Wann muss ich Winterreifen an meinem Auto montieren?

29.11.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Auto,Schnee,Winterreifen Schlechte Witterung: Sind Winterreifen Pflicht? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Winterreifenpflicht: Bei winterlichen Straßenverhältnissen, wie Schnee, Matsch oder Glätte, müssen Kraftfahrzeuge mit Winterreifen ausgestattet sein.

2. Anforderungen an Winterreifen: Seit dem 1. Januar 2018 müssen neu hergestellte Winterreifen die Kennzeichnung mit dem Alpine-Symbol haben. Winterreifen, die bis zum 31.12.2017 lediglich mit dem M+S-Symbol hergestellt wurden, dürfen noch bis zum 30.9.2024 benutzt werden.

3. Bußgeld: Ein Verstoß gegen die Winterreifenpflicht kann ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro und einen Punkt in Flensburg zur Folge haben. Bei Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer steigt das Bußgeld auf 80 Euro, bei Gefährdung anderer auf 100 Euro, bei einem Unfall auf 120 Euro.

4. Haftung: Kommt es auf winterlichen Straßen zu einem Verkehrsunfall, bei dem keine Winterreifen montiert sind, kann dies auch bei einem fremdverschuldeten Unfall zu einer Mithaftung führen.
Die deutsche Winterreifenpflicht beinhaltet keine festen Termine für den Reifenwechsel. Sie ist vielmehr von der Wetterlage abhängig. Auch der Winter hält sich schließlich nicht an feste Termine. In den verschiedenen Gebieten Deutschlands fällt das Winterwetter überdies sehr unterschiedlich aus. Bayern mag vielleicht längerfristig im Schnee versinken, während die Hamburger womöglich nur für fünf Tage im Jahr etwas leichten Schneematsch erdulden müssen. Natürlich kann sich dies auch von Jahr zu Jahr unterscheiden. Daher müssen Autofahrer aufgrund der Erfahrungen mit dem Wetter in ihrer Region rechtzeitig Vorsorge treffen und rechtzeitig Winterreifen aufziehen. Rechtlich ist dabei von einer "situativen", also situationsgebundenen Winterreifenpflicht die Rede. Im europäischen Ausland gibt es abweichende Regeln zum Thema Winterreifen.

Wie und wo ist die Winterreifenpflicht geregelt?


In § 2 Absatz 3a der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist vorgeschrieben, dass Kraftfahrzeuge "bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte" nur unterwegs sein dürfen, wenn sie auf allen Rädern Reifen haben, die den Anforderungen von § 36 Abs. 4 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) entsprechen. Dort wiederum finden sich die Anforderungen an Winterreifen. Die StVO macht mehrere Ausnahmen für besondere Fahrzeugklassen – darunter auch solche, für die es keine Winterreifen zu kaufen gibt. Das Ergebnis: Für private Autos besteht bei Winterwetter Winterreifenpflicht – unabhängig vom Datum auf dem Kalender.

Was hat sich 2017 in Sachen Winterreifen geändert?


Die Winterreifen-Regelung wurde zum 1. Juni 2017 geändert. Damals gab es unter anderem Änderungen in der StVO, der StVZO und in der Bußgeldkatalog-Verordnung. Abgeschafft wurde die bis dahin übliche Bezeichnung "M+S" für Winterreifen. Seitdem ist anerkanntes Symbol und Gütesiegel für Winterreifen das "Alpine-Symbol", also der stilisierte Berg mit der Schneeflocke darin. Der Grund für die Änderung war, dass "M+S" nur eine unverbindliche Angabe der Hersteller war. Das "Alpine-Symbol" jedoch darf nur auf Reifen angebracht werden, die nachprüfbar bestimmte Kriterien für die Wintertauglichkeit erfüllen.

Autofahrer, die zur Zeit dieser Reform gerade neue Winterreifen gekauft haben, profitieren von einer Übergangsregelung: Bis 30.9.2024 dürfen sie Winterreifen mit dem M+S-Symbol aufbrauchen, die bis zum 31.12.2017 hergestellt wurden. Das Herstellungsdatum erkennt man an der auf dem Reifen eingeprägten DOT-Nummer, die mit vier Ziffern endet. Die ersten beiden bezeichnen die Kalenderwoche, die letzten das Jahr der Herstellung. Beispiel: 1217 = 12. Kalenderwoche, also März 2017.

Sind statt Winterreifen auch Allwetterreifen erlaubt?


