Kündigung wegen Krankheit: Was müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen?
20.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Das Kündigungsschutzgesetz ist nur auf Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern anwendbar. Es schreibt vor, dass Arbeitgeber nur mit einem gesetzlich zulässigen Grund kündigen dürfen. Das Gesetz erwähnt die krankheitsbedingte Kündigung nicht. Allerdings ist bei den Arbeitsgerichten anerkannt, dass eine Erkrankung auch zu den "in der Person des Arbeitnehmers" liegenden Gründen zählen kann, die eine Kündigung ermöglichen.
Dies ist zum Beispiel möglich, wenn der oder die Beschäftigte die vereinbarte Tätigkeit auf Dauer nicht mehr ausführen kann und es keine anderweitige Einsatzmöglichkeit im Betrieb für sie oder ihn gibt - etwa auf einem körperlich nicht so anstrengenden Arbeitsplatz. Wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung kommt, ist der Arbeitgeber in seinen Kündigungsgründen nicht so stark eingeschränkt. Trotzdem darf auch dann die krankheitsbedingte Kündigung nicht sittenwidrig oder treuwidrig sein.
Grundsätzlich stellt eine Krankheit allein keinen Kündigungsgrund dar. Unter bestimmten Umständen können jedoch gerade bei längeren oder dauerhaften Erkrankungen die Folgen der Erkrankung – Fehlzeiten und gesetzliche Lohnfortzahlungsansprüche – die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitsvertrages rechtfertigen. Während einer Erkrankung besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dies heißt jedoch nicht, dass der Arbeitgeber nicht kündigen darf – dies beruht auf der Regelung in § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist jedoch an mehrere Voraussetzungen gebunden.
Die Gerichte halten in vier unterschiedlichen Fallgruppen eine krankheitsbedingte Kündigung für zulässig. Dies sind:
- Arbeitsunfähigkeit auf Dauer,
- lang anhaltende Erkrankung,
- häufig wiederkehrende kurze Erkrankungen,
- durch Krankheit bedingte schlechte Leistungen.
Gemeinsam haben diese Fälle, dass drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
- Durch die Erkrankung des Arbeitnehmers sind betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt (Beispiele: Andere Arbeitnehmer müssen ständig einspringen, Betriebsabläufe werden gestört, es entstehen erhöhte Lohnfortzahlungskosten),
- die medizinische Prognose für die Zukunft ist negativ (aus ärztlicher Sicht besteht keine Aussicht auf Besserung),
- eine Abwägung der Interessen von Chef und Mitarbeiter fällt zugunsten des Arbeitgebers aus.
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist das letzte Mittel. Die Interessenabwägung muss daher zum Beispiel das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, die Ursachen der Erkrankung, seinen Familienstand, eine etwaige Schwerbehinderung und mögliche Unterhaltspflichten berücksichtigen.
Sogar ein fehlendes Wiedereingliederungsmanagement des Arbeitgebers kann eine krankheitsbedingte Kündigung laut einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts deutlich erschweren (Urteil vom 24.3.2011, Az. 2 AZR 170/10). Berücksichtigt werden muss auch, ob der Arbeitnehmer anderweitig weiter beschäftigt werden kann – auf einem anderen Arbeitsplatz oder nach einer Fortbildung oder Umschulung.
Steht fest, dass ein Arbeitnehmer nie wieder arbeiten kann, ist der Fall klar. Wenn dies jedoch noch ungewiss ist, gilt nach dem Bundesarbeitsgericht die Faustregel: Kann innerhalb von 24 Monaten nicht mit einer Genesung gerechnet werden, wird der Arbeitnehmer als dauerhaft arbeitsunfähig behandelt (Urteil vom 8.11.2007, Az. 2 AZR 425/06).
Betroffene Arbeitnehmer haben jedoch noch eine Chance: Kann ihnen ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden, mit dem sie trotz ihrer Erkrankung zurechtkommen, oder können sie mit einer Umschulung oder Fortbildung für einen solchen Arbeitsplatz fit gemacht werden, darf ihnen der Arbeitgeber nicht kündigen (Bundesarbeitsgericht, Az. 2 AZR 1020/08 und Az. 2 AZR 205/90).
