Arbeitsrecht: Wann darf der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen?
26.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Zu einer Abmahnung kann es aus ganz unterschiedlichen Gründen kommen. Diese reichen vom Rauchen am Arbeitsplatz über Zu-Spät-Kommen bis hin zu Arbeitszeitbetrug oder unangemessenem Verhalten gegenüber Kollegen. Generell wird sie bei einem Fehlverhalten ausgesprochen, durch das der Arbeitnehmer aus Sicht des Chefs den Arbeitsvertrag verletzt.
Eine Abmahnung stellt eine Voraussetzung für eine rechtswirksame verhaltensbedingte Kündigung dar. Auf sie kann verzichtet werden, wenn der Verstoß so schwer wiegt, dass der Arbeitgeber sogar fristlos kündigen darf.
Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen will, weil dieser durch sein Verhalten Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt, muss er ihn grundsätzlich vorher abmahnen. Er muss ihn also auf sein Fehlverhalten hinweisen und ihn dazu auffordern, dies zu ändern. Rechtlich ergibt sich dies aus § 314 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
In dieser Vorschrift geht es zwar um die außerordentliche, fristlose Kündigung. Sie ist jedoch auch auf eine ordentliche, befristete Kündigung anwendbar. Der Arbeitgeber wird auch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezwungen, bei einer Kündigung zunächst das mildere Mittel der Abmahnung einzusetzen, bevor er zum härtesten Mittel greift und das Arbeitsverhältnis beendet.
Daher ist die Abmahnung die Vorstufe zur Kündigung durch den Arbeitgeber. Erforderlich ist sie grundsätzlich bei einer fristlosen und bei einer befristeten Kündigung aus Verhaltensgründen. Wenn sie vom Beschäftigten ignoriert wird und dieser sein Fehlverhalten trotzdem fortsetzt, ist der Arbeitsplatz in Gefahr.
Die Abmahnung muss nicht unbedingt schriftlich erfolgen. Dies ist jedoch trotzdem üblich, weil der Arbeitgeber sonst im Kündigungsschutzprozess kaum beweisen kann, dass der Arbeitnehmer abgemahnt wurde und warum. Aus der Abmahnung muss hervorgehen, welches Fehlverhalten dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird. Der oder die Beschäftigte muss schließlich wissen, was er oder sie falsch gemacht hat, um sich bessern zu können. Wenn es zum Beispiel um Verspätungen oder "Krank-Feiern" geht, muss das genaue Datum angegeben werden und bei Verspätungen auch die Zeit, um die sich der Mitarbeiter verspätet hat.
Auch muss dieses Verhalten ausdrücklich gerügt werden. Der Arbeitgeber muss also beispielsweise darauf hinweisen, dass Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt werden.
Die Abmahnung muss auch die Aufforderung enthalten, das betreffende Verhalten künftig zu ändern oder zu unterlassen.
Zuletzt muss aus der Abmahnung eindeutig gesagt werden, was die Folge ist, wenn der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändert: Dass er dann nämlich mit der Kündigung rechnen muss. Fehlen einer Abmahnung diese Bestandteile, ist sie nicht rechtswirksam und kann nicht als Voraussetzung für eine Kündigung dienen.
Eine Abmahnung darf der Arbeitgeber nur wegen etwas aussprechen, auf das der Arbeitnehmer willentlich Einfluss nehmen kann. Beispiel: War er unpünktlich, kann er sich zusammenreißen oder einen neuen Wecker kaufen. Es ist seine Entscheidung, ob er gegen ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz verstößt oder das Diensthandy für Privatgespräche nutzt.
Keinen Einfluss hat der Arbeitnehmer darauf, ob er krank wird. Wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kann er deshalb nicht abgemahnt werden. Dagegen kann er aber abgemahnt werden, wenn der Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig krankmeldet oder seine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig einreicht. Dies sind wieder arbeitsvertragliche Pflichten, deren Erfüllung er selbst beeinflussen kann.
