Wer haftet beim Reitunfall?
31.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Reiten ist ein beliebter Sport. Die "Deutsche reiterliche Vereinigung" veröffentlichte eine Allensbach-Studie, nach der sich 2016 in Deutschland 3,89 Millionen Menschen als Reiter bezeichneten. Ein eigenes Pferd besaßen sogar 900.000 Menschen. Aber: Beim Reiten finden auch immer wieder Unfälle statt. Wer für die Folgen eines Reitunfalles haftet, richtet sich dann nach den Umständen des jeweiligen Vorfalls. Viele Pferdehalter kennen den Umfang ihrer Haftung als Tierhalter nicht. Auch über die Haftung von Reitschulen wird manchmal vor Gericht prozessiert.
Fällt ein Reiter oder eine Reiterin durch eigene Schuld vom eigenen Pferd, muss er oder sie die Folgen selbst tragen. Bestenfalls zahlt die eigene Unfall- oder Krankenversicherung für die Kosten der ärztlichen Behandlung oder des Krankenhausaufenthaltes im Zuge des Reiteunfalles.
Nun kann es aber auch vorkommen, dass man vom Pferd stürzt, weil dieses zum Beispiel wegen eines laut hupenden Autos durchgeht oder vor einem unangeleinten fremden Hund scheut. Dann liegt der Fall anders. In diesem Fall haftet nämlich der hupende Autofahrer oder der Halter des Hundes. Immerhin wäre es ohne die fremde Einwirkung nicht zu dem Reitunfall gekommen. Reiter können in solchen Fällen auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Ist das eigene Pferd durchgegangen oder hat gescheut, wird ein Gericht meist dem Reiter ein Mitverschulden an seiner eigenen Verletzung zurechnen. Wie hoch dieses ausfällt, hängt von der Situation ab.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es eine Vorschrift zur sogenannten Tierhalterhaftung. Dieser § 833 gilt auch für Pferdehalter. Bei der Tierhalterhaftung handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters für jegliche Schäden, die sein Tier anderen Leuten zufügt - für Pferdebesitzer also auch bei Reitunfällen. Man haftet also gleichermaßen für Personen- oder Sachschäden. Aber: Die Haftung beschränkt sich auf Fälle, bei denen eine "typische Tiergefahr" zu dem Schaden geführt hat. Damit ist ein für die jeweilige Tierart typisches Verhalten gemeint. Hauptsächlich versteht man darunter ein selbstständiges und unberechenbares Verhalten des Tieres. Das Scheuen eines Pferdes könnte darunter fallen. Allerdings kommt es immer auf die Situation im Einzelfall an.
Folgt das Tier allerdings gerade der Leitung eines Menschen, liegt der Fall anders. Findet ein Reitunfall statt, während der Reiter sein Pferd unter Kontrolle hat, greift die Tierhalterhaftung nicht. Aus diesem Grund wies zum Beispiel das Oberlandesgericht Hamm 2013 einen Anspruch aus Tierhalterhaftung ab. In diesem Fall war eine Reiterin beim Ausreiten mit einem fremden Pferd gestürzt. Der genaue Unfallhergang ließ sich wegen eines Gedächtnisverlustes infolge von Kopfverletzungen nicht mehr feststellen. Damit gab es keine Beweise für eine "typische Tiergefahr", die zu dem Reitunfall führte und die Pferdehalterin musste gegenüber der Reiterin nicht haften (Urteil vom 18.11.2012, Az. 9 U 162/11).
Die Regelung zur Tierhalterhaftung macht eine Ausnahme für Nutztiere, mit denen der Tierhalter seinen Lebensunterhalt verdient. Für deren Missetaten haftet der Halter nicht. Er muss jedoch beweisen, dass er alle üblichen und erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen und Sorgfaltsregeln eingehalten hat. Nutztiere können zum Beispiel die Pferde einer Reitschule oder auch Zuchtpferde sein. Pferde in privatem Eigentum werden meist als Luxustiere angesehen, die nicht unter die Ausnahme fallen.
