Zeitarbeit: Welche Rechte habe ich als Leiharbeiter?

01.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Leiharbeitnehmer Welche rechtlichen Vorgaben gibt es für die Zeitarbeit? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Lohn / Gehalt: Gemäß dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) haben Leiharbeiter Anspruch auf denselben Lohn, wie die festangestellten Mitarbeiter des entleihenden Unternehmens. Im für die Branche einschlägigen Tarifvertrag kann aber für eine bestimmte Zeit eine abweichende Regelung getroffen werden.

2. Arbeitsbedingungen: Leiharbeiter sind vom ausleihenden Unternehmen im Übrigen zu den gleichen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, wie dessen festangestellte Mitarbeiter.

3. Höchstüberlassungsdauer: Die Überlassung eines Leiharbeiters an ein entleihendes Unternehmen ist laut Gesetzt grundsätzlich auf 18 Monate begrenzt. Im Tarifvertrag der jeweiligen Leiharbeiterbranche kann aber eine längere Frist geregelt sein.
Leiharbeit wirft viele rechtliche Fragen auf. Dazu gehört, ob Leiharbeitnehmern einfach gekündigt werden kann, wenn man sie gerade nicht vermitteln kann. Unerwünschte Einsätze, wechselnde Einsatzorte und nicht zuletzt die Frage der Kostenerstattung für die Fahrtkosten zum Einsatzort sorgen immer wieder für Streit zwischen Leiharbeitnehmern und Überlassungsfirmen. Thema von Prozessen vor dem Arbeitsgericht waren auch schon häufig die Rechte von Leiharbeitnehmern im Vergleich zu denen von festangestellten Beschäftigten beim Entleiher. Am 31. Mai 2023 hat das Bundesarbeitsgericht zum Thema "Equal Pay" entschieden.

Was genau ist Leiharbeit?


Leiharbeit wird auch als Zeitarbeit oder als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet. Allerdings bedeuten diese Begriffe immer das Gleiche: Der oder die Beschäftigte ist bei einem Arbeitgeber angestellt, der ihn an einen Dritten "ausleiht". Es besteht also ein Dreiecksverhältnis zwischen Leiharbeiter, Verleihfirma (= die Firma, in welcher der Leiharbeiter angestellt ist) und dem Entleiherbetrieb (= die Firma, an welche der Leiharbeiter ausgeliehen wird). In der Regel werden Leiharbeitnehmer nur zeitlich begrenzt im Entleiherbetrieb tätig. Diese Zeitspanne wird als "Einsatz" bezeichnet. Die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers liegen allein bei der Verleihfirma, denn nur mit dieser hat der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag. In der Regel handelt es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Darf ein Leiharbeiter einen Einsatz ablehnen?


Dafür ist ausschlaggebend, was der Arbeitsvertrag vorgibt. Es gibt häufig Streit darüber, ob ein Arbeitnehmer sich einen Einsatz an einem weit entfernten Einsatzort gefallen lassen muss. Wenn jedoch laut Arbeitsvertrag zum Beispiel ein Einsatz in einer weit entfernten Stadt möglich ist, kann ihn der Leiharbeitnehmer nicht ablehnen. Ansonsten würde er seinen Arbeitsvertrag verletzen. Meist sind die Arbeitsverträge von Zeitarbeitsunternehmen so gestaltet, dass die Unternehmen ihre Leiharbeiter möglichst flexibel einsetzen können. Mündliche Zusatzabsprachen kommen vor. Sie sind in der Regel vor dem Arbeitsgericht kaum zu beweisen und daher riskant.

Erhalten Leiharbeiter eine Fahrtkostenerstattung?


Eine Erstattung der Fahrtkosten ist für Leiharbeitnehmer nicht selbstverständlich. Auch hier sind die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag entscheidend. Auch Branchentarifverträge der Zeitarbeitsbranche können hier eine Rolle spielen. Arbeitsgerichte haben jedoch auch schon Leiharbeitnehmern ohne arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Grundlage eine Fahrtkostenerstattung zugestanden: so zum Beispiel das Landesarbeitsgericht Köln. Das Gericht argumentierte damit, dass der Beschäftigte die Fahrzeit im Interesse seines Arbeitgebers aufgewendet habe (Urteil vom 24.10.2006, Az. 13 Sa 881/06).

Kein neuer Einsatz für den Leiharbeiter: Kündigung erlaubt?


Grundsätzlich muss das Verleihunternehmen seinen Leiharbeitnehmern auch dann weiter Lohn zahlen, wenn es für diese keinen Einsatz gibt. Aber: Wenn absehbar ist, dass sich dies innerhalb des nächsten halben Jahres nicht ändern wird, und wenn der Verleiher alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um einen neuen Einsatz für den Mitarbeiter zu finden, gilt eine betriebsbedingte Kündigung meist als zulässig. Zu den Möglichkeiten, die auszuschöpfen sind, kann im Einzelfall auch eine Fortbildung zählen. Es kommt allerdings auch vor, dass Leiharbeitnehmern schon während der Probezeit gekündigt wird, da gerade kein weiterer Einsatz ansteht.

Urteil: Drei Monate Unterbrechung kein Kündigungsgrund


Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat entschieden, dass die Kündigung einer Zeitarbeiterin nicht gerechtfertigt ist, weil der Kunde/Entleiher auf einer Einsatzpause von drei Monaten und einem Tag bestanden hat. Dieser Fall betraf eine Frau, die über längere Zeit immer beim gleichen Einzelhandelsunternehmen als Kassiererin eingesetzt worden war. Dieses bestand schließlich auf einer Einsatzpause von drei Monaten und einem Tag.