Wenn es um sehr schwere Verfehlungen geht, darf der Chef grundsätzlich auch kündigen, ohne den Arbeitnehmer vorher abzumahnen. Mehr dazu hier:
Fristlose Kündigung durch Arbeitgeber: Was müssen Arbeitnehmer beachten?
Dies gilt besonders bei Straftaten des Arbeitnehmers zulasten des Arbeitgebers, wie etwa Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug, aber auch bei groben Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen. Es gilt auch bei Verhaltensweisen, bei denen der Arbeitnehmer keinesfalls mit der Billigung seines Chefs rechnen durfte - zum Beispiel Tätigkeit für die Konkurrenz oder Verrat von Betriebsgeheimnissen. Es gilt auch in dem unwahrscheinlichen Fall, dass man davon ausgehen kann, dass eine Abmahnung auf gar keinen Fall Erfolg haben wird.
Wenn der Arbeitgeber in diesen Fällen trotzdem eine Abmahnung ausspricht, kann er nicht mehr sofort kündigen. In diesem Fall muss er erst einmal abwarten, ob der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht doch ändert. Fristlos kündigen kann er erst dann, wenn der Arbeitnehmer das nächste Mal gegen den Arbeitsvertrag verstößt – und zwar durch das gleiche Verhalten, auf das sich die Abmahnung bezog.
Eine besondere Rechtslage gibt es bei Bagatelldiebstählen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht davon aus, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern nach Bagatelldiebstählen nicht immer sofort fristlos kündigen dürfen. Insbesondere gilt dies nach einem langjährigen problemlosen Arbeitsverhältnis, wenn der Diebstahl nach einem einmaligen "Ausrutscher" aussieht. Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um den Fall "Emmely", in dem eine Kassiererin zwei Pfandbons im Centbereich hatte mitgehen lassen (Urteil vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09). Auch in solchen Fällen muss also erst einmal eine Abmahnung erfolgen.
Die Beleidigung des Chefs ist in anderem Licht zu sehen, wenn sie vor dem Hintergrund menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen ausgesprochen wird. Muss eine Mitarbeiterin nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage plötzlich in einem verschimmelten Keller zwischen Mäusen bei 11 Grad Celsius Akten sortieren, darf der Chef also auch bei Beleidigungen nicht ohne Abmahnung fristlos kündigen (Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil vom 29.6.2022, Az. 4 Sa 212/13).
Ein verbreiteter Rechtsirrtum ist, dass der Arbeitgeber erst nach der dritten Abmahnung kündigen darf. Tatsächlich hängt die Anzahl der Abmahnungen, die einer Kündigung vorausgehen müssen, von der Schwere des Verstoßes ab. Bei geringfügigen Verstößen wie etwa Verspätungen um wenige Minuten ist es schlicht üblich geworden, vor der Kündigung dreimal abzumahnen. Bei schwereren Verstößen reicht oft eine einzige Abmahnung. Wenn der Arbeitgeber bei einem geringfügigen Verstoß schon nach der ersten Abmahnung kündigt, hat der Arbeitnehmer gute Chancen, die Kündigung vom Arbeitsgericht für unverhältnismäßig und damit für unwirksam erklären zu lassen.
Die Abmahnung durch den Chef sollte unmittelbar nach dem Fehlverhalten erfolgen – am besten innerhalb von zwei Wochen. Eine gesetzliche Frist gibt es zwar nicht. Der Arbeitgeber hat aber sogar für eine fristlose Kündigung nur eine zweiwöchige Überlegungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB. Der Mitarbeiter muss nach der Abmahnung genug Zeit bekommen, um sein Verhalten zu ändern. Dabei geht man meist von vier Wochen aus.