Beispiel: Ein Pferd bricht aus seiner Weide aus und rennt einen Radfahrer über den Haufen. Gilt dieses Pferd als Nutztier, kann sich sein Halter aus der Haftung befreien. Dazu muss er nachweisen, dass die Weide in der üblichen Form eingezäunt war, dass das Pferd bisher nie besondere Ausbruchsneigungen gezeigt hat und dass das Gatter geschlossen war.
Gilt das Pferd nicht als Nutztier, haftet man als Pferdehalter in jedem Fall. Und zwar auch dann, wenn man gar keinen Einfluss auf das Geschehen hatte, weil man vielleicht gerade in Spanien in der Sonne lag.
Dem Oberlandesgericht Nürnberg zufolge haftet ein Pferdeeigentümer auch für den Reitunfall einer Reitbeteiligung. Vor Gericht ging es um den Fall einer Reiterin, die mit der Eigentümerin eines Pferdes eine Reitbeteiligung vereinbart hatte. Beim Reiten auf einer Koppel fiel sie dann unglücklich vom Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung.
Die gesetzliche Krankenversicherung der Frau zahlte, verklagte aber die Eigentümerin des Pferdes. Die Regressforderung der Versicherung betrug 103.000 Euro. Allerdings berief sich die Eigentümerin des Pferdes darauf, dass die Klägerin aufgrund der Reitbeteiligung selbst als Tierhalterin anzusehen sei. Deshalb könne sie gar keine Ansprüche geltend machen. Das Gericht entschied jedoch, dass die Vereinbarung einer Reitbeteiligung nichts ändere: Die Eigentümerin sei alleinige Tierhalterin.
Dies gelte schon deshalb, weil sie allein das Bestimmungsrecht über das Tier habe und dessen Futter und alle anderen Rechnungen bezahle. Die Frau mit der Reitbeteiligung dagegen habe nur ein geringes Entgelt für gelegentliche Ausritte bezahlt und gelegentlich den Stall ausgemistet. Auch einen stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen den beiden Frauen lehnte das Gericht ab. Zwar sei die Reitbeteiligung hier nicht in die von der Halterin abgeschlossene Haftpflichtversicherung einbezogen gewesen. Dies ändere jedoch nichts. Die Tierhalterin hafte nach § 833 BGB.
Der Reiterin wurde an dem Reitunfall jedoch ein Mitverschulden von 50 Prozent angerechnet. Dazu kam es, weil die näheren Umstände des Sturzes vom Pferd nicht mehr aufklärbar waren (OLG Nürnberg, Urteil vom 29.3.2017, Az. 4 U 1162/13).
Ein Probereiten wird meist durchgeführt, bevor jemand ein Pferd kauft. Denn: Zwischen Pferd und Reiter muss "die Chemie stimmen". Bei einem solchen Probereiten – immerhin schon dem dritten mit diesem Tier – stürzte eine Frau vom Pferd und verletzte sich. Sie verklagte den Eigentümer des Pferdes auf Schmerzensgeld und Ersatz ihres Verdienstausfalls.
Der Pferdehalter erklärte, dass sie sich ja im eigenen Interesse auf das Pferd gesetzt habe. Damit sei dies auf ihre eigene Gefahr geschehen. Das Landgericht Hildesheim verurteilte trotzdem den Pferdehalter zur Zahlung wegem der Folgen des Reitunfalls. Nach diesem Urteil profitieren auch Reiter von der Tierhalterhaftung, die sich im eigenen Interesse auf ein fremdes Pferd setzen.
Nicht immer beruht die Haftung nach einem Reitunfall auf der Tierhalterhaftung. Gerade bei Reitschulen ist die Haftungsgrundlage oft auch eine Verletzung von Sorgfaltspflichten.
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz müssen Veranstalter von Reitkursen insbesondere bei Anfängern mit besonderer Sorgfalt vorgehen, um Unglücksfällen vorzubeugen. Wenn dann doch ein Reitunfall passiert, müssen sie die Erfüllung ihrer Pflichten vor Gericht beweisen.
