müsse aber in einem gründlicheren Hauptverfahren geklärt werden und nicht durch eine einstweilige Verfügung (Beschluss vom 20.7.2021, Az. 2 BvF 1/21).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Wahlrechtsreform überwiegend anerkannt. Für verfassungswidrig hält es jedoch die Fünfprozentklausel in ihrer neuen Form. Nach dieser kommen nur Parteien in den Bundestag, die bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten. Im Zuge der Reform war die sogenannte Grundmandatsklausel abgeschafft worden, die eine Ausnahme bildete. Sie ermöglichte auch Parteien mit unter fünf Prozent den Einzug in den Bundestag, wenn diese mindestens drei Direktmandate in Deutschland erzielt hatten. Dem Gericht zufolge ist an der Fünf-Prozent-Hürde grundsätzlich nichts auszusetzen, da sie eine Zersplitterung des Parlaments mit vielen Kleinparteien verhindert. Ohne die Ausnahmeeregelung führe die Klausel aber dazu, dass nicht alle Stimmen gleich viel wert seien. Alle Stimmen für Parteien unter fünf Prozent würden nämlich bei der Neufassung unter den Tisch fallen. Dies erläuterte das Gericht am Beispiel der CSU: Mit der bestehenden Regelung müsse deren Ergebnis in Bayern auf ganz Deutschland umgerechnet werden. Dann komme die Partei vielleicht auf unter fünf Prozent und nicht in den Bundestag. Bisher hatte die CSU sich wegen ihrer vielen Direktmandate keine Sorgen machen müssen.
Es sei jedoch für die Sicherstellung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages nicht notwendig, eine Partei bei der Sitzverteilung unberücksichtigt zu lassen, deren Abgeordnete eine gemeinsame Fraktion mit den Abgeordneten einer anderen Partei bilden würden, wenn beide Parteien zusammen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würden. So bildeten CDU und CSU eine gemeinsame Fraktion und kämen sowieso in den Bundestag. Das Bundesverfassungsgericht ordnete an, dass bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Fünfprozentklausel mit Grundmandatsregelung angewendet werden muss. Eine Partei kommt also bei der kommenden Bundestagswahl mit dem Ergebnis ihrer Zweitstimmen in den Bundestag, wenn sie drei Direktmandate vorweisen kann (Urteil vom 30.7.2024, Az. 2 BvF 1/23 u.a.).
Bei den Landtagswahlen werden die Erst- und Zweitstimmen in den meisten Bundesländern ebenso behandelt wie bei der Bundestagswahl. Eine Ausnahme ist zum Beispiel Bayern:
Zwar geht auch hier die Erststimme auf dem Stimmzettel A an einen Direktkandidaten aus dem eigenen Wahlkreis. Mit der Zweitstimme auf dem Stimmzettel B wählen die Bürger eine Partei und gleichzeitig wieder einen Kandidaten.
Ein wichtiger Unterschied ist jedoch, dass die Erst- und Zweitstimmen in Bayern addiert werden. Sie werden also zu Gesamtstimmen zusammengezählt, welche dann darüber entscheiden, wie viele Sitze eine Partei im Landtag erhält. Hier ist es für die Partei also nicht „egal“, welcher Direktkandidat die Erststimme bekommt.
Auch für den Kandidaten sind jedoch beide Stimmen wichtig. Die Zweitstimmen, die für einen Kandidaten auf seinem Listenplatz abgegeben werden, werden nämlich mit seinen Erststimmen addiert. Sein endgültiger Platz auf der Liste hängt von der Gesamtzahl ab - und damit auch seine Chance, in den Landtag zu kommen. Dies stellt einen Unterschied zur Bundestagswahl dar: Dort entscheiden die Parteien über den Listenplatz eines Kandidaten und die Wähler können die Rangfolge nicht beeinflussen. Eine Folge ist, dass in Bayern auch ein „Spitzenkandidat“ am Ende ohne Sitz dastehen kann, während sich ein bis dahin unbekannter Neuling durch intensiven Wahlkampf einen Sitz erobert.
Eine weitere Besonderheit in Bayern ist, dass es keine Listen für ganz Bayern gibt. Stattdessen werden die Kandidaten jeweils in sieben Regierungsbezirken gewählt.