Von einer lang andauernden oder Langzeiterkrankung spricht man, wenn die Erkrankung länger als sechs Wochen dauert. Lang andauernde Erkrankungen sind für den Arbeitgeber häufig eine geringere Belastung als ständige kurze Erkrankungen – schon aus organisatorischen Gründen. Daher sind Langzeiterkrankungen weniger oft Grund für eine krankheitsbedingte Kündigung. Eine Kündigung ist trotzdem möglich, wenn die oben aufgezählten drei Voraussetzungen vorliegen. Der Arbeitnehmer hat jedoch immer noch die Chance, das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement wahrzunehmen (siehe unten).
Häufige Kurzerkrankungen sind für den Arbeitgeber besonders lästig, da sie unvorhersehbare Störungen im Betriebsablauf verursachen und immer wieder eine Vertretung durch andere Mitarbeiter erfordern. Hinzu kommt, dass die sechs-Wochen-Höchstfrist für die Lohnfortzahlung immer wieder von Neuem zu laufen beginnt. Die Folge ist, dass die Lohnfortzahlungen viel höher ausfallen können, als bei einer normalen, längeren Erkrankung von über sechs Wochen am Stück. Aus diesem Grund wird wegen häufiger Kurzerkrankungen öfter gekündigt.
Bisher haben die Gerichte keine einheitliche Meinung dazu, ab wie vielen Fehltagen eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann. In der Regel wird die zu erwartende Lohnfortzahlung zumindest 30 Tage (also sechs Wochen) überschreiten müssen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass Fehlzeiten bis zu sechs Wochen pro Jahr noch keinen Kündigungsgrund darstellen. In diesem Fall konnte der Arbeitgeber auch keine negative gesundheitliche Zukunftsprognose für die betroffene Arbeitnehmerin beweisen (Urteil vom 5.9.2011, Az. 5 Sa 152/11).
Ebenso hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass der Arbeitgeber für eine Kündigung konkret darlegen muss, warum er weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchtet (Urteil vom 12.12.2017, Az. 8 Sa 170/17). Dabei dürfen Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen (Beispiel: Fuß verstaucht) nicht in die Gesamtzahl der Fehltage einfließen und so zu einer negativen Zukunftsprognose führen.
Erkrankt ein Arbeitnehmer häufig, aber immer nur für kurze Zeit, werden die Erkrankungszeiten der letzten zwei Jahre als Maßstab für die Zukunftsprognose herangezogen.
Wenn der Arbeitgeber innerhalb der vergangenen zwei Jahre jeweils für eine längere Zeit als sechs Wochen im Jahr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten musste, schließt man daraus meist, dass dies nun ein Dauerzustand bleiben wird. Daher besteht dann eine schlechte Zukunftsprognose. Es fließen jedoch nicht immer alle Fehlzeiten in die Rechnung ein. Häufig beruhen die einzelnen Fehlzeiten nämlich auf unterschiedlichen Gründen. Man kann Fehlzeiten aufgrund einer Schwangerschaft oder eines Unfalls nicht einfach mit denen wegen einer anderen Erkrankung zusammenaddieren. Obendrein dürfen aus einer vollkommen ausgeheilten und erledigten Erkrankung keine Schlüsse auf die Zukunft gezogen werden. Arbeitnehmer können in solchen Fällen durch entsprechende Beweise eine krankheitsbedingte Kündigung verhindern.