Im konkreten Fall war eine Reitschülerin bei ihrer ersten Reitstunde vom Pferd gefallen, weil dieses plötzlich zu galoppieren anfing. Die Frau verlangte Schadensersatz wegen ihrer schweren Verletzungen. Die Reitschule sah den Sturz jedoch als ihre eigene Schuld an, da sie einen Reitfehler begangen habe. Das Gericht sah dies anders und verurteilte die Reitschule zum Schadensersatz wegen einer Verletzung ihrer vertraglichen Sorgfaltspflicht. Der Reitunfall sei die Folge unterlassener Schutzmaßnahmen gewesen.
Welche Vorbeugemaßnahmen eine Reitschule treffen muss, richtet sich gemäß dem Urteil insbesondere nach der Art der Übung sowie dem Alter und der Erfahrenheit von Reitschüler und Pferd. Ein Reitlehrer müsse seine Schüler immer über die einzuhaltenden Regeln und Schutzmaßnahmen informieren. Er müsse sich auch stets vergewissern, dass die Teilnehmer alles verstünden und zur Umsetzung imstande seien. Handle es sich um die erste Reitstunde, müsse der Reitlehrer dem oder der Betreffenden ein friedliches Pferd zuweisen, das nicht zu temperamentvollen Gangwechseln neige. Um sicherzugehen, müsse man das Pferd zunächst an der Leine führen, damit Tier und Reiter sich aneinander gewöhnen könnten. In diesem Fall habe der Veranstalter und Pferdehalter alle diese Schritte vor Gericht entweder gar nicht erst dargelegt oder sie nicht nachweisen können (Az. 5 U 1708/05).
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass ein Reiterhof nicht für jeden Schaden haftet, den Kinder im Verlauf ihrer Reiterferien erleiden (Az. 15 U 47/03). In diesem Fall war ein dreizehnjähriges Mädchen im Rahmen eines "freien" unbeaufsichtigten Reitens von einem gutmütigen Pony gestürzt. Sie erlitt dabei lebensgefährliche Verletzungen. Das Gericht wies die Schadensersatzklage ab. Seiner Ansicht nach hätte sich der Sturz auch mit einer Aufsichtsperson nicht verhindern lassen. Es habe sich um ein allgemeines Lebensrisiko gehandelt.
Ebenso musste die Inhaberin einer Reitschule nicht für den Unfall einer fünfjährigen Reitschülerin haften. Diese war während einer Reitstunde vom Pony gerutscht. Eine Aushilfe der Reitschule hatte das Pony mit einer ein bis zwei Meter langen Longe im Kreis geführt. Dem Pony war eine Decke mit Haltegriff aufgelegt. Die darauf reitenden Kinder sollten auf Kommando frei sitzend kurz in die Hände klatschen. Bei dieser Übung verlor das Mädchen das Gleichgewicht und rutschte vom Pony, erlitt also einen Reitunfall.
Das Kind zog sich schwere Verletzungen zu. Es kam zur Klage gegen die Inhaberin der Reitschule auf Schmerzensgeld. Dies begründete man mit der Verletzung einer Aufsichtspflicht. Das Oberlandesgericht Hamm war anderer Meinung: Die Inhaberin habe für die Reitstunde eine Aushilfe ausgewählt, die nach ihrem Alter, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen sei, die Reitstunde sachgerecht durchzuführen. Da der Aushilfe kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, habe hier auch niemand die Aufsichtspflicht verletzt.
Auch hätten die Größe der Gruppe und die Dauer des Reitunterrichts keine Auswirkungen auf den Reitunfall gehabt. Das Mädchen habe schon vorher auf einem Pferd gesessen und Reiterfahrung gehabt. Sie sei schon im Trab und im Galopp geritten. Während der Reitstunde habe sie gut mitmachen können und es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie die Gleichgewichtsübung am Ende der Stunde nicht schaffen werde. Die Aushilfe habe noch versucht, den plötzlichen Sturz der jungen Reiterin abzufangen. Ihr sei nicht vorzuwerfen, dass sie dies nicht geschafft habe (Az. 12 U 130/12).