1. Was ist die Erststimme bei Bundes- und Landtagswahlen?
Mit der Erststimme wählt man einen direkten Kandidaten aus seinem Wahlkreis. Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt das Direktmandat und zieht direkt in den Landtag ein.
2. Was ist die Zweitstimme bei Bundes- und Landtagswahlen?
Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Die Zweitstimme entscheidet darüber, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Landtag erhält.
3. Ist die Erst- oder Zweitstimme wichtiger?
Mit Blick auf die künftige Politik ist die Zweitstimme wichtiger, weil sie die Sitzverteilung im Bundes- oder einem Landtag und somit das politische Gewicht einer Partei bestimmt.
4. Kann man mit der Erst- und Zweitstimme verschiedene Parteien wählen?
Ja, man kann mit der Erststimme einen Kandidaten einer anderen Partei wählen als die Partei, die man mit der Zweitstimme wählt.
5. Was passiert, wenn eine Partei viele Erststimmen, aber wenige Zweitstimmen bekommt?
Die Partei kann viele Direktmandate gewinnen, aber insgesamt wenig Sitze im Landtag bekommen, weil die Zweitstimme die Gesamtsitze festlegt.
6. Was sind Überhangmandate?
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitzplätze nach den Zweitstimmen zustehen.
7. Was sind Ausgleichsmandate?
Ausgleichsmandate werden verteilt, um mit Blick auf Überhangmandate die Anzahl der Sitze der Parteien wieder an das prozentuale Wahlergebnis anzugleichen.
Sowohl die Erst- als auch die Zweitstimme sind wichtig. Im Bundestag und den meisten Landtagen (= Parlamente der Bundesländer) entscheidet die Zweitstimme über die Stärke einer Partei im Parlament, also die Anzahl der Sitze. In Bayern entscheiden beide Stimmen zusammen über die Stärke einer Partei im Landesparlament.
Das Wichtigste in Kürze
1. Erststimme: Mit der Erststimme wird ein Direktkandidat einer bestimmten Partei aus dem Wahlkreis des Wählers gewählt, der auf jeden Fall in ein Parlament einzieht.
2. Zweitstimme: Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Sie entscheidet darüber, mit wie vielen Sitzen, also mit welchem prozentualem Anteil eine bestimmte Partei in ein Parlament einzieht.
3. Stimmvergabe: Wähler können ihre Erst- und Zweitstimme an unterschiedliche Parteien vergeben. So können sie ihre Erststimme einem Kandidaten der Partei A und ihre Zweitstimme der Partei B geben. Wer den größtmöglichen Erfolg der von ihm präferierten Partei will, muss beide Stimmen dieser Partei geben.
1. Erststimme: Mit der Erststimme wird ein Direktkandidat einer bestimmten Partei aus dem Wahlkreis des Wählers gewählt, der auf jeden Fall in ein Parlament einzieht.
2. Zweitstimme: Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Sie entscheidet darüber, mit wie vielen Sitzen, also mit welchem prozentualem Anteil eine bestimmte Partei in ein Parlament einzieht.
3. Stimmvergabe: Wähler können ihre Erst- und Zweitstimme an unterschiedliche Parteien vergeben. So können sie ihre Erststimme einem Kandidaten der Partei A und ihre Zweitstimme der Partei B geben. Wer den größtmöglichen Erfolg der von ihm präferierten Partei will, muss beide Stimmen dieser Partei geben.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Bin ich zum Wählen verpflichtet? Wozu dient grundsätzlich die Erst- und Zweitstimme? Ist die Erst- oder die Zweitstimme wichtiger? Muss man mit der Erst- und Zweitstimme die gleiche Partei wählen? Kann ich auch nur bei einer Stimme ein Kreuz machen? Wann wird ein Stimmzettel ungültig? Wie erfolgt die Verteilung der Sitze im Bundestag? Was bedeutet die 5-Prozent-Hürde? Was sind sogenannte Überhangmandate? Was sind sogenannte Ausgleichsmandate? Wie ist der Stand hinsichtlich einer Reform des Wahlrechts? Update vom 27.8.2024: Wie hat das Bundesverfassungsgericht zur Wahlrechtsreform entschieden? Welche Besonderheiten gibt es bei Landtagswahlen – etwa in Bayern? Nochmal kurz gefragt und kurz geantwortet Praxistipp zur Erst- und Zweitstimme bei Wahlen Bin ich zum Wählen verpflichtet?
