Wohnmobil weg bei Vermietung oder Probefahrt: Die Rechtslage
14.10.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Wohnmobile sind teuer. Dies führt zu hohen Gewinnspannen für Personen, die sie aus der Obhut ihrer Eigentümer entfernen und an Unwissende verkaufen. Dabei entstehen mehrere rechtliche Fragen: Wird der unwissende Käufer rein rechtlich auch der neue Eigentümer des Wohnmobils? Oder muss er es zurückgeben, wenn die Polizei den Weg des Fahrzeugs nachverfolgt hat und bei ihm vor der Tür steht? Und was gilt für Vermieter, die häufig keine Großunternehmer sind? Bezahlt deren Versicherung den Schaden? Selbstverständlich ist dies nicht.
Nach einem Bericht von BR24 hat es allein in Nordrhein-Westfalen zwischen 2017 und 2019 Schäden in Höhe von 15 Millionen Euro durch die Unterschlagung von gemieteten Wohnmobilen gegeben. Hinzu kommen Fälle, in denen Fahrzeuge von einer Probefahrt vor dem Verkauf nicht wieder zurückkommen. In diesem Bereich sind professionelle Banden am Werk, die gewerbsmäßig arbeiten – und oft sehen die Eigentümer Fahrzeug und Geld nicht wieder.
Der junge Mann macht einen seriösen Eindruck. Er erzählt dem Wohnmobil-Vermieter vom geplanten Urlaub mit der Familie. Bereitwillig legt er seinen Personalausweis und Führerschein vor - gerne auch zum Fotokopieren. Eine Woche Urlaub will er mit dem Wohnmobil machen, um endlich mal auszuspannen. Michael H., ein kleiner Vermieter von Wohnmobilen in Hannover, zögert nicht, dem Kunden sein Fahrzeug im Wert von 50.000 Euro anzuvertrauen.
Acht Tage später hat H. acht Tage noch nichts von seinem Mieter gehört und macht sich Sorgen. Er versucht, den Kunden auf dem Handy zu erreichen. Aber: Die Nummer ist nicht vergeben.
Herr H. erhielt sein Wohnmobil nicht zurück. Und damit ist er nicht allein: Viele Wohnmobil-Vermieter machen die Erfahrung, dass ihre Fahrzeuge gemietet, aber nicht zurückgegeben werden. Anschließend werden diese in Online-Portalen inseriert und auf irgendeinem öffentlichen Parkplatz als Gebrauchtfahrzeuge an ahnungslose Privatpersonen verkauft.
Wutentbrannt trug Herr H. die Fotokopien der Papiere des Mieters zur Polizei. Dort konnte man ihm nicht helfen: Alle Dokumente waren gefälscht und die Adresse erfunden.
Im Juli 2016 berichtete die Hessische/Niedersächsische Allgemeine über den Fall eines Privatmannes, der in gutem Glauben ein Wohnmobil der Marke Fiat Ducato gekauft hatte. Wenig später stand die Polizei vor seiner Tür und beschlagnahmte Fahrzeugpapiere und Schlüssel. Denn: Das Wohnmobil war in Berlin gemietet und nicht zurückgegeben worden. Auch hier war der spätere Verkäufer unter falschem Namen als Mieter aufgetreten.
Auch ein Fall aus Salzbergen ging durch die Presse. Eine 46-jährige Frau hatte dort mit gefälschten Papieren ein Wohnmobil im Wert von 40.000 Euro gemietet. Sie gab es nicht zurück. Ein paar Tage nach Ablauf der Mietzeit entdeckten die Eigentümer das Fahrzeug in einer Online-Verkaufsanzeige. Hier konnte die Polizei die Täterin mit Hilfe eines falschen Käufers überführen. Diese wurde vom Amtsgericht Lingen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Michael H. setzte sich nach dem Verschwinden seines Wohnmobils voller Hoffnung mit seiner Versicherung in Verbindung. Wozu hatte er schließlich eine Kaskoversicherung auch gegen Diebstahl? Hier wartete jedoch die nächste unangenehme Überraschung: Die Versicherung zahlte nicht. Die Begründung: Streng genommen handelte es sich hier gerade nicht um einen Diebstahl. Der setzt nämlich voraus, dass der Täter jemandem einen Gegenstand gegen dessen Willen wegnimmt. Bei der Vermietung eines Wohnmobils sieht die Sache jedoch anders aus: Das Fahrzeug wird ja vom Vermieter selbst freiwillig an den Mieter übergeben. Gibt der Mieter das Fahrzeug nicht zurück, handelt es sich rechtlich gesehen nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung. Zwar ist diese ebenfalls strafbar. Sie ist jedoch üblicherweise nicht in der Kaskoversicherung versichert.
Oft ist eine Unterschlagung durch den Mieter nicht einmal in der Vollkaskoversicherung versichert. Fahrzeughalter können sich gegen diese Gefahr höchstens als Zusatzbaustein und gegen Aufpreis versichern. Autovermietern ist eine solche Zusatzversicherung dringend zu empfehlen: Der mögliche Schaden steht in keinem Verhältnis zu einer höheren Versicherungsprämie. Daher sollten Wohnmobil-Vermieter ihre bestehenden Versicherungsverträge genau daraufhin prüfen, was darin versichert ist und was nicht.
Wohnmobile werden anders als andere gestohlene oder unterschlagene Fahrzeuge nicht zerlegt und in Einzelteilen verkauft. Sie werden stattdessen über Internetportale oder Kleinanzeigen im Ganzen an Privatleute verkauft. Für diese ist die Wahrscheinlichkeit, an ein solches Fahrzeug zu geraten, gar nicht klein. Es kursieren nämlich immer mehr Wohnmobile aus zweifelhaften Quellen. Nicht nur Unterschlagungen spielen dabei eine Rolle, sondern auch der klassische Diebstahl. Nach einer Meldung der Lippischen Landes-Zeitung vom 19.4.2019 wurden etwa einem Händler in Gütersloh in einer einzigen Nacht neun Wohnmobile gestohlen. Der Schaden betrug eine halbe Million Euro. In diesem Fall war wohl eine ganze Bande tätig – mit neun Fahrern, einem mitgebrachten Vorrat an (gestohlenen) Kennzeichen und genügend Treibstoff, denn alle Tanks der Fahrzeuge waren leer gewesen.
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen konnte im September 2019 eine 15-köpfige Bande fassen, die gezielt Wohnmobile von den Höfen von Autohändlern gestohlen hatte. Dabei hatten die Diebe auch Zäune abgebaut und stundenlange Rangierarbeiten in Kauf genommen, um an die besonders teuren Modelle hinten auf dem Platz zu kommen. Beim Abtransport fuhr dann ein Begleitfahrzeug voraus, um vor Polizeikontrollen zu warnen. Allein diese eine Bande soll 49 Wohnmobile und weitere Fahrzeuge entwendet haben. Der Gesamtschaden lag bei 3,7 Millionen Euro.
Auch auf der Probefahrt geht das eine oder andere Wohnmobil verloren. Hier ist die Vorgehensweise die gleiche wie bei der Vermietung: Der Kaufinteressent zeigt einen gefälschten Ausweis vor, lässt sich das Fahrzeug übergeben und kommt nicht wieder. Für den Eigentümer ist die rechtliche Problematik ganz ähnlich: Das Fahrzeug wird auch in diesem Fall freiwillig übergeben, wenn auch nicht mit dem Zweck der Übertragung des Eigentums. Daher handelt es sich auch hier nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung.
Für Privatpersonen, die von privat ein Wohnmobil gekauft haben, stellt sich hier die Frage: Was passiert, wenn das Fahrzeug gestohlen oder unterschlagen war? Sind sie nun als Käufer Eigentümer geworden und bleiben es auch? Oder kann der geprellte Vermieter oder Eigentümer einfach dessen Rückgabe fordern?
