Wer haftet für Unfälle im Karneval?

08.02.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Karneval,Fasching,Unfall,Haftung,Schaden Auch beim Karnevalsumzug kommt es zu Unfällen. Über die Haftung wird oft gestritten. © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters: Der Veranstalter eines Karnevalsumzugs muss sicherstellen, dass die Zuschauer vor Gefahren geschützt sind, die sie selbst nicht erkennen und vermeiden können.

2. Haftung bei Unfällen: Kommt es bei einem Karnevalsumzug zu einem Unfall, haftet der Veranstalter nicht automatisch für alle Schäden. Eine ausreichende Absperrung gehört aber zur Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters.

3. Unfälle mit Pferden und Wurfgeschossen: Wenn Pferde beim Karnevalsumzug eingesetzt werden, müssen sie ausreichend trainiert sein, um Panikreaktionen zu vermeiden. Das Werfen von Gegenständen (Kamelle) gehört zu den karnevalistischen Traditionen. Hier in erster Linie die Obacht der Zuschauer gefragt.
Es ist wieder die Zeit von Fasching, Fastnacht, Karneval. Aber: Wo viele Menschen gemeinsam feiern, kommt es früher oder später auch zu Verletzungen. Schnell ist ein Sturz über einen Bordstein oder eine Bodenunebenheit passiert. Vielleicht läuft auch ein Betrunkener gegen eine Absperrung oder ein Kind schneidet sich an Glasscherben. Bei Karnevalsumzügen wurden sogar schon Feiernde durch Kamelle-Würfe von Festwagen verletzt. Dann stellt sich schnell die Frage nach einer Haftung auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Der Haken: Der Veranstalter ist nicht automatisch für jeden Schaden verantwortlich zu machen.

Was ist die Verkehrssicherungspflicht des Karnevalsumzugveranstalters?


Den Veranstalter eines Rosenmontagszuges oder eines anderen Festumzuges im Karneval trifft grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht. Denn: Wer eine mögliche Gefahrenquelle schafft, muss im Rahmen des Notwendigen und Zumutbaren dafür sorgen, dass dadurch keine anderen Personen zu Schaden kommen. Daher muss der Veranstalter eines Festumzuges mit ausreichenden Absperrungen oder anderen Sicherungsmaßnahmen dafür sorgen, dass das feiernde Publikum, speziell Kinder, den Festwagen nicht gefährlich nahe kommen können.

Aber: Dies bedeutet nicht, dass der Veranstalter eines Karnevalsumzuges für alle erdenklichen und noch so unwahrscheinlichen Möglichkeiten eines Schadens Sicherheitsvorkehrungen treffen muss. Er muss lediglich dafür sorgen, dass das Publikum vor Gefahren geschützt wird, die die Feiernden erfahrungsgemäß nicht rechtzeitig selbst erkennen und vermeiden können.

Beim Karnevalsumzug vom Festwagen angefahren: Schadensersatz?


Eine Frau war während des Mainzer Rosenmontagszuges nach eigenen Angaben auf folgende Art verletzt worden: Während sie in einer Kurve in der ersten Reihe hinter der Absperrung stand, fuhr ein Festwagen vorbei. Dieser schwenkte in der Kurve so stark seitlich aus, dass er die Absperrung umkippte. Die Absperrung begrub die Frau unter sich. Anschließend überrollte der Anhänger des Festwagens das Absperrgitter mit der darunter eingeklemmten Frau. Diese erlitt unter anderem schwere Verletzungen am Fuß und musste stationär ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Daraufhin verklagte die Zuschauerin sowohl den Halter des Festwagens als auch den Veranstalter des Rosenmontagszuges auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie war der Ansicht, dass der Festwagen so gestaltet gewesen war, dass der Fahrer den Unfall gar nicht habe wahrnehmen können. Es sei ihm gar nicht möglich gewesen, das Fahrzeug sofort anzuhalten.

Was gilt hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht beim Karnevalsumzug?


Das Oberlandesgericht Koblenz erklärte, dass der Veranstalter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht zum Beispiel für eine ausreichende Absperrung sorgen müsse. Bei einem Festumzug im Karneval gehöre dies zu den üblichen und notwendigen Maßnahmen. Im vorliegenden Fall sei jedoch beim Rosenmontagszug ausreichend abgesperrt worden. Eine lückenlose Überwachung mit Ausschluss jeglichen Risikos für Zuschauer könne man vom Veranstalter nicht fordern. Allerdings trug auch das Fehlen von Zeugen für den Unfallverlauf zum Scheitern der Klage gegen den Veranstalter bei.

Auch dem Fahrer des Festwagens konnte kein Verschulden nachgewiesen werden. Allerdings haftet der Halter eines Fahrzeugs grundsätzlich auch schon aufgrund der sogenannten Betriebsgefahr nach § 7 Straßenverkehrsgesetz. Dabei handelt es sich um die Gefahr, die nur dadurch entsteht, dass man überhaupt ein Fahrzeug im Straßenverkehr betreibt - unabhängig von einem Verschulden.

Trotzdem sah das Gericht hier keine Erfolgschancen für die Klage. Denn: Der Festwagen hatte bauartbedingt eine Höchstgeschwindigkeit von nur 6 km/h, und die Betriebsgefahr gibt es nur bei Fahrzeugen, die schneller als 20 km/h fahren können. Daher empfahl das Oberlandesgericht Koblenz der Klägerin per Hinweisbeschluss, kein weiteres Kostenrisiko einzugehen und die Klage zurückzunehmen (19.12.2013, Az. 3 U 985/13).

Wer haftet, wenn beim Karnevalsumzug die Pferde durchgehen?


Bei einem Festumzug gibt es jedoch nicht unbedingt nur motorisierte Fahrzeuge. Wer Pferde bei einer Veranstaltung einsetzt, sollte dafür sorgen, dass diese ausreichend trainiert sind und nicht durch laute Geräusche, Hunde und unvorsichtige Zuschauer in Panik geraten.

Das Oberlandesgericht Koblenz befasste sich mit der Schadensersatzklage einer verletzten Zuschauerin. Die Frau war von zwei durchgehenden Kaltblütern überrannt worden, die bei einem Karnevalsumzug eine alte Feuerwehrspritze zogen. Normalerweise waren die beiden Pferde im ruhigen Wald als Holzrückpferde tätig. Das Gericht entschied, dass der Halter der Pferde aufgrund der Tierhalterhaftung nach § 833 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für den Schaden haften müsse. Diese Haftung ist unabhängig von einem Verschulden (Urteil vom 8.5.1991, Az. 5 U 1812/90).

Wenn beim Rosenmontagsumzug Schokoriegel fliegen


Im Karneval werden von Festwagen oft Dinge geworfen – Kamelle, Blumen oder Schokolade. Besonderes Pech hatte eine Zuschauerin in Köln: Sie wurde von einem Schokoriegel so unglücklich am Kopf getroffen, dass sie eine Augenverletzung davontrug. Sie musste sich zwei Operationen unterziehen und zog vor Gericht.

Allerdings blieb ihre Klage erfolglos: Dem Amtsgericht Köln zufolge ist das Werfen kleinerer Gegenstände von Festwagen während eines Faschingsumzugs eine sozial übliche, allgemein anerkannte Tradition. Alle Zuschauer würden dies erwarten. Vom Veranstalter eines Karnevalsumzuges könne im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nicht die Eindämmung jeder nur denkbaren, abstrakten Gefahr verlangt werden.

Auch die Teilnehmer des Rosenmontagsumzugs seien nicht dazu verpflichtet, vor einem Seniorenheim - dort war der Vorfall passiert - besonders vorsichtig zu werfen. Das Gericht war hier der Ansicht, dass die Klägerin besser hätte aufpassen oder sich vom Festwagen fernhalten müssen. Es wies die Klage ab (Urteil vom 7.1.2011, Az. 123 C 254/10).

Wer haftet, wenn man im Karneval einfach ausrutscht?


Wenn man im Karneval schlicht und einfach durch Rempeleien, Alkoholpfützen oder durch Regenwasser zu Fall kommt und sich verletzt, hat man vor Gericht ebenfalls schlechte Karten. Wenn sich nämlich kein bestimmter Verantwortlicher feststellen lässt, der den Verletzten zu Fall gebracht hat, bleibt dieser auf seinem Schaden sitzen. Vorkommnisse dieser Art sind auf Großveranstaltungen praktisch nicht zu vermeiden. Geschädigte können dann höchstens hoffen, dass ihre private Unfallversicherung einspringt.

Wer haftet bei sogenannten Fußangeln auf Veranstaltungen?


Anders kann der Fall liegen, wenn ungesicherte Stromkabel oder Wasserschläuche, die zu Buden oder Ständen führen, zu Stolperfallen werden und sich jemand auf der Veranstaltung verletzt. Das Oberlandesgericht Hamm ließ einen Kirmesbetrieb für die Verletzungen einer Anwohnerin haften, die abseits des Kirmesgeländes auf einem Gehweg über mehrere Stromkabel gestolpert und gestürzt war. Nur eines der lose herumliegenden Kabel hatte zu diesem Fahrgeschäft gehört. Trotzdem musste der Betrieb haften, da auch er ein ungesichertes und nicht abgedecktes Stromlabel quer über den Gehweg verlegt hatte. Das Gericht entschied jedoch, dass die Frau eine Mithaftung von 50 Prozent tragen musste: Die Kabel lagen dort schon tagelang und waren gut zu sehen (Urteil vom 24.3.2015, Az. 9 U 114/14).

Die Haftung hängt hier allerdings sehr vom Einzelfall ab. Welche Sicherungsmaßnahmen ein Veranstalter zu ergreifen hat, ist stark von der Örtlichkeit abhängig. Je schlechter eine Gefahrenstelle zu sehen, ist, desto besser muss sie gesichert werden. Kabel und Schläuche müssen gegebenenfalls auch über eine längere Strecke verlegt werden, wenn dies ungefährlicher wäre. In Rettungswegen haben sie nichts zu suchen.

Was gilt während des Karnevals für Alkohol am Steuer?


Oft gibt es an den Karnevalstagen verstärkte Verkehrskontrollen durch die Polizei. Dann haben Alkoholsünder schnell schlechte Karten. Die Promillegrenze liegt bei 0,5 Promille. Der erste Verstoß wird mit einer Geldbuße von 500 Euro, 2 Punkten in Flensburg, einem Monat Fahrverbot und sehr wahrscheinlich der Anordnung einer MPU geahndet. Beim zweiten Verstoß sind es 1.000 Euro, 2 Punkte, 3 Monate Fahrverbot und eine MPU. Beim dritten Verstoß sind es bereits 1.500 Euro, 2 Punkte, 3 Monate Fahrverbot und eine MPU. Auch im Fasching gilt also: Hände weg vom Alkohol, wenn man noch Autofahren will.

Wer unter Alkoholeinfluss fährt und Ausfallerscheinungen zeigt, kann sich auch im Karneval schon ab 0,3 Promille wegen Straßenverkehrsgefährdung strafbar machen. Hier drohen eine Geld- oder Freiheitsstrafe sowie der dauerhafte Entzug der Fahrerlaubnis. Auch bei absoluter Fahruntüchtigkeit, also über 1,1 Promille, liegt eine Straftat vor. Hier droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Üblich ist der Entzug der Fahrerlaubnis mit Verhängung einer Sperrfrist für die Neuerteilung.

Wenn ein alkoholisierter Fahrer einen Unfall verursacht, drohen ihm darüber hinaus auch Probleme beim Versicherungsschutz. Daran ändert auch der Karneval nichts.
Für Fahrer unter 21 Jahren oder in der Probezeit ist Alkohol am Lenkrad grundsätzlich tabu: Hier gilt die 0,0-Promille-Grenze.

Übrigens: Auch Fahrradfahrer sollten nicht betrunken am Straßenverkehr teilnehmen. Sie gelten als absolut fahruntüchtig, wenn sie 1,6 Promille im Blut haben. Auch sie können sich also strafbar machen.

Praxistipp zur Haftung bei Unfällen im Karneval


Auch im Karneval sollte man eine gewisse Vorsicht nicht außer Acht lassen. Veranstalter von Karnevalsumzügen oder anderen Events haften längst nicht für jeden Schaden, der Zuschauern und Feiernden entsteht. Wenn es dann doch zu einem Schadensfall gekommen sein sollte, kann ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt Sie fachgerecht beraten und Ihre Chancen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld abschätzen.

(Bu)


 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion