Annahmeverzug – Kein Unvermögen bei vertraglichem Beschäftigungsverbot
Autor: RA FAArbR Dr. Henning Hülbach,Rechtsanwälte Verweyen Lenz-Voß Boisserée, Köln,Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht (TH Köln)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2016
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2016
Wird ein Arbeitgeber durch einen Kunden auf vertraglicher Basis aufgefordert, einen bestimmten Arbeitnehmer nicht mehr einzusetzen, begründet dies allein kein den Annahmeverzug ausschließendes Unvermögen dieses Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen.
BAG, Urt. v. 21.10.2015 - 5 AZR 843/14
Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 17 Sa 285/14
BGB §§ 293 ff., 297
Auf Antrag des Klägers stellte das VG Potsdam mit Beschluss vom 6.8.2012 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen die vorangegangene Zugangsversagung und Anordnung einer Zuverlässigkeitsprüfung durch die Obere Luftfahrtbehörde wieder her. Die am selben Tag unter Hinweis auf den Beschluss erfolgte Beschäftigungsaufforderung durch den Kläger wies die Beklagte zurück. Ein gegen den Kläger geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Mit Schreiben vom 26.7.2013 hob die Bundespolizeidirektion Berlin den angeordneten Nichteinsatz des Klägers gegenüber der Beklagten auf. Seit dem 10.8.2013 ist der Kläger wieder am alten Arbeitsplatz beschäftigt.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 7.8.2012 bis 31.7.2013.
Von der auch in § 16 des Arbeitsvertrags erwähnten öffentlich-rechtlichen Möglichkeit des Widerrufs der Beleihung sei nicht Gebrauch gemacht worden. Auch das Schreiben der Bundespolizei vom 29.6.2012 könne kein Unvermögen des Klägers i.S.v. § 297 BGB begründen, da es nicht die rechtliche Qualität eines öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverbots erreiche. Zum einen bringe es diese Rechtsfolge nicht klar und deutlich zum Ausdruck, zum anderen müsse eine entsprechende hoheitliche Maßnahme dem betroffenen Arbeitnehmer förmlich bekannt gegeben werden. Beides fehle hier. Die Behörde habe sich vielmehr auf vertraglicher Grundlage auf ein gegenüber der Arbeitgeberin ausgesprochenes Einsatzverbot berufen. Ein derartiges „einfaches” Verbot führe grds. nicht zum Unvermögen des betroffenen Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Nur unter den – hier fehlenden – weiteren Voraussetzungen, dass im Einzelfall die Annahme der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber unzumutbar sei, könne ein solches einfaches Verbot Annahmeverzug ausschließen.
BAG, Urt. v. 21.10.2015 - 5 AZR 843/14
Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 17 Sa 285/14
BGB §§ 293 ff., 297
Das Problem
Der Kläger ist als öffentlich-rechtlich beliehener Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten als Fluggastkontrolleur beschäftigt. Nach § 16 des Arbeitsvertrags besteht eine „Beschäftigungsmöglichkeit (...), solange die Beleihung nicht zurückgenommen bzw. widerrufen ist”. Mit Schreiben vom 29.6.2012 fordert die Bundespolizeidirektion Berlin die Beklagte unter Hinweis auf vertragliche Regelungen auf, den Kläger bis auf weiteres nicht mehr einzusetzen. Daraufhin suspendierte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom selben Tag bis auf weiteres vom Dienst. Im Anschluss an die Gewährung von Urlaub stellte sie die Gehaltszahlungen ein.Auf Antrag des Klägers stellte das VG Potsdam mit Beschluss vom 6.8.2012 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen die vorangegangene Zugangsversagung und Anordnung einer Zuverlässigkeitsprüfung durch die Obere Luftfahrtbehörde wieder her. Die am selben Tag unter Hinweis auf den Beschluss erfolgte Beschäftigungsaufforderung durch den Kläger wies die Beklagte zurück. Ein gegen den Kläger geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Mit Schreiben vom 26.7.2013 hob die Bundespolizeidirektion Berlin den angeordneten Nichteinsatz des Klägers gegenüber der Beklagten auf. Seit dem 10.8.2013 ist der Kläger wieder am alten Arbeitsplatz beschäftigt.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 7.8.2012 bis 31.7.2013.
Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Annahmeverzugslohn blieb beim BAG erfolglos. Der Anspruch auf Annahmeverzugslohn sei nicht gem. § 297 BGB ausgeschlossen. Es liege kein den Annahmeverzug ausschließendes Unvermögen vor. Zwar könne bei einem gesetzlichen oder behördlichen Beschäftigungsverbot oder dem Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit grds. ein Unvermögen vorliegen. Im Streitfall habe aber kein solches Verbot bestanden. Mit Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen das Zugangsverbot habe er den sicherheitsrelevanten Bereich des Flughafens wieder betreten dürfen.Von der auch in § 16 des Arbeitsvertrags erwähnten öffentlich-rechtlichen Möglichkeit des Widerrufs der Beleihung sei nicht Gebrauch gemacht worden. Auch das Schreiben der Bundespolizei vom 29.6.2012 könne kein Unvermögen des Klägers i.S.v. § 297 BGB begründen, da es nicht die rechtliche Qualität eines öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverbots erreiche. Zum einen bringe es diese Rechtsfolge nicht klar und deutlich zum Ausdruck, zum anderen müsse eine entsprechende hoheitliche Maßnahme dem betroffenen Arbeitnehmer förmlich bekannt gegeben werden. Beides fehle hier. Die Behörde habe sich vielmehr auf vertraglicher Grundlage auf ein gegenüber der Arbeitgeberin ausgesprochenes Einsatzverbot berufen. Ein derartiges „einfaches” Verbot führe grds. nicht zum Unvermögen des betroffenen Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Nur unter den – hier fehlenden – weiteren Voraussetzungen, dass im Einzelfall die Annahme der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber unzumutbar sei, könne ein solches einfaches Verbot Annahmeverzug ausschließen.