Nach § 932 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann jemand durchaus Eigentum an einem Gegenstand erwerben, dessen Verkäufer gar nicht dazu berechtigt ist, diesen zu verkaufen. Dafür notwendig ist ein sogenannter gutgläubiger Erwerb. Das bedeutet: Der Käufer darf nicht gewusst haben, dass der Verkäufer das Fahrzeug nicht verkaufen durfte. Und er darf dies auch nicht grob fahrlässig angenommen - also "beide Augen zugedrückt" - haben. Dann gibt es nämlich keinen gutgläubigen Erwerb.
Wichtig ist auch die Regelung des § 935 BGB: Danach ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, sofern das Kaufobjekt seinem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen ist.
Das heißt: Wurde das Wohnmobil im klassischen Sinne gestohlen, also etwa bei Nacht aufgebrochen und kurzgeschlossen, kann der Käufer niemals daran gutgläubig Eigentum erwerben. Wenn die Polizei das Fahrzeug bei ihm findet, ist es weg (und sein Geld auch).
Bei unterschlagenen Kraftfahrzeugen verhält es sich etwas anders: Hier ist ein gutgläubiger Erwerb tatsächlich möglich. Die Regelung in § 935 BGB gilt nur für Fälle, in denen der Gewahrsam des Eigentümers am Fahrzeug unfreiwillig gebrochen wird – wie eben bei einem klassischen Diebstahl. Bei einer Unterschlagung dagegen hat der Eigentümer selbst dem Täter das Fahrzeug anvertraut. Dass er dabei natürlich mit einer Rückgabe gerechnet hat, ändert nichts.
Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich in einem Urteil vom 1. März 2013 mit einem solchen Wohnmobil-Fall. Dabei hatte sich der Verkäufer eines unterschlagenen Wohnmobils gegenüber dem Käufer als dessen in den Fahrzeugpapieren aufgeführter Eigentümer ausgegeben. Hier ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass zwischen der unter falschem Namen handelnden Person und dem Käufer ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen war. In einer derartigen Situation könne man nicht fordern, dass jemand einen sehr gut gefälschten Fahrzeugbrief als unecht erkenne (Az. V ZR 92/12). Also war der Käufer gutgläubiger Eigentümer geworden.
2020 entschied der Bundesgerichtshof den Fall einer Familie, die für 46.500 Euro in bar am Hamburger Hauptbahnhof ein Wohnmobil erworben hatte. Kurz darauf stand bei den glücklichen Käufern die Polizei vor der Tür: Das Fahrzeug hatte einem Autohändler gehört. Ein Kaufinteressent hatte damit eine Probefahrt gemacht und war nicht zurückgekommen. Wieder kamen gefälschte Ausweispapiere zum Einsatz, und beim Verkauf wurden gefälschte Fahrzeugpapiere verwendet. Nun verlangte der Autohändler von den Käufern die Herausgabe des Fahrzeugs, während diese ihrerseits die Herausgabe der Originalpapiere verlangten und sich dabei auf gutgläubigen Erwerb beriefen.
Der Bundesgerichtshof erläuterte: Das Fahrzeug sei hier nicht im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen, sondern freiwillig übergeben worden. Eine Besitzübertragung sei nicht unfreiwillig, nur weil sie durch eine Täuschung zustande komme. Wenn ein Verkäufer sein Fahrzeug einem Kaufinteressenten für eine Stunde zu einer unbegleiteten Probefahrt überlasse, übertrage er zwar nicht das Eigentum, wohl aber den Besitz, also die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug auf den Probefahrer. Der Besitz werde dabei übertragen und nicht nur "gelockert".
Daher hatte die Familie in diesem Fall trotz des verdächtigen Kaufs am Hauptbahnhof gutgläubig das Eigentum am Wohnmobil erworben. Der Händler verlor 52.900 Euro, den ursprünglichen Kaufpreis (Urteil vom 18.9.2020, Az. V ZR 8/19).
Der Bundesgerichtshof hat im September 2022 ein interessantes Urteil zum gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen gefällt. Dabei ging es um einen italienischen Autohändler, der bei einem deutschen Autohaus einen Mercedes erworben hatte, um ihn in Italien weiterzuverkaufen. Wie sich heraustellte, hatte das Autohaus den PKW jedoch nur geleast und war nicht dessen Eigentümer. Bald stand die Mercedes-Leasinggesellschaft vor der Tür des Händlers und wollte das Fahrzeug zurückhaben. Der Vermittler des Geschäfts, welcher den Mercedes in Deutschland abgeholt hatte, erklärte, dass ihm ein überzeugender Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung II) vorgelegt worden sei. Übergeben worden war dieser - entsprechend den Gepflogenheiten im gewerblichen grenzüberschreitenden Autohandel - zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der BGH entschied: Die Gutgläubigkeit ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Auto gestohlen oder abhanden gekommen wäre. Wie bei einer Vermietung wurde es dem unehrlichen Leasingnehmer ja freiwillig übergeben. Es ist daher nicht abhanden gekommen.
Nun könnte man noch daran zweifeln, ob die Käuferseite tatsächlich einen gut gefälschten Fahrzeugbrief vorgelegt bekommen hat. Denn: Der echte lag beim Leasinggeber. Hier stellte der BGH klar: Die Beweislast liege bei demjenigen, der die Gutgläubigkeit bestreite. Erklärt also der Autokäufer, dass ihm ein echt aussehender Fahrzeuzgbrief vorgelegt worden sei - auch, wann und von wem - muss der ursprüngliche Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht stimmen. Erst dann gilt der Käufer als nicht gutgläubig. Da eine solche Beweisführung naturgemäß schwierig ist, ist das Urteil für gutgläubige Käufer positiv - für den ursprünglichen Eigentümer weniger. Hier führte dies dazu, dass das Auto beim italienischen Händler blieb (Urteil vom 23.9.2022, Az. V ZR 148/21).
Private Käufer sollten trotz dieser sehr liberalen Rechtsprechung nicht zu unvorsichtig werden. Der gutgläubige Eigentumserwerb funktioniert nur, wenn der Käufer sorgfältig vorgeht und die bei einem Autokauf üblichen und angemessenen Vorsichtsmaßnahmen einhält. Das heißt: Er muss sich Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung I und II) zeigen lassen und natürlich auch den Ausweis des Verkäufers. Die Namen auf den Dokumenten muss er vergleichen. Ist der Personalausweis oder der Fahrzeugbrief dilettantisch gefälscht, wird vom Käufer erwartet, dass er dies merkt und vom Kauf absieht. Hat der Verkäufer fantasievolle Geschichten parat, warum er keinen Fahrzeugbrief hat (Zulassungsbescheinigung II), sollte man ebenfalls die Finger vom Geschäft lassen.
Der Grundsatz lautet: Bei mangelnder Sorgfalt scheidet ein gutgläubiger Eigentumserwerb aus. Wenn ein privater Käufer ein Wohnmobil kauft, obwohl die Papiere nicht überzeugend aussehen, muss er das Fahrzeug später herausgeben und bleibt auf seinem Schaden sitzen.
Erhöhte Vorsicht ist geboten bei Vermietung und Kauf von Wohnmobilen und ähnlichen Fahrzeugen – oft sind auch VW-Busse betroffen. Auf diese Fahrzeuge haben sich gut organisierte Täter mit falschen Ausweisen spezialisiert. Käufer sollten daher bei einem Vertragsabschluss besonders auf merkwürdige Umstände achten und die Papiere von Vertragspartner und Fahrzeug aufmerksam prüfen. Gewerbliche Vermieter sollten eine Versicherung haben, die auch Unterschlagung einschließt. Bei Schadensersatzforderungen kann Ihnen ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt zur Seite stehen.
Gleich, ob man ein Wohnmobil kauft, verkauft oder als Unternehmer Wohnmobile vermietet: Es ist Vorsicht geboten vor den Methoden professioneller Straftäter. Oft gibt es keinen Versicherungsschutz.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Die Ausgangslage: Vermieter in Nöten Wohnmobile verschwinden immer wieder Böses Erwachen: Kein Geld von der Versicherung Wann ist eine Unterschlagung versichert? Käufer: Hohes Risiko, an Kriminelle als Verkäufer zu geraten Andere Variante: Kaufinteressent kehrt von Probefahrt nicht zurück Private Käufer: Gutgläubiger Erwerb von fremdem Eigentum? Was sagen die Gerichte zum Thema gutgläubiger Erwerb? BGH: Wichtiges Urteil vom September 2020 Update vom 14.10.2022: Neues BGH-Urteil zum gutgläubigen Erwerb Worauf sollten Käufer achten? Praxistipp Nach einem Bericht von BR24 hat es allein in Nordrhein-Westfalen zwischen 2017 und 2019 Schäden in Höhe von 15 Millionen Euro durch die Unterschlagung von gemieteten Wohnmobilen gegeben. Hinzu kommen Fälle, in denen Fahrzeuge von einer Probefahrt vor dem Verkauf nicht wieder zurückkommen. In diesem Bereich sind professionelle Banden am Werk, die gewerbsmäßig arbeiten – und oft sehen die Eigentümer Fahrzeug und Geld nicht wieder.
Die Ausgangslage: Vermieter in Nöten
Der junge Mann macht einen seriösen Eindruck. Er erzählt dem Wohnmobil-Vermieter vom geplanten Urlaub mit der Familie. Bereitwillig legt er seinen Personalausweis und Führerschein vor - gerne auch zum Fotokopieren. Eine Woche Urlaub will er mit dem Wohnmobil machen, um endlich mal auszuspannen. Michael H., ein kleiner Vermieter von Wohnmobilen in Hannover, zögert nicht, dem Kunden sein Fahrzeug im Wert von 50.000 Euro anzuvertrauen.
Acht Tage später hat H. acht Tage noch nichts von seinem Mieter gehört und macht sich Sorgen. Er versucht, den Kunden auf dem Handy zu erreichen. Aber: Die Nummer ist nicht vergeben.
Herr H. erhielt sein Wohnmobil nicht zurück. Und damit ist er nicht allein: Viele Wohnmobil-Vermieter machen die Erfahrung, dass ihre Fahrzeuge gemietet, aber nicht zurückgegeben werden. Anschließend werden diese in Online-Portalen inseriert und auf irgendeinem öffentlichen Parkplatz als Gebrauchtfahrzeuge an ahnungslose Privatpersonen verkauft.
Wutentbrannt trug Herr H. die Fotokopien der Papiere des Mieters zur Polizei. Dort konnte man ihm nicht helfen: Alle Dokumente waren gefälscht und die Adresse erfunden.
Wohnmobile verschwinden immer wieder
Im Juli 2016 berichtete die Hessische/Niedersächsische Allgemeine über den Fall eines Privatmannes, der in gutem Glauben ein Wohnmobil der Marke Fiat Ducato gekauft hatte. Wenig später stand die Polizei vor seiner Tür und beschlagnahmte Fahrzeugpapiere und Schlüssel. Denn: Das Wohnmobil war in Berlin gemietet und nicht zurückgegeben worden. Auch hier war der spätere Verkäufer unter falschem Namen als Mieter aufgetreten.
Auch ein Fall aus Salzbergen ging durch die Presse. Eine 46-jährige Frau hatte dort mit gefälschten Papieren ein Wohnmobil im Wert von 40.000 Euro gemietet. Sie gab es nicht zurück. Ein paar Tage nach Ablauf der Mietzeit entdeckten die Eigentümer das Fahrzeug in einer Online-Verkaufsanzeige. Hier konnte die Polizei die Täterin mit Hilfe eines falschen Käufers überführen. Diese wurde vom Amtsgericht Lingen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Böses Erwachen: Kein Geld von der Versicherung
Michael H. setzte sich nach dem Verschwinden seines Wohnmobils voller Hoffnung mit seiner Versicherung in Verbindung. Wozu hatte er schließlich eine Kaskoversicherung auch gegen Diebstahl? Hier wartete jedoch die nächste unangenehme Überraschung: Die Versicherung zahlte nicht. Die Begründung: Streng genommen handelte es sich hier gerade nicht um einen Diebstahl. Der setzt nämlich voraus, dass der Täter jemandem einen Gegenstand gegen dessen Willen wegnimmt. Bei der Vermietung eines Wohnmobils sieht die Sache jedoch anders aus: Das Fahrzeug wird ja vom Vermieter selbst freiwillig an den Mieter übergeben. Gibt der Mieter das Fahrzeug nicht zurück, handelt es sich rechtlich gesehen nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung. Zwar ist diese ebenfalls strafbar. Sie ist jedoch üblicherweise nicht in der Kaskoversicherung versichert.