Nein. Das deutsche Grundgesetz gewährt auch die sogenannte negative Wahlfreiheit. Es gibt also keine Wahlpflicht. Die Teilnahme an Wahlen ist freiwillig.
Wozu dient grundsätzlich die Erst- und Zweitstimme?
Mit der Erststimme wird ein Direktkandidat aus dem Wahlkreis des Wählers gewählt. Dies ist dann also möglicherweise eine Person, die der Wähler kennt und von der er sich wünscht, dass sie seinen Wahlkreis politisch vertritt. Man spricht hier auch von einer Personenwahl. Dagegen stimmt man mit der Zweitstimme für eine Partei. Die Zweitstimme entscheidet darüber, wie viele Sitze eine bestimmte Partei erhält, in welchem Verhältnis also die Sitze unter den Parteien verteilt werden. Dies nennt sich Verhältniswahlrecht. Aber: Die Zweitstimme des Wählers zählt nur, wenn die gewählte Partei über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Sonst kann diese nicht in den Bundestag oder den Landtag einziehen.
Ist die Erst- oder die Zweitstimme wichtiger?
Die Erststimme entscheidet darüber, ob eine bestimmte Person, die sich zur Wahl stellt, in den Bundestag oder den Landtag einzieht. Sie stellt also mehr eine Sympathiestimme dar. Die Zweitstimme beeinflusst dagegen stärker die künftige Politik, weil sie Grundlage der Sitzverteilung für die einzelnen Parteien im Bundes- oder einem Landesparlament ist. Mit ihr entscheidet der Wähler darüber, wie viele Sitze im Parlament eine Partei bekommt, wie viele Abgeordnete dieser Partei beispielsweise also in den Bundestag einziehen. Letztlich hängt davon dann ab, wie stark eine Partei ihre Politik um- und durchsetzen kann. Man könnte also sagen, dass die Zweitstimme für die Wahl einer bestimmten Partei und damit einer bestimmten Politik viel wichtiger ist als die Erststimme. Die bekannten Hochrechnungen am Wahltag beziehen sich deswegen in der Regel in der Regel auf die Zweitstimmen.
Muss man mit der Erst- und Zweitstimme die gleiche Partei wählen?
Erst- und Zweitstimme können von den Wählern unabhängig voneinander vergeben werden. Hat man vom Direktkandidaten einer Partei eine besonders hohe Meinung, kann man diesen also mit der Erststimme wählen. Vielleicht bevorzugt man aber insgesamt doch eine andere Partei. Dieser kann man problemlos trotzdem die Zweitstimme geben. Insbesondere kleinere Parteien werben im Wahlkampf intensiv um die Zweitstimmen der Wähler. Die Zweitstimme entscheidet über die Stärke der Partei im Bundes- oder Landesparlament.
Kann ich auch nur bei einer Stimme ein Kreuz machen?
Ja, das ist rechtlich zulässig. Man kann also nur einen Direktkanidaten mit der Erststimme oder nur eine Partei mit der Zweitstimme wählen. Allerdings besteht damit die Möglichkeit, dass das andere Kreuz durch jemand anderen "ergänzt" wird - möglicherweise nicht im eigenen Sinne.
Wann wird ein Stimmzettel ungültig?
Wähler dürfen für die Erst und Zweitstimme jeweils ein Kreuz machen – entweder auf dem gleichen Stimmzettel oder, wie bei manchen Landtagswahlen, auf zwei Stimmzetteln. Natürlich muss das Kreuz an der dafür vorgesehenen Stelle sitzen. Wenn der Wähler die Kreise hinter den Namen von Abgeordneten und Partei mit einem einzelnen Strich oder Haken versehen, geht dies auch in Ordnung.