Eine Kündigung wegen Krankheit kann gerechtfertigt sein, weil ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung weniger leistet, wenn er also langsamer, uneffektiver oder unkonzentrierter arbeitet. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu vor Jahren entschieden, dass mindestens eine Leistungsreduzierung um ein Drittel vorliegen muss, damit in derartigen Fällen eine kankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist (Urteil vom 26.9.1991, Az. 2 AZR 132/91). Die drei oben genannten Voraussetzungen müssen zusätzlich erfüllt sein – einschließlich einer Interessenabwägung, bei der berücksichtigt wird, ob der Arbeitnehmer irgendwo anders im Betrieb eingesetzt werden kann. Dem Chef kann es je nach Einzelfall sogar zuzumuten sein, dass der Arbeitnehmer in Zukunft nur noch in Teilzeit arbeitet. Übrigens: Arbeitet jemand aus Altersgründen nicht mehr so effektiv wie früher, ist dies kein Kündigungsgrund!
War ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mindestens sechs Wochen lang krank – dabei werden auch häufige Kurzerkrankungen tageweise mitgezählt – ist der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, ihm ein sogenanntes betriebliches Wiedereingliederungsmanagement anzubieten. Vorgeschrieben ist dies in § 167 Abs. 2 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX). Das heißt in der Praxis: Der Chef muss sich mit dem Betriebsrat, ggf. mit der Schwerbehindertenvertretung des Betriebes, und dem Arbeitnehmer zusammensetzen, um eine vernünftige Lösung zu finden. Ziel ist, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, neuer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten. Ist dies erforderlich, wird auch der Betriebsarzt hinzugezogen. Das Gesetz lässt offen, welche Schritte im Einzelnen durchzuführen sind. Dies ist vom jeweiligen Betrieb und Arbeitsplatz abhängig.
Ein Berufskraftfahrer, der unter Alkoholeinfluss unterwegs ist, verletzt ganz erheblich seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies kann eine krankheitsbedingte Kündigung zur Folge haben. Bei einer Alkoholabhängigkeit ist dies anders: Diese gilt nämlich als Krankheit, und dem Arbeitnehmer kann man im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung keinen Schuldvorwurf machen. Daher ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur möglich, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war. Im Übrigen kann bei einer bestehenden Therapiebereitschaft vom Arbeitgeber erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. Ein LKW-Fahrer hatte mit 0,64 ‰ Blutalkohol einen Unfall verursacht, bei dem der Unfallgegner verletzt wurde und größerer Sachschaden entstand. Im Betrieb herrschte absolutes Alkoholverbot. Die Vorinstanz hatte eine Kündigung wegen der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne Abmahnung für zulässig erachtet (LAG Berlin-Brandenburg, Az. 7 Sa 852/14).
Bei einer HIV-Infektion kommt es wie so häufig auf den Einzelfall an. Wenn diese zu einer dauerhaften Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit oder Leistungseinschränkungen führt, gelten die gleichen Grundsätze, wie bei anderen Krankheiten. Grundsätzlich ist also eine krankheitsbedingte Kündigung möglich.
Aber: Die reine Infektion an sich ist normalerweise kein Kündigungsgrund. Das Bundesarbeitsgericht hat eine HIV-Infektion 2013 sogar als Behinderung eingestuft. Das heißt: Sie fällt unter das Antidiskriminierungsgesetz (AGG). Eine Kündigung (nur) aus diesem Grund ist deswegen nicht zulässig und kann Entschädigungsansprüche auslösen.
Im konkreten Fall hatte sich ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Reinraumbereich eines Pharmaunternehmens beworben. Dort wurden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Krebsmedikamente hergestellt und nicht einmal Menschen mit Erkältung hatten Zutritt. Nach seiner Einstellung gab er beim Betriebsarzt an, HIV-positiv zu sein. Er wurde sofort noch in der Probezeit entlassen.
Aus dem Urteil ergibt sich, dass eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion auch wirksam sein kann. Der Arbeitgeber muss sich nur die Mühe machen, vernünftig zu begründen, warum gerade im konkreten Fall eine Ansteckungsgefahr bestehen kann und warum es nicht möglich ist, diese durch Sicherheitsvorkehrungen auszuschließen (BAG, Urteil vom 19.12.2013, Az. 6 AZR 190/12). Hier wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen und dort durch Vergleich beigelegt.