Wann ist eine Unterschlagung versichert?
Oft ist eine Unterschlagung durch den Mieter nicht einmal in der Vollkaskoversicherung versichert. Fahrzeughalter können sich gegen diese Gefahr höchstens als Zusatzbaustein und gegen Aufpreis versichern. Autovermietern ist eine solche Zusatzversicherung dringend zu empfehlen: Der mögliche Schaden steht in keinem Verhältnis zu einer höheren Versicherungsprämie. Daher sollten Wohnmobil-Vermieter ihre bestehenden Versicherungsverträge genau daraufhin prüfen, was darin versichert ist und was nicht.
Käufer: Hohes Risiko, an Kriminelle als Verkäufer zu geraten
Wohnmobile werden anders als andere gestohlene oder unterschlagene Fahrzeuge nicht zerlegt und in Einzelteilen verkauft. Sie werden stattdessen über Internetportale oder Kleinanzeigen im Ganzen an Privatleute verkauft. Für diese ist die Wahrscheinlichkeit, an ein solches Fahrzeug zu geraten, gar nicht klein. Es kursieren nämlich immer mehr Wohnmobile aus zweifelhaften Quellen. Nicht nur Unterschlagungen spielen dabei eine Rolle, sondern auch der klassische Diebstahl. Nach einer Meldung der Lippischen Landes-Zeitung vom 19.4.2019 wurden etwa einem Händler in Gütersloh in einer einzigen Nacht neun Wohnmobile gestohlen. Der Schaden betrug eine halbe Million Euro. In diesem Fall war wohl eine ganze Bande tätig – mit neun Fahrern, einem mitgebrachten Vorrat an (gestohlenen) Kennzeichen und genügend Treibstoff, denn alle Tanks der Fahrzeuge waren leer gewesen.
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen konnte im September 2019 eine 15-köpfige Bande fassen, die gezielt Wohnmobile von den Höfen von Autohändlern gestohlen hatte. Dabei hatten die Diebe auch Zäune abgebaut und stundenlange Rangierarbeiten in Kauf genommen, um an die besonders teuren Modelle hinten auf dem Platz zu kommen. Beim Abtransport fuhr dann ein Begleitfahrzeug voraus, um vor Polizeikontrollen zu warnen. Allein diese eine Bande soll 49 Wohnmobile und weitere Fahrzeuge entwendet haben. Der Gesamtschaden lag bei 3,7 Millionen Euro.
Andere Variante: Kaufinteressent kehrt von Probefahrt nicht zurück
Auch auf der Probefahrt geht das eine oder andere Wohnmobil verloren. Hier ist die Vorgehensweise die gleiche wie bei der Vermietung: Der Kaufinteressent zeigt einen gefälschten Ausweis vor, lässt sich das Fahrzeug übergeben und kommt nicht wieder. Für den Eigentümer ist die rechtliche Problematik ganz ähnlich: Das Fahrzeug wird auch in diesem Fall freiwillig übergeben, wenn auch nicht mit dem Zweck der Übertragung des Eigentums. Daher handelt es sich auch hier nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung.
Private Käufer: Gutgläubiger Erwerb von fremdem Eigentum?
Für Privatpersonen, die von privat ein Wohnmobil gekauft haben, stellt sich hier die Frage: Was passiert, wenn das Fahrzeug gestohlen oder unterschlagen war? Sind sie nun als Käufer Eigentümer geworden und bleiben es auch? Oder kann der geprellte Vermieter oder Eigentümer einfach dessen Rückgabe fordern?