Zulässige und für winterliches Wetter geeignete Winterreifen erkennt man heute am Symbol der Schneeflocke in einem stilisierten dreispitzigen Berg. Diese Reifen erfüllen die gesetzlichen Mindestanforderungen. Tragen Ganzjahres- oder Allwetterreifen dieses Symbol, gelten auch sie rechtlich als Winterreifen und man darf sie bei winterlichen Straßenverhältnissen nutzen. So können Autofahrer den jährlichen Reifenwechsel, die Einlagerung eines Reifensatzes und die Kosten für einen zweiten Satz Reifen sparen. Dies bietet sich besonders in Gebieten an, in denen wenig Schnee fällt. In Gegenden mit hohem Schneeaufkommen sind allerdings reine Winterreifen zu empfehlen.

Für welche Fahrzeuge braucht man Winterreifen?


Grundsätzlich sind alle motorisierten Fahrzeuge wie etwa PKW mit Winterreifen auszustatten. Ausnahmen gelten für Anhänger, Fahrräder oder Wohnwagen. Wenn Anhänger oder Wohnwagen aus irgendwelchen Gründen auch im Winter unbedingt bewegt werden müssen, sind jedoch auch für diese Fahrzeuge Winterreifen zu empfehlen. Für LKW und Busse (Klassen M2, M3, N2, N3) sind Winterreifen nur auf den Antriebsachsen und den vorderen Lenkachsen vorgeschrieben.

Welche Ausnahmen von der Winterreifenpflicht gibt es?


Ausnahmen von der Winterreifenpflicht gelten für Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft, einspurige Kraftfahrzeuge, Stapler, motorisierte Krankenfahrstühle und Einsatzfahrzeuge von Polizei, Zoll, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Bundeswehr, wenn es für sie bauartbedingt keine Winterreifen zu kaufen gibt. Grobstollige Geländereifen für Geländewagen gelten nicht als Winterreifen.

Müssen auch Motorräder Winterreifen haben?


Nein. Durch die Gesetzesänderung von 2017 wurde die Winterreifenpflicht für Motorräder abgeschafft.

Gelten ohne Winterreifen besondere Sorgfaltspflichten?


Für die von der Winterreifenpflicht ausgenommenen Fahrzeuge gilt eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei winterlichem Wetter. Vor jeder einzelnen Fahrt ist zu prüfen, ob diese wirklich nötig ist – oder ob zum Beispiel das Ziel auch mit anderen Verkehrsmitteln erreicht werden kann.

Außerdem müssen die Fahrer dieser Fahrzeuge während der Fahrt darauf achten
- zum vorderen Fahrzeug einen tempoabhängigen Mindestabstand "halber Tacho in Metern" einzuhalten,
- eine Geschwindigkeit von maximal 50 km/h nicht zu überschreiten, wenn nicht sogar eine geringere Geschwindigkeit geboten ist.

Und: Fahrer von Gefahrguttransportern haben bei unter 50 m Sicht, bei Schneeglätte oder Glatteis jede Gefährdung für andere auszuschließen. Im Zweifel müssen sie eben auf den nächsten Parkplatz fahren.

Müssen auch Mietwagen und Firmenwagen Winterreifen haben?


Autovermieter haben die Pflicht, ihren Kunden verkehrssichere Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Autos mit Sommerreifen sind bei winterlichen Straßenverhältnissen nicht verkehrssicher. Trotzdem werden an vielen Mietwagen Winterreifen nur gegen Aufgeld angeboten. Inzwischen schreibt die Straßenverkehrsordnung vor, dass nicht nur der Fahrer ein Bußgeld zahlen muss, sondern auch die Autovermietung, wenn die Bereifung nicht den Witterungsverhältnissen entspricht.

Aufgrund dieser Regelung werden nicht nur Mietwagenunternehmen bei Verstößen gegen die Winterreifenpflicht zur Kasse gebeten, sondern auch Unternehmen als Halter von Firmenwagen.

Ein Bußgeld müssen auch Privatpersonen zahlen, die ihr Fahrzeug mit Sommerreifen privat an einen Dritten ausleihen.

Zahlt die Kaskoversicherung bei einem Unfall ohne Winterreifen?


Sind bei winterlichen Straßenverhältnissen keine Winterreifen montiert und kommt es zu einem Unfall, kann sich die Kaskoversicherung auf § 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) berufen ("Herbeiführung des Versicherungsfalles") und ihre Leistungen wegen grober Fahrlässigkeit in einem der Schwere des Verschuldens des Kunden entsprechenden Verhältnis kürzen. Bei vielen Versicherungsverträgen wird heute der "Einwand der groben Fahrlässigkeit" ausdrücklich ausgeschlossen. Darauf sollte man bei Vertragsabschluss achten.

Wenn man einen Unfall verursacht, bezahlt die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden des Unfallgegners auch dann, wenn man keine Winterreifen aufgezogen hatte. Aber: Ist ein PKW längere Zeit bei winterlichem Wetter mit Sommerreifen unterwegs, handelt es sich aus Sicht der Versicherung um eine Gefahrerhöhung. Die Haftpflichtversicherung kann dann ihren Versicherungsnehmer nach § 5 Abs. 3 der KfZ-Pflichtversicherungsverordnung mit bis zu 5.000 Euro in Regress nehmen.

Kommt es ohne Winterreifen zur Mithaftung bei einem fremdverschuldeten Unfall?


Erleidet ein Autofahrer bei einem fremdverschuldeten Unfall auf winterlichen Straßen einen Schaden, ist aber anstatt mit Winterreifen mit Sommerreifen unterwegs, so wird ein eigenes Verschulden vermutet. Er hat jedoch die Möglichkeit sich zu entlasten. Insowfern kommt es darauf an, ob die Gefahrensituation für einen "normalen" Fahrer erkennbar gewesen wäre. War dies nicht der Fall oder waren die Sommerreifen eindeutig nicht die Unfallursache, scheidet eine Mithaftung aus.

Wie hoch ist das Bußgeld, wenn man ohne Winterreifen fährt?


Wenn man als Autofahrer bei winterlichen Straßenverhältnissen mit ungeeigneter Bereifung unterwegs ist, liegt eine bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit vor. Für diese sind 60 Euro Bußgeld zu zahlen, dazu kommt ein Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg. Behindert ein Winterreifen-Verweigerer andere, indem er etwa mit seinem Fahrzeug eine Steigung oder Kreuzung blockiert, steigt das Bußgeld auf 80 Euro, bei Gefährdung anderer sind es 100 Euro, bei einem Unfall 120 Euro, jeweils verbunden mit einem Punkt (Bußgeldkatalog vom 9.11.2021).

Gibt es auch im Ausland eine Winterreifenpflicht?


In Österreich besteht zwischen dem 1. November und dem 15. April eine Winterreifenpflicht für PKW und Lkw mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 t. Diese Pflicht gilt nur bei winterlichen Wetterverhältnissen. Dort müssen Winterreifen ein Profil von mindestens fünf mm bei Diagonalbauart oder vier mm bei Radialbauart haben. Bisher sind in Österreich Winterreifen nur mit dem Schneeflockensymbol nicht zugelassen, hier ist weiter der Aufdruck "M+S" entscheidend. Das Bußgeld kann bis zu 5.000 Euro betragen.

In Italien können die einzelnen Provinzen ihre eigenen Regeln erlassen. Verkehrsschilder weisen auf die jeweils gültige Lage hin. Achtung: Italien verhängt im Sommer drastische Bußgelder für das Fahren mit Winterreifen; abhängig ist dies vom Geschwindigkeitsindex.

In Frankreich schreiben Verkehrsschilder zum Teil auf Gebirgsstraßen eine Winterreifen- oder Schneekettenpflicht vor.

Tschechien schreibt für Winterreifen eine Profiltiefe von mindestens vier mm vor. Die Winterreifenpflicht besteht von 1.11. bis 31.3. des Folgejahres.

Keine generelle Winterreifenpflicht besteht in Dänemark, Norwegen, Großbritannien, Polen, Belgien und den Niederlanden.

Winterräder rollen gegen Garagentor: Wer haftet?


Das Oberlandesgericht Oldenburg beschäftigte sich mit einem skurrilen Unfall. Ein Reifenhändler hatte nach dem Reifenwechsel den zweiten Rädersatz eines Kunden in dessen Kofferraum gepackt. Die Winterräder standen darin aufrecht nebeneinander. Der Kunde öffnete zu Hause auf seiner abschüssigen Garagenzufahrt den Kofferraum - und ihm kam eine Räderlawine entgegen. Diese schlug mit Wucht in sein Garagentor ein. Den Schaden von 6.000 Euro wollte er vom Reifenhändler ersetzt haben.

Das Gericht wies die Klage ab: Der Autofahrer hätte sich nur einmal auf dem Fahrersitz umdrehen müssen, um zu sehen, dass seine Rückbank nicht – wie auf der Hinfahrt – heruntergeklappt war, sondern in Normalstellung. Daher hätte ihm klar sein müssen, dass die Winterräder nur aufrecht im Kofferraum stehen konnten, und er hätte die Heckklappe vorsichtiger öffnen müssen. Das Gericht sprach ihm eine überwiegende Mitschuld von, nun ja, 100 Prozent zu (Urteil vom 31.5.2017, Az. 9 U 21/17).

Praxistipp zur Winterreifenpflicht


Wenn man im Winter ständig auf sein Auto angewiesen ist, sollte man zwischen Oktober und Ostern Winterreifen aufziehen. Das Risiko, nach einem Unfall auf Schnee, Eis oder Schneematsch auf dem eigenen Schaden sitzen zu bleiben, ist groß. Zusätzlich drohen Bußgeld und Punkte in Flensburg. Nach einem Unfall kann Ihnen ein auf das Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt zu Ihrem Recht verhelfen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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