Zum Schutz vor einer Haftung ist Pferdehaltern eine Tierhalterhaftpflichtversicherung zu empfehlen. Diese deckt Schadensersatzforderungen aufgrund der angesprochenen Tierhalterhaftung ab – nicht nur nach einem Reitunfall, sondern auch, wenn das Pferd wegläuft und irgendeinen anderen Schaden anrichtet. Außerdem gibt es besondere Reiterunfallversicherungen. Diese decken Schäden durch Unfälle des Reiters selbst bei jeder nicht beruflichen Beschäftigung mit dem Pferd ab. Möglich ist sogar eine Pferdehalter-Rechtsschutzversicherung und nicht zuletzt eine Pferde-Krankenversicherung für das Pferd selbst.
Nach einem Reitunfall empfiehlt es sich sowohl für Geschädigte, als auch für verantwortliche Tierhalter oder Unfallverursacher, sich anwaltlich beraten zu lassen. Einige Rechtsanwälte haben sich speziell auf den Bereich "Tierrecht" bzw. "Pferderecht" spezialisiert. Diese können Ihre Erfolgschancen bei einer Klage am besten beurteilen oder Ihnen dabei helfen, sich gegen fremde Ansprüche zu verteidigen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Grundsatz: Auch für Pferdehalter gilt die sogenannte Tierhalterhaftung, im Rahmen derer der Tierhalter verschuldensunabhängig für jegliche Schäden, die sein Pferd Personen und Sachen zufügt, haftet. Das gilt grundsätzlich auch für Reitunfälle.
2. Mitverschulden: Verunfallt der Reiter des eigenen Pferdes und ebenso eine Reitbeteiligung, müssen sich diese ein Mitverschulden am Reitunfall anrechnen lassen.
3. Ausnahme: Findet ein Reitunfall statt, während der Reiter sein Pferd unter Kontrolle hat, greift die Tierhalterhaftung nicht. Denn die Tierhalterhaftung greift nur bei Unfällen, in denen sich die "typische Tiergefahr" realisiert.
1. Grundsatz: Auch für Pferdehalter gilt die sogenannte Tierhalterhaftung, im Rahmen derer der Tierhalter verschuldensunabhängig für jegliche Schäden, die sein Pferd Personen und Sachen zufügt, haftet. Das gilt grundsätzlich auch für Reitunfälle.
2. Mitverschulden: Verunfallt der Reiter des eigenen Pferdes und ebenso eine Reitbeteiligung, müssen sich diese ein Mitverschulden am Reitunfall anrechnen lassen.
3. Ausnahme: Findet ein Reitunfall statt, während der Reiter sein Pferd unter Kontrolle hat, greift die Tierhalterhaftung nicht. Denn die Tierhalterhaftung greift nur bei Unfällen, in denen sich die "typische Tiergefahr" realisiert.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wer haftet, wenn ich vom Pferd falle? Wann hafte ich als Pferdehalter? In welchen Fällen greift die Tierhalterhaftung nicht? Wann haften Pferdehalter für den Unfall einer Reitbeteiligung? Wer haftet, wenn ein Kaufinteressent beim Probereiten stürzt? Wann muss die Reitschule für den Unfall einer Reitschülerin haften? Wann lehnen die Gerichte eine Haftung der Reitschule ab? Welche Versicherungen schützen gegen die Folgen von Reitunfällen? Praxistipp zur Haftung beim Reitunfall Wer haftet, wenn ich vom Pferd falle?
Fällt ein Reiter oder eine Reiterin durch eigene Schuld vom eigenen Pferd, muss er oder sie die Folgen selbst tragen. Bestenfalls zahlt die eigene Unfall- oder Krankenversicherung für die Kosten der ärztlichen Behandlung oder des Krankenhausaufenthaltes im Zuge des Reiteunfalles.
Nun kann es aber auch vorkommen, dass man vom Pferd stürzt, weil dieses zum Beispiel wegen eines laut hupenden Autos durchgeht oder vor einem unangeleinten fremden Hund scheut. Dann liegt der Fall anders. In diesem Fall haftet nämlich der hupende Autofahrer oder der Halter des Hundes. Immerhin wäre es ohne die fremde Einwirkung nicht zu dem Reitunfall gekommen. Reiter können in solchen Fällen auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Ist das eigene Pferd durchgegangen oder hat gescheut, wird ein Gericht meist dem Reiter ein Mitverschulden an seiner eigenen Verletzung zurechnen. Wie hoch dieses ausfällt, hängt von der Situation ab.
Wann hafte ich als Pferdehalter?
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es eine Vorschrift zur sogenannten Tierhalterhaftung. Dieser § 833 gilt auch für Pferdehalter. Bei der Tierhalterhaftung handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters für jegliche Schäden, die sein Tier anderen Leuten zufügt - für Pferdebesitzer also auch bei Reitunfällen. Man haftet also gleichermaßen für Personen- oder Sachschäden. Aber: Die Haftung beschränkt sich auf Fälle, bei denen eine "typische Tiergefahr" zu dem Schaden geführt hat. Damit ist ein für die jeweilige Tierart typisches Verhalten gemeint. Hauptsächlich versteht man darunter ein selbstständiges und unberechenbares Verhalten des Tieres. Das Scheuen eines Pferdes könnte darunter fallen. Allerdings kommt es immer auf die Situation im Einzelfall an.
Folgt das Tier allerdings gerade der Leitung eines Menschen, liegt der Fall anders. Findet ein Reitunfall statt, während der Reiter sein Pferd unter Kontrolle hat, greift die Tierhalterhaftung nicht. Aus diesem Grund wies zum Beispiel das Oberlandesgericht Hamm 2013 einen Anspruch aus Tierhalterhaftung ab. In diesem Fall war eine Reiterin beim Ausreiten mit einem fremden Pferd gestürzt. Der genaue Unfallhergang ließ sich wegen eines Gedächtnisverlustes infolge von Kopfverletzungen nicht mehr feststellen. Damit gab es keine Beweise für eine "typische Tiergefahr", die zu dem Reitunfall führte und die Pferdehalterin musste gegenüber der Reiterin nicht haften (Urteil vom 18.11.2012, Az. 9 U 162/11).
In welchen Fällen greift die Tierhalterhaftung nicht?
Die Regelung zur Tierhalterhaftung macht eine Ausnahme für Nutztiere, mit denen der Tierhalter seinen Lebensunterhalt verdient. Für deren Missetaten haftet der Halter nicht. Er muss jedoch beweisen, dass er alle üblichen und erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen und Sorgfaltsregeln eingehalten hat. Nutztiere können zum Beispiel die Pferde einer Reitschule oder auch Zuchtpferde sein. Pferde in privatem Eigentum werden meist als Luxustiere angesehen, die nicht unter die Ausnahme fallen.
Beispiel: Ein Pferd bricht aus seiner Weide aus und rennt einen Radfahrer über den Haufen. Gilt dieses Pferd als Nutztier, kann sich sein Halter aus der Haftung befreien. Dazu muss er nachweisen, dass die Weide in der üblichen Form eingezäunt war, dass das Pferd bisher nie besondere Ausbruchsneigungen gezeigt hat und dass das Gatter geschlossen war.
Gilt das Pferd nicht als Nutztier, haftet man als Pferdehalter in jedem Fall. Und zwar auch dann, wenn man gar keinen Einfluss auf das Geschehen hatte, weil man vielleicht gerade in Spanien in der Sonne lag.
Wann haften Pferdehalter für den Unfall einer Reitbeteiligung?
Dem Oberlandesgericht Nürnberg zufolge haftet ein Pferdeeigentümer auch für den Reitunfall einer Reitbeteiligung. Vor Gericht ging es um den Fall einer Reiterin, die mit der Eigentümerin eines Pferdes eine Reitbeteiligung vereinbart hatte. Beim Reiten auf einer Koppel fiel sie dann unglücklich vom Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung.
Die gesetzliche Krankenversicherung der Frau zahlte, verklagte aber die Eigentümerin des Pferdes. Die Regressforderung der Versicherung betrug 103.000 Euro. Allerdings berief sich die Eigentümerin des Pferdes darauf, dass die Klägerin aufgrund der Reitbeteiligung selbst als Tierhalterin anzusehen sei. Deshalb könne sie gar keine Ansprüche geltend machen. Das Gericht entschied jedoch, dass die Vereinbarung einer Reitbeteiligung nichts ändere: Die Eigentümerin sei alleinige Tierhalterin.
Dies gelte schon deshalb, weil sie allein das Bestimmungsrecht über das Tier habe und dessen Futter und alle anderen Rechnungen bezahle. Die Frau mit der Reitbeteiligung dagegen habe nur ein geringes Entgelt für gelegentliche Ausritte bezahlt und gelegentlich den Stall ausgemistet. Auch einen stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen den beiden Frauen lehnte das Gericht ab. Zwar sei die Reitbeteiligung hier nicht in die von der Halterin abgeschlossene Haftpflichtversicherung einbezogen gewesen. Dies ändere jedoch nichts. Die Tierhalterin hafte nach § 833 BGB.
Der Reiterin wurde an dem Reitunfall jedoch ein Mitverschulden von 50 Prozent angerechnet. Dazu kam es, weil die näheren Umstände des Sturzes vom Pferd nicht mehr aufklärbar waren (OLG Nürnberg, Urteil vom 29.3.2017, Az. 4 U 1162/13).
Wer haftet, wenn ein Kaufinteressent beim Probereiten stürzt?
Ein Probereiten wird meist durchgeführt, bevor jemand ein Pferd kauft. Denn: Zwischen Pferd und Reiter muss "die Chemie stimmen". Bei einem solchen Probereiten – immerhin schon dem dritten mit diesem Tier – stürzte eine Frau vom Pferd und verletzte sich. Sie verklagte den Eigentümer des Pferdes auf Schmerzensgeld und Ersatz ihres Verdienstausfalls.
Der Pferdehalter erklärte, dass sie sich ja im eigenen Interesse auf das Pferd gesetzt habe. Damit sei dies auf ihre eigene Gefahr geschehen. Das Landgericht Hildesheim verurteilte trotzdem den Pferdehalter zur Zahlung wegem der Folgen des Reitunfalls. Nach diesem Urteil profitieren auch Reiter von der Tierhalterhaftung, die sich im eigenen Interesse auf ein fremdes Pferd setzen.
Wann muss die Reitschule für den Unfall einer Reitschülerin haften?
Nicht immer beruht die Haftung nach einem Reitunfall auf der Tierhalterhaftung. Gerade bei Reitschulen ist die Haftungsgrundlage oft auch eine Verletzung von Sorgfaltspflichten.
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz müssen Veranstalter von Reitkursen insbesondere bei Anfängern mit besonderer Sorgfalt vorgehen, um Unglücksfällen vorzubeugen. Wenn dann doch ein Reitunfall passiert, müssen sie die Erfüllung ihrer Pflichten vor Gericht beweisen.
Im konkreten Fall war eine Reitschülerin bei ihrer ersten Reitstunde vom Pferd gefallen, weil dieses plötzlich zu galoppieren anfing. Die Frau verlangte Schadensersatz wegen ihrer schweren Verletzungen. Die Reitschule sah den Sturz jedoch als ihre eigene Schuld an, da sie einen Reitfehler begangen habe. Das Gericht sah dies anders und verurteilte die Reitschule zum Schadensersatz wegen einer Verletzung ihrer vertraglichen Sorgfaltspflicht. Der Reitunfall sei die Folge unterlassener Schutzmaßnahmen gewesen.
Welche Vorbeugemaßnahmen eine Reitschule treffen muss, richtet sich gemäß dem Urteil insbesondere nach der Art der Übung sowie dem Alter und der Erfahrenheit von Reitschüler und Pferd. Ein Reitlehrer müsse seine Schüler immer über die einzuhaltenden Regeln und Schutzmaßnahmen informieren. Er müsse sich auch stets vergewissern, dass die Teilnehmer alles verstünden und zur Umsetzung imstande seien. Handle es sich um die erste Reitstunde, müsse der Reitlehrer dem oder der Betreffenden ein friedliches Pferd zuweisen, das nicht zu temperamentvollen Gangwechseln neige. Um sicherzugehen, müsse man das Pferd zunächst an der Leine führen, damit Tier und Reiter sich aneinander gewöhnen könnten. In diesem Fall habe der Veranstalter und Pferdehalter alle diese Schritte vor Gericht entweder gar nicht erst dargelegt oder sie nicht nachweisen können (Az. 5 U 1708/05).
Wann lehnen die Gerichte eine Haftung der Reitschule ab?
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass ein Reiterhof nicht für jeden Schaden haftet, den Kinder im Verlauf ihrer Reiterferien erleiden (Az. 15 U 47/03). In diesem Fall war ein dreizehnjähriges Mädchen im Rahmen eines "freien" unbeaufsichtigten Reitens von einem gutmütigen Pony gestürzt. Sie erlitt dabei lebensgefährliche Verletzungen. Das Gericht wies die Schadensersatzklage ab. Seiner Ansicht nach hätte sich der Sturz auch mit einer Aufsichtsperson nicht verhindern lassen. Es habe sich um ein allgemeines Lebensrisiko gehandelt.
Ebenso musste die Inhaberin einer Reitschule nicht für den Unfall einer fünfjährigen Reitschülerin haften. Diese war während einer Reitstunde vom Pony gerutscht. Eine Aushilfe der Reitschule hatte das Pony mit einer ein bis zwei Meter langen Longe im Kreis geführt. Dem Pony war eine Decke mit Haltegriff aufgelegt. Die darauf reitenden Kinder sollten auf Kommando frei sitzend kurz in die Hände klatschen. Bei dieser Übung verlor das Mädchen das Gleichgewicht und rutschte vom Pony, erlitt also einen Reitunfall.
Das Kind zog sich schwere Verletzungen zu. Es kam zur Klage gegen die Inhaberin der Reitschule auf Schmerzensgeld. Dies begründete man mit der Verletzung einer Aufsichtspflicht. Das Oberlandesgericht Hamm war anderer Meinung: Die Inhaberin habe für die Reitstunde eine Aushilfe ausgewählt, die nach ihrem Alter, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen sei, die Reitstunde sachgerecht durchzuführen. Da der Aushilfe kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, habe hier auch niemand die Aufsichtspflicht verletzt.
Auch hätten die Größe der Gruppe und die Dauer des Reitunterrichts keine Auswirkungen auf den Reitunfall gehabt. Das Mädchen habe schon vorher auf einem Pferd gesessen und Reiterfahrung gehabt. Sie sei schon im Trab und im Galopp geritten. Während der Reitstunde habe sie gut mitmachen können und es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie die Gleichgewichtsübung am Ende der Stunde nicht schaffen werde. Die Aushilfe habe noch versucht, den plötzlichen Sturz der jungen Reiterin abzufangen. Ihr sei nicht vorzuwerfen, dass sie dies nicht geschafft habe (Az. 12 U 130/12).
Welche Versicherungen schützen gegen die Folgen von Reitunfällen?
Zum Schutz vor einer Haftung ist Pferdehaltern eine Tierhalterhaftpflichtversicherung zu empfehlen. Diese deckt Schadensersatzforderungen aufgrund der angesprochenen Tierhalterhaftung ab – nicht nur nach einem Reitunfall, sondern auch, wenn das Pferd wegläuft und irgendeinen anderen Schaden anrichtet. Außerdem gibt es besondere Reiterunfallversicherungen. Diese decken Schäden durch Unfälle des Reiters selbst bei jeder nicht beruflichen Beschäftigung mit dem Pferd ab. Möglich ist sogar eine Pferdehalter-Rechtsschutzversicherung und nicht zuletzt eine Pferde-Krankenversicherung für das Pferd selbst.
Praxistipp zur Haftung beim Reitunfall
Nach einem Reitunfall empfiehlt es sich sowohl für Geschädigte, als auch für verantwortliche Tierhalter oder Unfallverursacher, sich anwaltlich beraten zu lassen. Einige Rechtsanwälte haben sich speziell auf den Bereich "Tierrecht" bzw. "Pferderecht" spezialisiert. Diese können Ihre Erfolgschancen bei einer Klage am besten beurteilen oder Ihnen dabei helfen, sich gegen fremde Ansprüche zu verteidigen.
(Bu)