Wichtig ist jedoch, dass sich eindeutig aus dem Wahlzettel ergibt, wie der Wähler die zwei Stimmen vergeben will. Im Prinzip darf man auch zusätzlich zum Ankreuzen den Namen der gewünschten Partei mit Blockbuchstaben daneben schreiben, die eigene Ankreuz-Entscheidung positiv kommentieren oder auch alle Wahlvorschläge bis auf einen streichen. Wenn die Auszähler allerdings nicht eindeutig erkennen können, wen der Wähler denn eigentlich wählen wollte, ist der Stimmzettel ungültig. Passieren kann dies etwa bei handschriftlichen negativen Kommentaren zur selbst getroffenen Wahl, bei einem Ankreuzen von mehr als zwei Kreisen oder bei einer Streichung einzelner Kandidaten. Es ist daher zu empfehlen, schlicht ein deutlich erkennbares Kreuz bei der Erst- und Zweitstimme zu machen.
Wie erfolgt die Verteilung der Sitze im Bundestag?
In Deutschland existieren 299 Wahlkreise. Daher werden zuerst 299 Sitze an die Direktkandidaten vergeben, die in den einzelnen Wahlkreisen die meisten Stimmen erhalten haben. Für jeden Wahlkreis zieht also der Kandidat in den Bundestag ein, der die meisten Stimmen bekommen hat.
Die Mindestzahl der Sitze im Bundestag beträgt 598. Durch sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate kommen weitere Sitze hinzu. Dadurch ändert sich die Zahl der Sitze mit jeder Wahlperiode.
Wie viele Abgeordnete einer Partei insgesamt in den Bundestag kommen, wird mit Hilfe der Zweitstimmen entschieden. Diese bestimmen über die Anzahl und damit den prozentualen Anteil der Sitze, die eine Partei in einem Parlament erhält. Hat eine Partei mehr Sitze erhalten, als Direktkandidaten von ihr gewählt wurden, so werden die restlichen Sitze mit Parteimitgliedern aufgefüllt, die auf einer Liste stehen. Je weiter oben ein Parteimitglied auf der Liste seiner Partei steht, desto sicherer ist sein Einzug ins Parlament über die Zweitstimme. Wie weit oben ein Parteimitglied auf der Liste steht, entscheidet die Partei in eigenen Auswahlverfahren. Die Wähler haben über den Einzug dieser Personen also nur insoweit Einfluss, als dass sie mit ihrer Zweitstimme die Partei, aber keine direkten Kandidaten wählen.
Was bedeutet die 5-Prozent-Hürde?
Die 5-Prozent-Hürde ist eine Regel im deutschen Wahlrecht, die besagt, dass eine Partei mindestens 5 % der Zweitstimmen erhalten muss, um in den Bundestag oder in ein Landesparlament einzuziehen. Diese Regel soll verhindern, dass zu viele kleine Parteien ins Parlament kommen, was die Regierungsbildung erschweren könnte (Arguement "Zersplitterung"). Parteien, die diese Hürde nicht überwinden, erhalten keine Sitze im Parlament, sind also draußen.
Eine Ausnahme besteht, wenn eine solche Partei mindestens drei (Bundestagswahl) oder zwei (Sachsen) Direktmandate erzielt. In diesem Fall greift die sogenannte Grundmandatsklausel, und die Partei zieht trotz Nichterreichens der 5-Prozent-Hürde ins Parlament ein.
Was sind sogenannte Überhangmandate?
Die Zweitstimmen entscheiden darüber, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Bundestag bekommt. Sind nach Abzug der Sitze der Direktkandidaten noch Sitze übrig, werden diese an Kandidaten von den Landeslisten der Partei vergeben. Nun kann es aber passieren, dass mittels der Erststimmen mehr Direktkandidaten einer Partei gewählt wurden, als der Partei insgesamt Sitze zustehen. Da aber jeder Direktkandidat das garantierte Anrecht auf einen Sitz hat, muss man zusätzliche Abgeordnete in den Bundestag aufnehmen. Diese zusätzlichen Sitze werden als Überhangmandate bezeichnet. Eine entscheidende Folge von ihnen ist, dass sie den Anteil der Sitze der Parteien, der mittels der Zweitstimmen erreicht wurden, verzerren.
Was sind sogenannte Ausgleichsmandate?