Wenn eine Abmahnung in die Personalakte aufgenommen werden soll, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher anhören. Dieser muss also die Möglichkeit erhalten, seine Sicht der Vorkommnisse darzustellen. Dieses Anhörungsrecht beruht auf § 82 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz. Wurde der Arbeitnehmer nicht angehört, muss die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden.
Wichtig: Die Abmahnung kann auch ohne Anhörung als Vorstufe der Kündigung dienen. Im Prinzip ist sogar eine mündliche Abmahnung wirksam.
Wird ein Arbeitnehmer zu oft bezüglich eines bestimmten Fehlverhaltens abgemahnt, z.B. wegen Zu-spät-Kommens, kann die Abmahnung entwertet werden. Dann spricht man auch vom Verlust der Warnfunktion, da ja keine Konsequenzen folgen. Zu einer Entwertung kann auch der Zeitfaktor führen: Wenn der Arbeitgeber nach einem Pflichtverstoß zu lange mit der Abmahnung wartet, lässt dies vielleicht den Schluss zu, dass ihm das Thema gar nicht so wichtig ist.
Ist die Abmahnung gerechtfertigt, sollte der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten schlicht abstellen. Sieht er sie als nicht gerechtfertigt an, kann er mit Unterstützung des Betriebsrates - sofern vorhanden - an den Arbeitgeber herantreten, damit dieser die Abmahnung zurücknimmt und sie aus der Personalakte entfernt. In der Regel wird dies nicht funktionieren. Dann kann der Arbeitnehmer verlangen, dass eine von ihm selbst verfasste Gegendarstellung mit in die Personalakte aufgenommen wird.
Nicht zuletzt hat er auch die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht auf die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu klagen.
Früher gab es die Praxis, dass der Arbeitnehmer nach zwei bis drei Jahren die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen konnte - das Abstellen des abgemahnten Verhaltens durch ihn vorausgesetzt. Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgericht aus dem Jahre 2012 (Az. 2 AZR 782/11) gilt folgendes: Die Entfernung aus der Personalakte kann der Arbeitnehmer nur dann verlangen, wenn der Chef kein berechtigtes Interesse an dem weiteren Verbleib mehr hat.
Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakt nur im bestehenden Arbeitsverhältnis verlangen. Ist dieses beendigt, haben Ex-Mitarbeiter zwar einen Anspruch auf Einsicht in ihre vom Ex-Arbeitgeber weiterhin aufbewahrten Personalakte. Ein Anspruch auf Entfernung einer erteilten Abmahnung aus der Personalakte besteht aber nicht mehr - übrigens auch dann nicht, wenn diese zu Unrecht erteilt wurde.
Ausnahme: Nur in dem Fall, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, die Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden, besteht ein Anspruch auf Entfernung aus der Personalakte (BAG, Urteil vom 19. April 2012, 2 AZR 233/11).
Sie wurden von Ihrem Chef abgemahnt? Dann gilt es, sich sehr genau zu überlegen, was nun die besten Schritte (und die eigenen Ziele) sind. Will man den Arbeitsplatz auf Dauer behalten? Eine gerichtliche Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zerstört womöglich das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber. Ob eine Klage sinnvoll ist, muss im Einzelfall sehr genau abgewogen werden. Dies hängt unter anderem von der Schwere der erhobenen Vorwürfe und von Art und Größe des Betriebes ab. Zu empfehlen ist in solchen Fällen eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Aus welchen Gründen darf mich mein Chef abmahnen und welche Formalien muss er dabei einhalten? Wie kann ich mich gegen die Abmahnung wehren und wann ist sie wieder aus der Personalakte zu entfernen?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Warum sollte man eine Abmahnung ernst nehmen? Was muss in einer Abmahnung stehen? Weswegen kann eine Abmahnung ausgesprochen werden? Wann darf eine Kündigung ohne Abmahnung erfolgen? Wie oft muss der Chef vor einer Kündigung abmahnen? Wie schnell muss ein Fehlverhalten abgemahnt werden? Muss der Arbeitnehmer vorher angehört werden? Wann wird eine Abmahnung entwertet? Mein Chef hat mich abgemahnt - was kann ich tun? Wie lange bleibt eine Abmahnung in der Personalakte? Arbeitsverhältnis beendet: Anspruch auf Entfernung aus Personalakte? Praxistipp zur arbeitsrechtlichen Abmahnung Warum sollte man eine Abmahnung ernst nehmen?
Eine Abmahnung stellt eine Voraussetzung für eine rechtswirksame verhaltensbedingte Kündigung dar. Auf sie kann verzichtet werden, wenn der Verstoß so schwer wiegt, dass der Arbeitgeber sogar fristlos kündigen darf.
Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen will, weil dieser durch sein Verhalten Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt, muss er ihn grundsätzlich vorher abmahnen. Er muss ihn also auf sein Fehlverhalten hinweisen und ihn dazu auffordern, dies zu ändern. Rechtlich ergibt sich dies aus § 314 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
In dieser Vorschrift geht es zwar um die außerordentliche, fristlose Kündigung. Sie ist jedoch auch auf eine ordentliche, befristete Kündigung anwendbar. Der Arbeitgeber wird auch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezwungen, bei einer Kündigung zunächst das mildere Mittel der Abmahnung einzusetzen, bevor er zum härtesten Mittel greift und das Arbeitsverhältnis beendet.
Daher ist die Abmahnung die Vorstufe zur Kündigung durch den Arbeitgeber. Erforderlich ist sie grundsätzlich bei einer fristlosen und bei einer befristeten Kündigung aus Verhaltensgründen. Wenn sie vom Beschäftigten ignoriert wird und dieser sein Fehlverhalten trotzdem fortsetzt, ist der Arbeitsplatz in Gefahr.
Was muss in einer Abmahnung stehen?
Die Abmahnung muss nicht unbedingt schriftlich erfolgen. Dies ist jedoch trotzdem üblich, weil der Arbeitgeber sonst im Kündigungsschutzprozess kaum beweisen kann, dass der Arbeitnehmer abgemahnt wurde und warum. Aus der Abmahnung muss hervorgehen, welches Fehlverhalten dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird. Der oder die Beschäftigte muss schließlich wissen, was er oder sie falsch gemacht hat, um sich bessern zu können. Wenn es zum Beispiel um Verspätungen oder "Krank-Feiern" geht, muss das genaue Datum angegeben werden und bei Verspätungen auch die Zeit, um die sich der Mitarbeiter verspätet hat.
Auch muss dieses Verhalten ausdrücklich gerügt werden. Der Arbeitgeber muss also beispielsweise darauf hinweisen, dass Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt werden.
Die Abmahnung muss auch die Aufforderung enthalten, das betreffende Verhalten künftig zu ändern oder zu unterlassen.
Zuletzt muss aus der Abmahnung eindeutig gesagt werden, was die Folge ist, wenn der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändert: Dass er dann nämlich mit der Kündigung rechnen muss. Fehlen einer Abmahnung diese Bestandteile, ist sie nicht rechtswirksam und kann nicht als Voraussetzung für eine Kündigung dienen.
Weswegen kann eine Abmahnung ausgesprochen werden?
Eine Abmahnung darf der Arbeitgeber nur wegen etwas aussprechen, auf das der Arbeitnehmer willentlich Einfluss nehmen kann. Beispiel: War er unpünktlich, kann er sich zusammenreißen oder einen neuen Wecker kaufen. Es ist seine Entscheidung, ob er gegen ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz verstößt oder das Diensthandy für Privatgespräche nutzt.
Keinen Einfluss hat der Arbeitnehmer darauf, ob er krank wird. Wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kann er deshalb nicht abgemahnt werden. Dagegen kann er aber abgemahnt werden, wenn der Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig krankmeldet oder seine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig einreicht. Dies sind wieder arbeitsvertragliche Pflichten, deren Erfüllung er selbst beeinflussen kann.