Nach § 932 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann jemand durchaus Eigentum an einem Gegenstand erwerben, dessen Verkäufer gar nicht dazu berechtigt ist, diesen zu verkaufen. Dafür notwendig ist ein sogenannter gutgläubiger Erwerb. Das bedeutet: Der Käufer darf nicht gewusst haben, dass der Verkäufer das Fahrzeug nicht verkaufen durfte. Und er darf dies auch nicht grob fahrlässig angenommen - also "beide Augen zugedrückt" - haben. Dann gibt es nämlich keinen gutgläubigen Erwerb.
Wichtig ist auch die Regelung des § 935 BGB: Danach ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, sofern das Kaufobjekt seinem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen ist.
Das heißt: Wurde das Wohnmobil im klassischen Sinne gestohlen, also etwa bei Nacht aufgebrochen und kurzgeschlossen, kann der Käufer niemals daran gutgläubig Eigentum erwerben. Wenn die Polizei das Fahrzeug bei ihm findet, ist es weg (und sein Geld auch).
Was sagen die Gerichte zum Thema gutgläubiger Erwerb?
Bei unterschlagenen Kraftfahrzeugen verhält es sich etwas anders: Hier ist ein gutgläubiger Erwerb tatsächlich möglich. Die Regelung in § 935 BGB gilt nur für Fälle, in denen der Gewahrsam des Eigentümers am Fahrzeug unfreiwillig gebrochen wird – wie eben bei einem klassischen Diebstahl. Bei einer Unterschlagung dagegen hat der Eigentümer selbst dem Täter das Fahrzeug anvertraut. Dass er dabei natürlich mit einer Rückgabe gerechnet hat, ändert nichts.
Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich in einem Urteil vom 1. März 2013 mit einem solchen Wohnmobil-Fall. Dabei hatte sich der Verkäufer eines unterschlagenen Wohnmobils gegenüber dem Käufer als dessen in den Fahrzeugpapieren aufgeführter Eigentümer ausgegeben. Hier ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass zwischen der unter falschem Namen handelnden Person und dem Käufer ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen war. In einer derartigen Situation könne man nicht fordern, dass jemand einen sehr gut gefälschten Fahrzeugbrief als unecht erkenne (Az. V ZR 92/12). Also war der Käufer gutgläubiger Eigentümer geworden.
BGH: Wichtiges Urteil vom September 2020
2020 entschied der Bundesgerichtshof den Fall einer Familie, die für 46.500 Euro in bar am Hamburger Hauptbahnhof ein Wohnmobil erworben hatte. Kurz darauf stand bei den glücklichen Käufern die Polizei vor der Tür: Das Fahrzeug hatte einem Autohändler gehört. Ein Kaufinteressent hatte damit eine Probefahrt gemacht und war nicht zurückgekommen. Wieder kamen gefälschte Ausweispapiere zum Einsatz, und beim Verkauf wurden gefälschte Fahrzeugpapiere verwendet. Nun verlangte der Autohändler von den Käufern die Herausgabe des Fahrzeugs, während diese ihrerseits die Herausgabe der Originalpapiere verlangten und sich dabei auf gutgläubigen Erwerb beriefen.
Der Bundesgerichtshof erläuterte: Das Fahrzeug sei hier nicht im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen, sondern freiwillig übergeben worden. Eine Besitzübertragung sei nicht unfreiwillig, nur weil sie durch eine Täuschung zustande komme. Wenn ein Verkäufer sein Fahrzeug einem Kaufinteressenten für eine Stunde zu einer unbegleiteten Probefahrt überlasse, übertrage er zwar nicht das Eigentum, wohl aber den Besitz, also die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug auf den Probefahrer. Der Besitz werde dabei übertragen und nicht nur "gelockert".
Daher hatte die Familie in diesem Fall trotz des verdächtigen Kaufs am Hauptbahnhof gutgläubig das Eigentum am Wohnmobil erworben. Der Händler verlor 52.900 Euro, den ursprünglichen Kaufpreis (Urteil vom 18.9.2020, Az. V ZR 8/19).
