Autor: RA FAMuWR Dr. Michael Sommer, Augsburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 06/2022
Aus einer Eigenbedarfskündigung muss sich ergeben, dass der Vermieter die Räume einer Bedarfsperson überlassen will und hierfür vernünftige Gründe vorliegen. Solche liegen dann nicht vor, wenn zahlreiche andere vergleichbare freie Wohnungen im Haus existieren.
BGB § 573 Abs. 3, Abs. 2 Das Problem
Vermieter und Mieter streiten um die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung eines Mietvertrags über eine im ersten Obergeschoss gelegene Wohnung. Der Mietvertrag sah bereits eine Befristung vor, wobei der Grund der Befristung Eigenbedarf für Familienmitglieder war. Über die (unwirksame) Befristung gab es bereits einen Rechtsstreit und die gerichtliche Feststellung, dass die Befristung unwirksam war. Der Eigenbedarf wird für den Neffen des Vermieters angemeldet, welcher bei Ausspruch der Kündigung im vierten Obergeschoss wohnt. Als Begründung hierfür wird angegeben, dass „der Neffe endgültig nach Hamburg ziehe“ und die „derzeitige Wohnung für ihn zu groß und im Unterhalt zu teuer sei“. „Eine andere passende Wohnung stehe dem Kläger nicht zur Verfügung.“ In der Kündigung findet sich keine Aussage dazu, dass der Neffe bereits im selben Haus untergebracht ist. Erst im Räumungsprozess trägt der Vermieter vor, dass die im Streit stehende Mietwohnung auch deshalb günstiger ist, da der Neffe einen schnellen Zugang zum Keller wünscht und damit ein niedriges Geschoss gewünscht wird. Der vorhandene Aufzug sei zu langsam. Kurz vor Ausspruch der Kündigung wurde je eine Wohnung im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss an Dritte vermietet. Der Mieter beruft sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung. Die Entscheidung des Gerichts
Die Kündigung ist unwirksam. Nach § 573 Abs. 3 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Die Angabe der Gründe ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die ordentliche Kündigung. Eine Eigenbedarfskündigung ist hinreichend begründet, wenn sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Vermieter die Räume einer Bedarfsperson überlassen will und hierfür vernünftige Gründe vorliegen. Danach muss der Vermieter diejenigen Tatsachen mitteilen, aus denen sich das Nutzungsinteresse ergibt, so genügt etwa die Angabe „wegen Eigenbedarfs“ nicht aus. Der Mieter muss insoweit aufgrund der im Kündigungsschreiben mitgeteilten Gründe in der Lage sein, die Erfolgsaussicht der Kündigung überschlägig zu prüfen. Diesen Anforderungen genügt die von dem Vermieter erklärte Eigenbedarfskündigung nicht. Nach Maßgabe der im Kündigungsschreiben angeführten Gründe besteht ein Bedarf für den Neffen des Vermieters nicht. Die Kündigung wird allein darauf gestützt, dass die derzeitige Wohnung zu groß und zu teuer sei. Dabei lässt die Kündigung des Vermieters unerwähnt, dass sein Neffe bereits im Hause in Hamburg wohnt, das heißt letztlich auch die Höhe der Miete vom Vermieter selbst festgesetzt worden ist. Auch die Größe der Wohnung bleibt, obwohl es sich durchgängig um Wohnungen mit recht ähnlicher Wohnungsgröße handelt, unerwähnt. Hinzukommt, dass nach dem Vortrag des Vermieters ein Bedarf seines Neffen bereits seit Juni 2020, jedenfalls seit seinem Umzug nach Hamburg, bestand. Auch die Vermietungen der drei leerstehenden Wohnungen kurz vor Ausspruch der Kündigung bleiben unerwähnt. Soweit sich der Vermieter nunmehr hinsichtlich des Bedarfs des Neffen auf die Geschosslage bezieht, vermag dies letztlich nicht berücksichtigt zu werden, da dies als Kündigungsbegründung explizit nicht angegeben worden ist, vgl. § 573 Abs. 3 BGB. Es kann nicht dagegen eingewandt werden, dass die Kündigungsbegründungen nach der Rechtsprechung des BGH zum Teil auch recht allgemein gehalten möglich sein sollen, sofern sie denn das Nutzungsinteresse im Kern formulieren. Hier soll sich der Kern des Nutzungsinteresses allerdings aus der Geschosslage ergeben, die in der Kündigung ausdrücklich nicht als kündigungsrelevant genannt worden ist. Nach den in der Kündigung genannten Kriterien fehle es insoweit am Benötigen des Vermieters, da diesem hinreichend anderweitiger Wohnraum im Hause zu Verfügung stand, der den Kriterien der Bedarfsperson genügt hätte, zumal es sich schon um einen länger bestehenden Eigenbedarfsgrund handeln soll. Mangels Angaben zur Miete und Wohnungsgröße in der Kündigung können auch diese nachträglich vorgetragenen Umstände nicht berücksichtigt werden.