Arbeitnehmer können in bestimmten Berufen dazu verpflichtet sein, den Arbeitgeber über ihre HIV-Infektion zu informieren. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Tätigkeit ein Infektionsrisiko für andere besteht. Es gibt aber auch zum Beispiel bei Piloten oder Flugpersonal eine solche Pflicht, da sie in manche Länder mit einer HIV-Infektion nicht einreisen dürfen.
Auch gegen eine krankheitsbedingte Kündigung kann sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehren. Diese muss innerhalb drei Wochen nach Zustellung der Kündigung eingereicht werden.
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung machen viele Arbeitgeber Fehler. Schwierigkeiten bereitet häufig die korrekte Interessenabwägung mit der Berücksichtigung einer möglichen Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz. Ein guter Fachanwalt für Arbeitsrecht findet hier oft Ansatzpunkte, um eine Kündigung anzugreifen. Wichtig: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eingereicht werden.
Das Wichtigste in Kürze
1. Krankheit als Kündigungsgrund: Eine Erkrankung ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund. Längere, dauerhafte und häufig wiederkehrende kurze Erkrankungen können aber eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers rechtfertigen.
2. Voraussetzungen: Die Erkrankung des Arbeitnehmers muss zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, die medizinische Prognose für die Zukunft muss negativ sein und eine Abwägung der Interessen fällt zugunsten des Arbeitgebers aus.
3. Kündigungsschutz: Auch gegen eine krankheitsbedingte Kündigung kann sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehren. Diese muss innerhalb drei Wochen nach Zustellung der Kündigung eingereicht werden.
1. Krankheit als Kündigungsgrund: Eine Erkrankung ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund. Längere, dauerhafte und häufig wiederkehrende kurze Erkrankungen können aber eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers rechtfertigen.
2. Voraussetzungen: Die Erkrankung des Arbeitnehmers muss zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, die medizinische Prognose für die Zukunft muss negativ sein und eine Abwägung der Interessen fällt zugunsten des Arbeitgebers aus.
3. Kündigungsschutz: Auch gegen eine krankheitsbedingte Kündigung kann sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehren. Diese muss innerhalb drei Wochen nach Zustellung der Kündigung eingereicht werden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann ist die Krankheit eines Arbeitnehmers ein Kündigungsgrund? Welche Fälle der krankheitsbedingten Kündigung gibt es? Wann bin ich wegen Krankheit dauerhaft arbeitsunfähig? Was versteht man unter einer Langzeiterkrankung? Wann kann bei häufigen Kurzerkrankungen gekündigt werden? Wann liegt eine negative Zukunftsprognose vor? Was gilt bei schlechten Arbeitsleistungen durch Krankheit? Welche Chancen bietet das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement? Wann ist eine Kündigung wegen Alkoholsucht zulässig? Wann ist eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion zulässig? Wie kann ich mich gegen eine krankheitsbedingte Kündigung wehren? Praxistipp zur Kündigung wegen Krankheit Dies ist zum Beispiel möglich, wenn der oder die Beschäftigte die vereinbarte Tätigkeit auf Dauer nicht mehr ausführen kann und es keine anderweitige Einsatzmöglichkeit im Betrieb für sie oder ihn gibt - etwa auf einem körperlich nicht so anstrengenden Arbeitsplatz. Wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung kommt, ist der Arbeitgeber in seinen Kündigungsgründen nicht so stark eingeschränkt. Trotzdem darf auch dann die krankheitsbedingte Kündigung nicht sittenwidrig oder treuwidrig sein.
Wann ist die Krankheit eines Arbeitnehmers ein Kündigungsgrund?
Grundsätzlich stellt eine Krankheit allein keinen Kündigungsgrund dar. Unter bestimmten Umständen können jedoch gerade bei längeren oder dauerhaften Erkrankungen die Folgen der Erkrankung – Fehlzeiten und gesetzliche Lohnfortzahlungsansprüche – die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitsvertrages rechtfertigen. Während einer Erkrankung besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dies heißt jedoch nicht, dass der Arbeitgeber nicht kündigen darf – dies beruht auf der Regelung in § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist jedoch an mehrere Voraussetzungen gebunden.
Welche Fälle der krankheitsbedingten Kündigung gibt es?
Die Gerichte halten in vier unterschiedlichen Fallgruppen eine krankheitsbedingte Kündigung für zulässig. Dies sind:
- Arbeitsunfähigkeit auf Dauer,
- lang anhaltende Erkrankung,
- häufig wiederkehrende kurze Erkrankungen,
- durch Krankheit bedingte schlechte Leistungen.
Gemeinsam haben diese Fälle, dass drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
- Durch die Erkrankung des Arbeitnehmers sind betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt (Beispiele: Andere Arbeitnehmer müssen ständig einspringen, Betriebsabläufe werden gestört, es entstehen erhöhte Lohnfortzahlungskosten),
- die medizinische Prognose für die Zukunft ist negativ (aus ärztlicher Sicht besteht keine Aussicht auf Besserung),
- eine Abwägung der Interessen von Chef und Mitarbeiter fällt zugunsten des Arbeitgebers aus.
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist das letzte Mittel. Die Interessenabwägung muss daher zum Beispiel das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, die Ursachen der Erkrankung, seinen Familienstand, eine etwaige Schwerbehinderung und mögliche Unterhaltspflichten berücksichtigen.
Sogar ein fehlendes Wiedereingliederungsmanagement des Arbeitgebers kann eine krankheitsbedingte Kündigung laut einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts deutlich erschweren (Urteil vom 24.3.2011, Az. 2 AZR 170/10). Berücksichtigt werden muss auch, ob der Arbeitnehmer anderweitig weiter beschäftigt werden kann – auf einem anderen Arbeitsplatz oder nach einer Fortbildung oder Umschulung.
Wann bin ich wegen Krankheit dauerhaft arbeitsunfähig?
Steht fest, dass ein Arbeitnehmer nie wieder arbeiten kann, ist der Fall klar. Wenn dies jedoch noch ungewiss ist, gilt nach dem Bundesarbeitsgericht die Faustregel: Kann innerhalb von 24 Monaten nicht mit einer Genesung gerechnet werden, wird der Arbeitnehmer als dauerhaft arbeitsunfähig behandelt (Urteil vom 8.11.2007, Az. 2 AZR 425/06).
Betroffene Arbeitnehmer haben jedoch noch eine Chance: Kann ihnen ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden, mit dem sie trotz ihrer Erkrankung zurechtkommen, oder können sie mit einer Umschulung oder Fortbildung für einen solchen Arbeitsplatz fit gemacht werden, darf ihnen der Arbeitgeber nicht kündigen (Bundesarbeitsgericht, Az. 2 AZR 1020/08 und Az. 2 AZR 205/90).
Was versteht man unter einer Langzeiterkrankung?
Von einer lang andauernden oder Langzeiterkrankung spricht man, wenn die Erkrankung länger als sechs Wochen dauert. Lang andauernde Erkrankungen sind für den Arbeitgeber häufig eine geringere Belastung als ständige kurze Erkrankungen – schon aus organisatorischen Gründen. Daher sind Langzeiterkrankungen weniger oft Grund für eine krankheitsbedingte Kündigung. Eine Kündigung ist trotzdem möglich, wenn die oben aufgezählten drei Voraussetzungen vorliegen. Der Arbeitnehmer hat jedoch immer noch die Chance, das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement wahrzunehmen (siehe unten).
Wann kann bei häufigen Kurzerkrankungen gekündigt werden?
Häufige Kurzerkrankungen sind für den Arbeitgeber besonders lästig, da sie unvorhersehbare Störungen im Betriebsablauf verursachen und immer wieder eine Vertretung durch andere Mitarbeiter erfordern. Hinzu kommt, dass die sechs-Wochen-Höchstfrist für die Lohnfortzahlung immer wieder von Neuem zu laufen beginnt. Die Folge ist, dass die Lohnfortzahlungen viel höher ausfallen können, als bei einer normalen, längeren Erkrankung von über sechs Wochen am Stück. Aus diesem Grund wird wegen häufiger Kurzerkrankungen öfter gekündigt.
Bisher haben die Gerichte keine einheitliche Meinung dazu, ab wie vielen Fehltagen eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann. In der Regel wird die zu erwartende Lohnfortzahlung zumindest 30 Tage (also sechs Wochen) überschreiten müssen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass Fehlzeiten bis zu sechs Wochen pro Jahr noch keinen Kündigungsgrund darstellen. In diesem Fall konnte der Arbeitgeber auch keine negative gesundheitliche Zukunftsprognose für die betroffene Arbeitnehmerin beweisen (Urteil vom 5.9.2011, Az. 5 Sa 152/11).
Ebenso hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass der Arbeitgeber für eine Kündigung konkret darlegen muss, warum er weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchtet (Urteil vom 12.12.2017, Az. 8 Sa 170/17). Dabei dürfen Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen (Beispiel: Fuß verstaucht) nicht in die Gesamtzahl der Fehltage einfließen und so zu einer negativen Zukunftsprognose führen.
Wann liegt eine negative Zukunftsprognose vor?
Erkrankt ein Arbeitnehmer häufig, aber immer nur für kurze Zeit, werden die Erkrankungszeiten der letzten zwei Jahre als Maßstab für die Zukunftsprognose herangezogen.
Wenn der Arbeitgeber innerhalb der vergangenen zwei Jahre jeweils für eine längere Zeit als sechs Wochen im Jahr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten musste, schließt man daraus meist, dass dies nun ein Dauerzustand bleiben wird. Daher besteht dann eine schlechte Zukunftsprognose. Es fließen jedoch nicht immer alle Fehlzeiten in die Rechnung ein. Häufig beruhen die einzelnen Fehlzeiten nämlich auf unterschiedlichen Gründen. Man kann Fehlzeiten aufgrund einer Schwangerschaft oder eines Unfalls nicht einfach mit denen wegen einer anderen Erkrankung zusammenaddieren. Obendrein dürfen aus einer vollkommen ausgeheilten und erledigten Erkrankung keine Schlüsse auf die Zukunft gezogen werden. Arbeitnehmer können in solchen Fällen durch entsprechende Beweise eine krankheitsbedingte Kündigung verhindern.
Was gilt bei schlechten Arbeitsleistungen durch Krankheit?
Eine Kündigung wegen Krankheit kann gerechtfertigt sein, weil ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung weniger leistet, wenn er also langsamer, uneffektiver oder unkonzentrierter arbeitet. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu vor Jahren entschieden, dass mindestens eine Leistungsreduzierung um ein Drittel vorliegen muss, damit in derartigen Fällen eine kankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist (Urteil vom 26.9.1991, Az. 2 AZR 132/91). Die drei oben genannten Voraussetzungen müssen zusätzlich erfüllt sein – einschließlich einer Interessenabwägung, bei der berücksichtigt wird, ob der Arbeitnehmer irgendwo anders im Betrieb eingesetzt werden kann. Dem Chef kann es je nach Einzelfall sogar zuzumuten sein, dass der Arbeitnehmer in Zukunft nur noch in Teilzeit arbeitet. Übrigens: Arbeitet jemand aus Altersgründen nicht mehr so effektiv wie früher, ist dies kein Kündigungsgrund!
Welche Chancen bietet das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement?
War ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mindestens sechs Wochen lang krank – dabei werden auch häufige Kurzerkrankungen tageweise mitgezählt – ist der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, ihm ein sogenanntes betriebliches Wiedereingliederungsmanagement anzubieten. Vorgeschrieben ist dies in § 167 Abs. 2 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX). Das heißt in der Praxis: Der Chef muss sich mit dem Betriebsrat, ggf. mit der Schwerbehindertenvertretung des Betriebes, und dem Arbeitnehmer zusammensetzen, um eine vernünftige Lösung zu finden. Ziel ist, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, neuer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten. Ist dies erforderlich, wird auch der Betriebsarzt hinzugezogen. Das Gesetz lässt offen, welche Schritte im Einzelnen durchzuführen sind. Dies ist vom jeweiligen Betrieb und Arbeitsplatz abhängig.