Update vom 14.10.2022: Neues BGH-Urteil zum gutgläubigen Erwerb
Der Bundesgerichtshof hat im September 2022 ein interessantes Urteil zum gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen gefällt. Dabei ging es um einen italienischen Autohändler, der bei einem deutschen Autohaus einen Mercedes erworben hatte, um ihn in Italien weiterzuverkaufen. Wie sich heraustellte, hatte das Autohaus den PKW jedoch nur geleast und war nicht dessen Eigentümer. Bald stand die Mercedes-Leasinggesellschaft vor der Tür des Händlers und wollte das Fahrzeug zurückhaben. Der Vermittler des Geschäfts, welcher den Mercedes in Deutschland abgeholt hatte, erklärte, dass ihm ein überzeugender Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung II) vorgelegt worden sei. Übergeben worden war dieser - entsprechend den Gepflogenheiten im gewerblichen grenzüberschreitenden Autohandel - zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der BGH entschied: Die Gutgläubigkeit ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Auto gestohlen oder abhanden gekommen wäre. Wie bei einer Vermietung wurde es dem unehrlichen Leasingnehmer ja freiwillig übergeben. Es ist daher nicht abhanden gekommen.
Nun könnte man noch daran zweifeln, ob die Käuferseite tatsächlich einen gut gefälschten Fahrzeugbrief vorgelegt bekommen hat. Denn: Der echte lag beim Leasinggeber. Hier stellte der BGH klar: Die Beweislast liege bei demjenigen, der die Gutgläubigkeit bestreite. Erklärt also der Autokäufer, dass ihm ein echt aussehender Fahrzeuzgbrief vorgelegt worden sei - auch, wann und von wem - muss der ursprüngliche Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht stimmen. Erst dann gilt der Käufer als nicht gutgläubig. Da eine solche Beweisführung naturgemäß schwierig ist, ist das Urteil für gutgläubige Käufer positiv - für den ursprünglichen Eigentümer weniger. Hier führte dies dazu, dass das Auto beim italienischen Händler blieb (Urteil vom 23.9.2022, Az. V ZR 148/21).
Worauf sollten Käufer achten?
Private Käufer sollten trotz dieser sehr liberalen Rechtsprechung nicht zu unvorsichtig werden. Der gutgläubige Eigentumserwerb funktioniert nur, wenn der Käufer sorgfältig vorgeht und die bei einem Autokauf üblichen und angemessenen Vorsichtsmaßnahmen einhält. Das heißt: Er muss sich Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung I und II) zeigen lassen und natürlich auch den Ausweis des Verkäufers. Die Namen auf den Dokumenten muss er vergleichen. Ist der Personalausweis oder der Fahrzeugbrief dilettantisch gefälscht, wird vom Käufer erwartet, dass er dies merkt und vom Kauf absieht. Hat der Verkäufer fantasievolle Geschichten parat, warum er keinen Fahrzeugbrief hat (Zulassungsbescheinigung II), sollte man ebenfalls die Finger vom Geschäft lassen.
Der Grundsatz lautet: Bei mangelnder Sorgfalt scheidet ein gutgläubiger Eigentumserwerb aus. Wenn ein privater Käufer ein Wohnmobil kauft, obwohl die Papiere nicht überzeugend aussehen, muss er das Fahrzeug später herausgeben und bleibt auf seinem Schaden sitzen.
Praxistipp
Erhöhte Vorsicht ist geboten bei Vermietung und Kauf von Wohnmobilen und ähnlichen Fahrzeugen – oft sind auch VW-Busse betroffen. Auf diese Fahrzeuge haben sich gut organisierte Täter mit falschen Ausweisen spezialisiert. Käufer sollten daher bei einem Vertragsabschluss besonders auf merkwürdige Umstände achten und die Papiere von Vertragspartner und Fahrzeug aufmerksam prüfen. Gewerbliche Vermieter sollten eine Versicherung haben, die auch Unterschlagung einschließt. Bei Schadensersatzforderungen kann Ihnen ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt zur Seite stehen.
(Bu)