AG München, Beschl. 18.5.2016 - 551 F 7061/12 RE

Eingetragene Lebenspartner als gemeinschaftliche Vormünder

Autor: RA Matthias Bergmann, LL.M. (Auckland), Hamburg
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 02/2017
§ 1775 Satz 1 BGB ist verfassungskonform auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden. Auch eingetragene Lebenspartner können als gemeinschaftliche Vormünder bestellt werden.

AG München, Beschl. v. 18.5.2016 - 551 F 7061/12 RE

BGB § 1775 S. 1; LPartG § 9 Abs. 7; GG Art. 3 Abs. 1

Das Problem

Das betroffene Kind lebt in Familienpflege bei einem Paar, das in eingetragener Lebenspartnerschaft zusammen lebt. Für das Pflegekind war ein Vormund bestellt. Die Lebenspartner beantragten die Vormundschaft für sich.

Die Entscheidung des Gerichts

Gemäß § 1775 Satz 1 BGB kann das Familiengericht ein Ehepaar gemeinschaftlich zu Vormündern bestellen, ohne dass es hierfür besonderer Gründe bedarf. Der amtsgerichtliche Beschluss stellt unter Bezug auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Sukzessivadoption bei eingetragenen Lebenspartnern klar, dass die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Vormundsbestellung auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gegeben sein muss, da ansonsten ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. GG sowohl für die Lebenspartner als auch für das betroffene Kind vorliegt. Der bisherige Vormund sei daher zu entlassen, da zwei andere als Vormund geeignete Personen vorhanden seien und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht.

Die Bestellung mehrerer Vormünder in Form eingetragener Lebenspartner beruht dabei auf einer analogen Anwendung des § 1775 Satz 1 BGB. Gemäß § 1775 Satz 2 BGB soll für den Mündel grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden, sofern nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen. Besondere Gründe für das Erfordernis der Bestellung mehrerer Vormünder lagen hier nicht vor, beide ausgewählten Vormünder hätten die Vormundschaft auch allein ausüben können. § 1775 Satz 1 BGB sieht grundsätzlich eine Bestellung zu gemeinschaftlichen Vormündern ohne besondere Begründung nur für Ehepaare vor. Bei wortgetreuer Auslegung wäre hier demnach nur einer der beiden Lebenspartner als Vormund einzusetzen gewesen. Nach Ansicht des Gerichts liegt in der Vorschrift des § 1775 Satz 1 BGB aber eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften (im Vergleich zu Ehepartnern). Es erweitert daher den Anwendungsbereich des § 1775 Satz 1 BGB und beruft sich zur Begründung auf eine analoge Anwendung. Tatsächlich dürfte es sich systematisch um eine verfassungskonform ausgeweitete Auslegung handeln. Das Gericht beruft sich dabei auf die Ausführungen des BVerfG zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (BVerfG v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, FamRZ 2013, 521 = FamRB 2013, 115) und die darauf basierenden Gesetzesänderungen in § 9 Abs. 7 LPartG. Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt, sei nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch – wie Ehepaare – gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen. Vielmehr sei nun bei § 1775 Satz 1 BGB „von einer nachträglichen Regelungslücke auszugehen und die Regelung deswegen in diesen Fällen entsprechend anzuwenden” (s. Schulze u.a., Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Aufl., § 1775 BGB Rz. 1).


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