Wann darf eine Kündigung ohne Abmahnung erfolgen?
Wenn es um sehr schwere Verfehlungen geht, darf der Chef grundsätzlich auch kündigen, ohne den Arbeitnehmer vorher abzumahnen. Mehr dazu hier:
Fristlose Kündigung durch Arbeitgeber: Was müssen Arbeitnehmer beachten?
Dies gilt besonders bei Straftaten des Arbeitnehmers zulasten des Arbeitgebers, wie etwa Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug, aber auch bei groben Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen. Es gilt auch bei Verhaltensweisen, bei denen der Arbeitnehmer keinesfalls mit der Billigung seines Chefs rechnen durfte - zum Beispiel Tätigkeit für die Konkurrenz oder Verrat von Betriebsgeheimnissen. Es gilt auch in dem unwahrscheinlichen Fall, dass man davon ausgehen kann, dass eine Abmahnung auf gar keinen Fall Erfolg haben wird.
Wenn der Arbeitgeber in diesen Fällen trotzdem eine Abmahnung ausspricht, kann er nicht mehr sofort kündigen. In diesem Fall muss er erst einmal abwarten, ob der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht doch ändert. Fristlos kündigen kann er erst dann, wenn der Arbeitnehmer das nächste Mal gegen den Arbeitsvertrag verstößt – und zwar durch das gleiche Verhalten, auf das sich die Abmahnung bezog.
Eine besondere Rechtslage gibt es bei Bagatelldiebstählen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht davon aus, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern nach Bagatelldiebstählen nicht immer sofort fristlos kündigen dürfen. Insbesondere gilt dies nach einem langjährigen problemlosen Arbeitsverhältnis, wenn der Diebstahl nach einem einmaligen "Ausrutscher" aussieht. Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um den Fall "Emmely", in dem eine Kassiererin zwei Pfandbons im Centbereich hatte mitgehen lassen (Urteil vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09). Auch in solchen Fällen muss also erst einmal eine Abmahnung erfolgen.
Die Beleidigung des Chefs ist in anderem Licht zu sehen, wenn sie vor dem Hintergrund menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen ausgesprochen wird. Muss eine Mitarbeiterin nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage plötzlich in einem verschimmelten Keller zwischen Mäusen bei 11 Grad Celsius Akten sortieren, darf der Chef also auch bei Beleidigungen nicht ohne Abmahnung fristlos kündigen (Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil vom 29.6.2022, Az. 4 Sa 212/13).
Wie oft muss der Chef vor einer Kündigung abmahnen?
Ein verbreiteter Rechtsirrtum ist, dass der Arbeitgeber erst nach der dritten Abmahnung kündigen darf. Tatsächlich hängt die Anzahl der Abmahnungen, die einer Kündigung vorausgehen müssen, von der Schwere des Verstoßes ab. Bei geringfügigen Verstößen wie etwa Verspätungen um wenige Minuten ist es schlicht üblich geworden, vor der Kündigung dreimal abzumahnen. Bei schwereren Verstößen reicht oft eine einzige Abmahnung. Wenn der Arbeitgeber bei einem geringfügigen Verstoß schon nach der ersten Abmahnung kündigt, hat der Arbeitnehmer gute Chancen, die Kündigung vom Arbeitsgericht für unverhältnismäßig und damit für unwirksam erklären zu lassen.
Wie schnell muss ein Fehlverhalten abgemahnt werden?
Die Abmahnung durch den Chef sollte unmittelbar nach dem Fehlverhalten erfolgen – am besten innerhalb von zwei Wochen. Eine gesetzliche Frist gibt es zwar nicht. Der Arbeitgeber hat aber sogar für eine fristlose Kündigung nur eine zweiwöchige Überlegungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB. Der Mitarbeiter muss nach der Abmahnung genug Zeit bekommen, um sein Verhalten zu ändern. Dabei geht man meist von vier Wochen aus.