Wann ist eine Kündigung wegen Alkoholsucht zulässig?
Ein Berufskraftfahrer, der unter Alkoholeinfluss unterwegs ist, verletzt ganz erheblich seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies kann eine krankheitsbedingte Kündigung zur Folge haben. Bei einer Alkoholabhängigkeit ist dies anders: Diese gilt nämlich als Krankheit, und dem Arbeitnehmer kann man im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung keinen Schuldvorwurf machen. Daher ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur möglich, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war. Im Übrigen kann bei einer bestehenden Therapiebereitschaft vom Arbeitgeber erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. Ein LKW-Fahrer hatte mit 0,64 ‰ Blutalkohol einen Unfall verursacht, bei dem der Unfallgegner verletzt wurde und größerer Sachschaden entstand. Im Betrieb herrschte absolutes Alkoholverbot. Die Vorinstanz hatte eine Kündigung wegen der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne Abmahnung für zulässig erachtet (LAG Berlin-Brandenburg, Az. 7 Sa 852/14).
Wann ist eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion zulässig?
Bei einer HIV-Infektion kommt es wie so häufig auf den Einzelfall an. Wenn diese zu einer dauerhaften Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit oder Leistungseinschränkungen führt, gelten die gleichen Grundsätze, wie bei anderen Krankheiten. Grundsätzlich ist also eine krankheitsbedingte Kündigung möglich.
Aber: Die reine Infektion an sich ist normalerweise kein Kündigungsgrund. Das Bundesarbeitsgericht hat eine HIV-Infektion 2013 sogar als Behinderung eingestuft. Das heißt: Sie fällt unter das Antidiskriminierungsgesetz (AGG). Eine Kündigung (nur) aus diesem Grund ist deswegen nicht zulässig und kann Entschädigungsansprüche auslösen.
Im konkreten Fall hatte sich ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Reinraumbereich eines Pharmaunternehmens beworben. Dort wurden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Krebsmedikamente hergestellt und nicht einmal Menschen mit Erkältung hatten Zutritt. Nach seiner Einstellung gab er beim Betriebsarzt an, HIV-positiv zu sein. Er wurde sofort noch in der Probezeit entlassen.
Aus dem Urteil ergibt sich, dass eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion auch wirksam sein kann. Der Arbeitgeber muss sich nur die Mühe machen, vernünftig zu begründen, warum gerade im konkreten Fall eine Ansteckungsgefahr bestehen kann und warum es nicht möglich ist, diese durch Sicherheitsvorkehrungen auszuschließen (BAG, Urteil vom 19.12.2013, Az. 6 AZR 190/12). Hier wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen und dort durch Vergleich beigelegt.
Arbeitnehmer können in bestimmten Berufen dazu verpflichtet sein, den Arbeitgeber über ihre HIV-Infektion zu informieren. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Tätigkeit ein Infektionsrisiko für andere besteht. Es gibt aber auch zum Beispiel bei Piloten oder Flugpersonal eine solche Pflicht, da sie in manche Länder mit einer HIV-Infektion nicht einreisen dürfen.
Wie kann ich mich gegen eine krankheitsbedingte Kündigung wehren?
Auch gegen eine krankheitsbedingte Kündigung kann sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehren. Diese muss innerhalb drei Wochen nach Zustellung der Kündigung eingereicht werden.
Praxistipp zur Kündigung wegen Krankheit
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung machen viele Arbeitgeber Fehler. Schwierigkeiten bereitet häufig die korrekte Interessenabwägung mit der Berücksichtigung einer möglichen Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz. Ein guter Fachanwalt für Arbeitsrecht findet hier oft Ansatzpunkte, um eine Kündigung anzugreifen. Wichtig: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eingereicht werden.
(Ma)