AG Bad Hersfeld, Beschl. 20.3.2017 - F 111/17 EASO
Fehlende Zustimmung zur Datenweitergabe via WhatsApp
Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2017
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2017
Wer durch seine Nutzung von WhatsApp die andauernde Weitergabe von Adressbuchdaten zulässt, ohne zuvor von seinen Kontaktpersonen aus dem eigenen Telefon-Adressbuch hierfür jeweils eine Erlaubnis eingeholt zu haben, begeht gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung und begibt sich in die Gefahr, von den Betroffenen kostenpflichtig abgemahnt zu werden.
AG Bad Hersfeld, Beschl. v. 20.3.2017 - F 111/17 EASO
GG Art. 1, 2; BGB §§ 823, 1004, 1666; BDSG § 28
Gefahr für das Kindeswohl: Gemäß § 1666 BGB habe das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefahr für das Kind oder sein Vermögen erforderlich seien, wenn die Eltern nicht gewillt oder in der Lage seien, die Gefahr selbst abzuwenden. Durch die Nutzung von WhatsApp sei eine Gefahr für das Vermögen des Kinds gegeben, denn es bestehe die Gefahr kostenpflichtiger Abmahnung bzgl. Unterlassungsansprüchen gem. §§ 823, 1004 BGB gegen das Kind wegen unbefugter Weitergabe der Adressbuchdaten zu unscharf umschriebenen Zwecken der Vermarktung, zu der sich der Nutzer laut WhatsApp-AGB befugt erkläre.
Kein BDSG-Verstoß: Hierbei handele es sich zwar nicht um deliktisches Verhalten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 BDSG. Denn das Kind nehme keine auch-geschäftliche Verwendung der Adressbuchdaten vor, die nur bei deren beruflicher Nutzung gegeben sei.
Persönlichkeitsrechtsverletzung: Allerdings sei eine Verletzung von § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG anzunehmen. Bei den Adressbuchdaten handle es sich nicht um öffentlich zugängliche Daten, sofern sie nicht in Telefonbüchern hinterlegt seien, sondern um sensible persönliche Daten, die es erlaubten, durch Kontaktaufnahme stärker in die Privatsphäre einzudringen. § 13 Abs. 6 TMG sehe grundsätzlich die Möglichkeit einer pseudonymen Nutzung von WhatsApp vor, die durch den Adressbuchdatenabgleich unterwandert werde.
Rechtswidrigkeit: Es liege auch keine konkludente Einwilligung in die Datenweitergabe durch Preisgabe der eigenen Rufnummer vor. Eine solche beziehe sich bei Nicht-WhatsApp-Nutzern allenfalls auf die Speicherung auf dem Smartphone. Aber auch die WhatsApp-Nutzer hätten nicht konkludent in die Weitergabe eingewilligt, da es häufig am erforderlichen technischen Verständnis und damit am Erklärungsbewusstsein fehle.
Keine Kenntnisnahme der AGB: Die Obliegenheit zum Lesen der Nutzungsbedingungen betreffe nur das Verhältnis zum Unternehmen und nicht das der Verbraucher untereinander. Sie sage nichts zur tatsächlichen Kenntnisnahme aus, von der beim Durchschnittsverbraucher im Regelfall angesichts Lästigkeit, Sorglosigkeit, Textumfang, kleiner Displays und Komplexität der Materie nicht auszugehen sei. So fänden sich die maßgeblichen Textstellen verteilt in der ausgedruckt neun Seiten langen Datenschutzrichtlinie von WhatsApp und den zehn Seiten der Nutzungsbedingungen. Selbst wenn man zunächst von einer konkludenten Zustimmung ausginge, würde von deren Widerruf der dadurch belastete Adressbuchinhaber keine Kenntnis erlangen.
Verschulden: Das Kind erfülle vorliegend nach seinem Reifegrad die Voraussetzungen für eine eigenständige deliktische Verantwortlichkeit im Sinne der einschlägigen Vorschrift nach § 828 Abs. 3 BGB. Daraus ergebe sich angesichts der Wiederholungsgefahr ein hohes Abmahnrisiko bei Kosten von 150–500 € und damit eine Vermögensgefährdung.
AG Bad Hersfeld, Beschl. v. 20.3.2017 - F 111/17 EASO
GG Art. 1, 2; BGB §§ 823, 1004, 1666; BDSG § 28
Das Problem
Die Mutter eines bei ihr lebenden 10 Jahre alten Kinds begehrte im sog. Umgangsverfahren eine striktere Regelung des Umgangs mit dem von ihr geschiedenen Kindsvater. Dabei kam zur Sprache, dass das Kind ein vom älteren Bruder abgelegtes Smartphone für WhatsApp nutzte. Das Adressbuch auf dem Gerät enthielt 11 persönliche Kontakte zu Gleichaltrigen, von denen keine Erlaubnis zur Weitergabe ihrer Daten an WhatsApp Inc. in Kalifornien/USA eingeholt worden war. Das Kind und die Mutter gaben an, keine Datenweitergabe gewollt, die AGB nicht gelesen bzw. von technischen Hintergründen keine Ahnung zu haben.Die Entscheidung des Gerichts
Das Familiengericht erteilte der Kindsmutter gem. § 1666 BGB u.a. die Auflagen, schriftliche Zustimmungserklärungen zur Datenweitergabe nachzuweisen, mind. einmal monatlich das Smartphone bzgl. weitere Zustimmungserklärungen erforderlich machender neuer Kontakte zu überprüfen und sich über die Internetplattform www.klicksafe.de monatlich mind. zu drei Themen-Bereichen weiterzubilden.Gefahr für das Kindeswohl: Gemäß § 1666 BGB habe das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefahr für das Kind oder sein Vermögen erforderlich seien, wenn die Eltern nicht gewillt oder in der Lage seien, die Gefahr selbst abzuwenden. Durch die Nutzung von WhatsApp sei eine Gefahr für das Vermögen des Kinds gegeben, denn es bestehe die Gefahr kostenpflichtiger Abmahnung bzgl. Unterlassungsansprüchen gem. §§ 823, 1004 BGB gegen das Kind wegen unbefugter Weitergabe der Adressbuchdaten zu unscharf umschriebenen Zwecken der Vermarktung, zu der sich der Nutzer laut WhatsApp-AGB befugt erkläre.
Kein BDSG-Verstoß: Hierbei handele es sich zwar nicht um deliktisches Verhalten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 BDSG. Denn das Kind nehme keine auch-geschäftliche Verwendung der Adressbuchdaten vor, die nur bei deren beruflicher Nutzung gegeben sei.
Persönlichkeitsrechtsverletzung: Allerdings sei eine Verletzung von § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG anzunehmen. Bei den Adressbuchdaten handle es sich nicht um öffentlich zugängliche Daten, sofern sie nicht in Telefonbüchern hinterlegt seien, sondern um sensible persönliche Daten, die es erlaubten, durch Kontaktaufnahme stärker in die Privatsphäre einzudringen. § 13 Abs. 6 TMG sehe grundsätzlich die Möglichkeit einer pseudonymen Nutzung von WhatsApp vor, die durch den Adressbuchdatenabgleich unterwandert werde.
Rechtswidrigkeit: Es liege auch keine konkludente Einwilligung in die Datenweitergabe durch Preisgabe der eigenen Rufnummer vor. Eine solche beziehe sich bei Nicht-WhatsApp-Nutzern allenfalls auf die Speicherung auf dem Smartphone. Aber auch die WhatsApp-Nutzer hätten nicht konkludent in die Weitergabe eingewilligt, da es häufig am erforderlichen technischen Verständnis und damit am Erklärungsbewusstsein fehle.
Keine Kenntnisnahme der AGB: Die Obliegenheit zum Lesen der Nutzungsbedingungen betreffe nur das Verhältnis zum Unternehmen und nicht das der Verbraucher untereinander. Sie sage nichts zur tatsächlichen Kenntnisnahme aus, von der beim Durchschnittsverbraucher im Regelfall angesichts Lästigkeit, Sorglosigkeit, Textumfang, kleiner Displays und Komplexität der Materie nicht auszugehen sei. So fänden sich die maßgeblichen Textstellen verteilt in der ausgedruckt neun Seiten langen Datenschutzrichtlinie von WhatsApp und den zehn Seiten der Nutzungsbedingungen. Selbst wenn man zunächst von einer konkludenten Zustimmung ausginge, würde von deren Widerruf der dadurch belastete Adressbuchinhaber keine Kenntnis erlangen.
Verschulden: Das Kind erfülle vorliegend nach seinem Reifegrad die Voraussetzungen für eine eigenständige deliktische Verantwortlichkeit im Sinne der einschlägigen Vorschrift nach § 828 Abs. 3 BGB. Daraus ergebe sich angesichts der Wiederholungsgefahr ein hohes Abmahnrisiko bei Kosten von 150–500 € und damit eine Vermögensgefährdung.