Damit es bei der prozentualen Verteilung der Sitzplätze der Parteien, die mittels der Zweitstimmen erreicht wurde, bleibt, werden diesen seit der Wahlrechtsreform von 2013 sogenannte Ausgleichsmandate zugestanden. Jede Partei erhält so viele Ausgleichsmandate, bis ihr mittels der Zweitstimmen erzielter prozentualer Sitzanteil im Parlament wieder hergestellt ist.
Die Folge dieser Überhang- und Ausgleichsmandate ist, dass die Anzahl der Bundestagsabgeordneten weit über die grundgesetzlich geregelte Anzahl in Höhe von 598 Sitzen steigt. So wurden bei der Bundestagswahl 2021 gesamt 736 Mandate vergeben.
Wie ist der Stand hinsichtlich einer Reform des Wahlrechts?
Es gab und gibt verschiedene Diskussionen, die durch Überhang- und Ausgleichsmandate entstandene hohe Zahl an Sitzen im Bundestag durch eine Wahlrechtsreform zu ändern. Denn: Abgeordnete kosten Steuergelder, und zu viele Abgeordnete können nach Meinung mancher dazu führen, dass der Bundestag irgendwann vor lauter Diskussionen nicht mehr entscheidungsfähig ist.
2020 wurde eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Diese besagt unter anderem, dass beim Überschreiten der Regelgröße von 598 Sitzen bis zu drei Überhangmandate nicht mehr durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden sollen. Auch soll - aber erst nach der Bundestagswahl 2021 - die Anzahl der Wahlkreise von 299 Wahlkreisen auf 280 reduziert werden.
Diese Reform wurde von den Oppositionsparteien als nicht ausreichend kritisiert, da sie nach deren Rechenmodellen kaum eine Verbesserung bewirken soll. Auch würden davon eher die großen Parteien profitieren. Es wurde auch beim Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren dagegen geklagt. Das Gericht hat den Eilantrag jedoch abgelehnt. Zwar äußerte es ebenfalls Zweifel an der Reform, dies müsse aber in einem gründlicheren Hauptverfahren geklärt werden und nicht durch eine einstweilige Verfügung (Beschluss vom 20.7.2021, Az. 2 BvF 1/21).
Update vom 27.8.2024: Wie hat das Bundesverfassungsgericht zur Wahlrechtsreform entschieden?
Das Bundesverfassungsgericht hat die Wahlrechtsreform überwiegend anerkannt. Für verfassungswidrig hält es jedoch die Fünfprozentklausel in ihrer neuen Form. Nach dieser kommen nur Parteien in den Bundestag, die bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten. Im Zuge der Reform war die sogenannte Grundmandatsklausel abgeschafft worden, die eine Ausnahme bildete. Sie ermöglichte auch Parteien mit unter fünf Prozent den Einzug in den Bundestag, wenn diese mindestens drei Direktmandate in Deutschland erzielt hatten. Dem Gericht zufolge ist an der Fünf-Prozent-Hürde grundsätzlich nichts auszusetzen, da sie eine Zersplitterung des Parlaments mit vielen Kleinparteien verhindert. Ohne die Ausnahmeeregelung führe die Klausel aber dazu, dass nicht alle Stimmen gleich viel wert seien. Alle Stimmen für Parteien unter fünf Prozent würden nämlich bei der Neufassung unter den Tisch fallen. Dies erläuterte das Gericht am Beispiel der CSU: Mit der bestehenden Regelung müsse deren Ergebnis in Bayern auf ganz Deutschland umgerechnet werden. Dann komme die Partei vielleicht auf unter fünf Prozent und nicht in den Bundestag. Bisher hatte die CSU sich wegen ihrer vielen Direktmandate keine Sorgen machen müssen.
Es sei jedoch für die Sicherstellung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages nicht notwendig, eine Partei bei der Sitzverteilung unberücksichtigt zu lassen, deren Abgeordnete eine gemeinsame Fraktion mit den Abgeordneten einer anderen Partei bilden würden, wenn beide Parteien zusammen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würden. So bildeten CDU und CSU eine gemeinsame Fraktion und kämen sowieso in den Bundestag. Das Bundesverfassungsgericht ordnete an, dass bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Fünfprozentklausel mit Grundmandatsregelung angewendet werden muss. Eine Partei kommt also bei der kommenden Bundestagswahl mit dem Ergebnis ihrer Zweitstimmen in den Bundestag, wenn sie drei Direktmandate vorweisen kann (Urteil vom 30.7.2024, Az. 2 BvF 1/23 u.a.).