Muss der Arbeitnehmer vorher angehört werden?
Wenn eine Abmahnung in die Personalakte aufgenommen werden soll, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher anhören. Dieser muss also die Möglichkeit erhalten, seine Sicht der Vorkommnisse darzustellen. Dieses Anhörungsrecht beruht auf § 82 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz. Wurde der Arbeitnehmer nicht angehört, muss die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden.
Wichtig: Die Abmahnung kann auch ohne Anhörung als Vorstufe der Kündigung dienen. Im Prinzip ist sogar eine mündliche Abmahnung wirksam.
Wann wird eine Abmahnung entwertet?
Wird ein Arbeitnehmer zu oft bezüglich eines bestimmten Fehlverhaltens abgemahnt, z.B. wegen Zu-spät-Kommens, kann die Abmahnung entwertet werden. Dann spricht man auch vom Verlust der Warnfunktion, da ja keine Konsequenzen folgen. Zu einer Entwertung kann auch der Zeitfaktor führen: Wenn der Arbeitgeber nach einem Pflichtverstoß zu lange mit der Abmahnung wartet, lässt dies vielleicht den Schluss zu, dass ihm das Thema gar nicht so wichtig ist.
Mein Chef hat mich abgemahnt - was kann ich tun?
Ist die Abmahnung gerechtfertigt, sollte der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten schlicht abstellen. Sieht er sie als nicht gerechtfertigt an, kann er mit Unterstützung des Betriebsrates - sofern vorhanden - an den Arbeitgeber herantreten, damit dieser die Abmahnung zurücknimmt und sie aus der Personalakte entfernt. In der Regel wird dies nicht funktionieren. Dann kann der Arbeitnehmer verlangen, dass eine von ihm selbst verfasste Gegendarstellung mit in die Personalakte aufgenommen wird.
Nicht zuletzt hat er auch die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht auf die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu klagen.
Wie lange bleibt eine Abmahnung in der Personalakte?
Früher gab es die Praxis, dass der Arbeitnehmer nach zwei bis drei Jahren die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen konnte - das Abstellen des abgemahnten Verhaltens durch ihn vorausgesetzt. Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgericht aus dem Jahre 2012 (Az. 2 AZR 782/11) gilt folgendes: Die Entfernung aus der Personalakte kann der Arbeitnehmer nur dann verlangen, wenn der Chef kein berechtigtes Interesse an dem weiteren Verbleib mehr hat.
Arbeitsverhältnis beendet: Anspruch auf Entfernung aus Personalakte?
Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakt nur im bestehenden Arbeitsverhältnis verlangen. Ist dieses beendigt, haben Ex-Mitarbeiter zwar einen Anspruch auf Einsicht in ihre vom Ex-Arbeitgeber weiterhin aufbewahrten Personalakte. Ein Anspruch auf Entfernung einer erteilten Abmahnung aus der Personalakte besteht aber nicht mehr - übrigens auch dann nicht, wenn diese zu Unrecht erteilt wurde.
Ausnahme: Nur in dem Fall, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, die Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden, besteht ein Anspruch auf Entfernung aus der Personalakte (BAG, Urteil vom 19. April 2012, 2 AZR 233/11).
Praxistipp zur arbeitsrechtlichen Abmahnung
Sie wurden von Ihrem Chef abgemahnt? Dann gilt es, sich sehr genau zu überlegen, was nun die besten Schritte (und die eigenen Ziele) sind. Will man den Arbeitsplatz auf Dauer behalten? Eine gerichtliche Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zerstört womöglich das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber. Ob eine Klage sinnvoll ist, muss im Einzelfall sehr genau abgewogen werden. Dies hängt unter anderem von der Schwere der erhobenen Vorwürfe und von Art und Größe des Betriebes ab. Zu empfehlen ist in solchen Fällen eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
(Ma)