Aus Sicht der Leiharbeitnehmerin diente diese Pause nur dazu, die Gleichstellungsregelung des § 8 Abs. 4 AÜG zu umgehen, durch die ihr die gleiche Bezahlung wie den Festangestellten des Entleiherunternehmens zugestanden hätte. Das Zeitarbeitsunternehmen nahm jedoch die Einsatzunterbrechung zum Anlass, ihr wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten zu kündigen.

Das Arbeitsgericht sah die Kündigung als unwirksam an. Der Zeitraum der fehlenden Einsatzmöglichkeit reiche dafür nicht aus. Das Verleihunternehmen habe nicht begründet, dass auch für einen längeren Zeitraum keine Einsatzmöglichkeit bestünde (Urteil vom 20.03.2018, Az. 1 Ca 2686/17).

Wie lange darf ein Leiharbeiter höchstens in einem Betrieb arbeiten?


Seit April 2017 gilt: Leiharbeitnehmer dürfen maximal 18 Monate lang beim gleichen Entleiher zum Einsatz kommen (§ 1 Abs. 1b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Dabei wird der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig angerechnet, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. Oder, anders formuliert: Eine Pause von mehr als drei Monaten bedeutet, dass die Frist nach der Pause neu zu laufen beginnt. Wichtig: In Tarifverträgen der Leiharbeitsbranche kann eine längere Einsatzdauer vorgesehen sein.

Ist eine Übernahme des Leiharbeiters durch den Entleiherbetrieb zulässig?


Grundsätzlich können Leiharbeiter auch in eine Festanstellung beim Entleiherbetrieb wechseln. Allerdings gibt es zwischen Verleihern und Entleihern oft vertragliche Absprachen, die für einen solchen Wechsel zum Entleiher eine Ablösezahlung vorsehen. Möchte der Entleiher sich also auf eine solche Zahlung nicht einlassen, wird er den Leiharbeitnehmer auch nicht selbst fest einstellen.

Reform der Arbeitnehmerüberlassung: Was hat sich für Leiharbeiter geändert?


Seit April 2017 gibt es neue Regeln zur Leiharbeit. Reformiert wurde unter anderem das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Unter anderem wurden die Unterrichtungspflichten des Entleiher-Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat erweitert: Dieser muss nun umfassend über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben der Zeitarbeiter informiert werden. Auch dürfen Leiharbeiter nicht an Arbeitsplätzen tätig werden, die durch einen Streik gerade unbesetzt sind. Weitere Änderungen gab es beim "Equal pay"-Grundsatz.

Erhalten Leiharbeiter den gleichen Lohn wie festangestellte Mitarbeiter?


Gemäß § 8 Abs. 1 AÜG müssen Leiharbeitnehmer grundsätzlich genauso bezahlt werden, wie vergleichbare feste Arbeitnehmer des Entleiherbetriebes. Aber: Das Gesetz erlaubt es, dass Tarifverträge eine schlechtere Bezahlung vorsehen. Diese muss sich jedoch auf die ersten neun Monate beim gleichen Entleiher beschränken. Längere Abweichungen sind per Tarifvertrag möglich, wenn zumindest nach 15 Monaten der Überlassung an einen Entleiher eine Bezahlung erreicht wird, die laut Tarifvertrag der von Tarifangestellten dieser Branche gleichwertig ist. Auch muss nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgen.

Was sagt das Bundesarbeitsgericht zur Entlohnung von Leiharbeitern


Das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember 2020 einen Fall zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet. Dabei geht es um die Frage, ob die tarifvertraglichen Ausnahmen vom Grundsatz der gleichen Bezahlung mit dem EU-Recht vereinbar sind. Mittlerweile hat der EuGH dazu entschieden, und nun hat auch das Bundesarbeitsgericht ein endgültiges Urteil in dem Fall gefällt.

Der Fall: Die Klägerin war im Einzelhandel in Zeitarbeit als Kommissioniererin tätig. Sie erhielt 9,23 Euro die Stunde, während vergleichbare Beschäftigte beim Entleiherbetrieb 13,64 Euro bekamen. Sie klagte auf nachträgliche Auszahlung der Differenz.

Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Urteil vom Dezember 2022 betont, dass Leiharbeitnehmer durchaus schlechter bezahlt werden dürften als das Stammpersonal - aber nur, wenn dies im Tarifvertrag geregelt sei und dieser einen Ausgleich für die Ungleichbehandlung vorsehe.

Das Bundesarbeitsgericht schloss sich dieser Argumentation an. Im konkreten Fall sah es einen solchen Ausgleich als gegeben an. Maßgeblich war hier der Tarifvertrag zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und ver.di. Dieser sieht vor, dass Leiharbeitnehmer auch in der verleihfreien Zeit ihr Entgelt weiter gezahlt bekommen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes ist dies ein ausreichender Ausgleich für eine Ungleichbehandlung bei der Bezahlung gegenüber dem Stammpersonal. Der Tarifvertrag entspreche den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer und genüge den Anforderungen der EU-Leiharbeits-Richtlinie.

In Betracht zu ziehen sei hier auch, dass die Zeitarbeiterin einen gewissen gesetzlichen Schutz genieße: Die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern dürfe den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten. Auch dürfe der Arbeitgeber nur in den ersten neun Monaten des Leiharbeitsverhältnisses vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts abweichen. Daher habe die Zeitarbeiterin keinen Anspruch auf Erstattung der Lohndifferenz (Urteil vom 31.5.2023, Az. 5 AZR 143/19).

Praxistipp zu den Rechten von Leiharbeitern


Zeitarbeitsverträge führen immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Häufig versuchen Entleiher, arbeitnehmerschützende Regelungen zu umgehen. Haben Sie Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung? Dann kann Sie ein Fachanwalt für Arbeitsrecht fachkundig beraten oder vertreten.

(Wk)


 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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