Welche Besonderheiten gibt es bei Landtagswahlen – etwa in Bayern?
Bei den Landtagswahlen werden die Erst- und Zweitstimmen in den meisten Bundesländern ebenso behandelt wie bei der Bundestagswahl. Eine Ausnahme ist zum Beispiel Bayern:
Zwar geht auch hier die Erststimme auf dem Stimmzettel A an einen Direktkandidaten aus dem eigenen Wahlkreis. Mit der Zweitstimme auf dem Stimmzettel B wählen die Bürger eine Partei und gleichzeitig wieder einen Kandidaten.
Ein wichtiger Unterschied ist jedoch, dass die Erst- und Zweitstimmen in Bayern addiert werden. Sie werden also zu Gesamtstimmen zusammengezählt, welche dann darüber entscheiden, wie viele Sitze eine Partei im Landtag erhält. Hier ist es für die Partei also nicht „egal“, welcher Direktkandidat die Erststimme bekommt.
Auch für den Kandidaten sind jedoch beide Stimmen wichtig. Die Zweitstimmen, die für einen Kandidaten auf seinem Listenplatz abgegeben werden, werden nämlich mit seinen Erststimmen addiert. Sein endgültiger Platz auf der Liste hängt von der Gesamtzahl ab - und damit auch seine Chance, in den Landtag zu kommen. Dies stellt einen Unterschied zur Bundestagswahl dar: Dort entscheiden die Parteien über den Listenplatz eines Kandidaten und die Wähler können die Rangfolge nicht beeinflussen. Eine Folge ist, dass in Bayern auch ein „Spitzenkandidat“ am Ende ohne Sitz dastehen kann, während sich ein bis dahin unbekannter Neuling durch intensiven Wahlkampf einen Sitz erobert.
Eine weitere Besonderheit in Bayern ist, dass es keine Listen für ganz Bayern gibt. Stattdessen werden die Kandidaten jeweils in sieben Regierungsbezirken gewählt.
Nochmal kurz gefragt und kurz geantwortet
1. Was ist die Erststimme bei Bundes- und Landtagswahlen?
Mit der Erststimme wählt man einen direkten Kandidaten aus seinem Wahlkreis. Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt das Direktmandat und zieht direkt in den Landtag ein.
2. Was ist die Zweitstimme bei Bundes- und Landtagswahlen?
Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Die Zweitstimme entscheidet darüber, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Landtag erhält.
3. Ist die Erst- oder Zweitstimme wichtiger?
Mit Blick auf die künftige Politik ist die Zweitstimme wichtiger, weil sie die Sitzverteilung im Bundes- oder einem Landtag und somit das politische Gewicht einer Partei bestimmt.
4. Kann man mit der Erst- und Zweitstimme verschiedene Parteien wählen?
Ja, man kann mit der Erststimme einen Kandidaten einer anderen Partei wählen als die Partei, die man mit der Zweitstimme wählt.
5. Was passiert, wenn eine Partei viele Erststimmen, aber wenige Zweitstimmen bekommt?
Die Partei kann viele Direktmandate gewinnen, aber insgesamt wenig Sitze im Landtag bekommen, weil die Zweitstimme die Gesamtsitze festlegt.
6. Was sind Überhangmandate?
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitzplätze nach den Zweitstimmen zustehen.
7. Was sind Ausgleichsmandate?
Ausgleichsmandate werden verteilt, um mit Blick auf Überhangmandate die Anzahl der Sitze der Parteien wieder an das prozentuale Wahlergebnis anzugleichen.
Praxistipp zur Erst- und Zweitstimme bei Wahlen
Sowohl die Erst- als auch die Zweitstimme sind wichtig. Im Bundestag und den meisten Landtagen (= Parlamente der Bundesländer) entscheidet die Zweitstimme über die Stärke einer Partei im Parlament, also die Anzahl der Sitze. In Bayern entscheiden beide Stimmen zusammen über die Stärke einer Partei im Landesparlament.
(Ma)