AG Schöneberg, Urt. 11.7.2024 - 105 C 21/24

Mietfälligkeit: Altvertrag mit unwirksamer Rechtzeitigkeitsklausel

Autor: Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 12/2024
Eine unwirksame Rechtzeitigkeitsklausel führt bei einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Wohnraummietvertrag zur Unwirksamkeit der im Vertrag enthaltenen Vorfälligkeitsklausel. In diesem Fall ist die Miete spätestens bis Ende des Monats zu zahlen.

BGB § 556b n.F., § 551 a.F.; BGBEG Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 7

Das Problem

Bis zur letzten großen Mietrechtsreform war die Miete gem. § 551 BGB a.F. am Ende des Monats zu zahlen. Üblich waren aber damals schon sog. Vorfälligkeitsklauseln. Da es sich regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte, müssen diese auf Wirksamkeit gem. § 307 BGB überprüft werden. Dabei kommt es für die Angemessenheitskontrolle vor allem auf die weiteren Klauseln im Mietvertrag an. So führt ein im Mietvertrag enthaltenes Aufrechnungsverbot zur Unwirksamkeit der Vorfälligkeitsklausel. In letzter Zeit ist die Bedeutung einer Rechtzeitigkeitsklausel in den Vordergrund gerückt. So war es auch im vorliegenden Fall.

Im 1992 abgeschlossenen Mietvertrag war vereinbart, dass die Miete bis um 3. Werktag zu zahlen war. Außerdem hieß es in dem Vertrag „Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf die Ankunft bzw. Gutschrift des Betrages an.“ Der Mieter zahlte 12 Monate die Miete nach dem 3. Werktag aber jeweils vor Monatsende. Der Vermieter kündigte daraufhin wegen unpünktlicher Mietzahlung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen, weil der Mieter die Miete nicht unpünktlich gezahlt hatte. Aufgrund des Alters des Mietvertrages und der vorliegenden Klauselkombination war die Miete gem. § 551 BGB a.F. am Ende jedes Monats fällig. Die Rechtzeitigkeitsklausel ist gem. § 307 Abs. 1 BGB nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 5.10.2016 – VIII ZR 222/15, MDR 2017, 142 = MietRB 2017, 33 [Burbulla]) unwirksam, weil sie bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung das Risiko einer durch den Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung des Zahlungsvorganges entgegen §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 1, 4 BGB dem Mieter auferlegt.

Die Unwirksamkeit der Rechtzeitigkeitsklausel führt zur Unwirksamkeit der Vorfälligkeitsklausel. Es handelt sich um zwei nicht teilbare Klauseln. Nach dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion führt die Unwirksamkeit einer einheitlichen Klausel zur Unwirksamkeit der Klausel im Ganzen. Zwar wird von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht, wenn die Klausel neben der unwirksamen auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestimmungen, enthält und nach Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibt (sog. Blue-Pencil-Test); dies gilt aber wiederum dann nicht, wenn sich der Inhalt der Vereinbarung dadurch ändert.

Das ist hier der Fall. Beide Klauseln regeln die Leistungszeit des Mieters. Bei Wegfall der Rechtzeitigkeitsklausel träte so eine Veränderung ein. Denn bei unterstellter Wirksamkeit der Klausel müsste der Mieter mögliche Banklaufzeiten beachten und somit früher überweisen als er es ohne eine solche Klausel tun müsste (so im Ergebnis auch: AG Hamburg v. 16.12.2020 – 49 C 209/20; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rz. 44; Börstinghaus, NZM 2017, 649; a.A. LG Berlin v. 25.7.2017 – 63 S 7/17, MietRB 2017, 312 [Börstinghaus]).


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „Miet-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Miet- / WEG-Recht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme