Fristlose Kündigung durch Arbeitgeber: Was müssen Arbeitnehmer beachten?

06.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Kündigungsschreiben Eine fristlose Kündigung ist nicht immer wirksam. © Bu - Anwalt-Suchservice

Eine fristlose Kündigung ist ein herber Einschnitt im Arbeitsleben. Dabei kann jedoch der Arbeitgeber einiges falsch machen. Dies kann dem Arbeitnehmer mit Blick auf den Kündigungsschutz helfen.

Eine fristlose Kündigung ist für Arbeitnehmer meist viel problematischer als eine befristete. Immerhin verlieren sie von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz. Darauf kann sich niemand in Ruhe einstellen und entsprechende Schritte auch zur Arbeitssuche einleiten. Daher ist eine fristlose Kündigung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Sie muss vom Arbeitgeber sauber begründet werden. Oft wird dies versäumt: Gerade fristlose Kündigungen geschehen häufig im Zorn über irgendein Vorkommnis oder ein Verhalten des Arbeitnehmers. Daher kommt es dabei immer wieder zu Fehlern, die dem Arbeitnehmer helfen können, sein Arbeitsverhältnis zu retten oder zumindest eine gute Abfindung herauszuhandeln.

Was versteht man unter einer fristlosen Kündigung?


Bei einer fristlosen Kündigung muss der Arbeitgeber keine Kündigungsfrist einhalten. Sie beendet mit sofortiger Wirkung das Arbeitsverhältnis. Ihr Gegenstück ist die ordentliche Kündigung, bei der die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten ist. Eine fristlose Kündigung ist in jedem Fall auch eine außerordentliche Kündigung.

Aber: Umgekehrt muss eine außerordentliche Kündigung nicht unbedingt auch fristlos sein: Es gibt auch außerordentliche Kündigungen mit Frist. So ein Fall ist zum Beispiel gegeben, wenn der Arbeitgeber einem Mitglied des Betriebsrates außerordentlich kündigt, da der Betrieb schließt oder umorganisiert wird. Dann ist eine ordentliche Kündigung nicht möglich, trotzdem wird mit Frist gekündigt.

Wann kann der Arbeitgeber fristlos kündigen?


Für eine fristlose Kündigung benötigt der Arbeitgeber nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen wichtigen Grund. Dies gilt unabhängig davon, ob das Kündigungsschutzgesetz auf den Betrieb anwendbar ist. Mit dem wichtigen Grund ist ein besonders schwerwiegender Umstand gemeint, der es für den Arbeitgeber unzumutbar macht, mit dem Arbeitnehmer noch zusammenzuarbeiten, während die Kündigungsfrist läuft. Gründe für eine fristlose Kündigung liegen oft im Verhalten des Arbeitnehmers. Genauere Infos dazu finden Sie hier:
Arbeitsrecht: Wann ist eine verhaltensbedingte Kündigung zulässig?

All dies führt dazu, dass für die Kündigung auch folgende Voraussetzungen vorliegen müssen:

- Der Arbeitnehmer muss arbeitsvertragliche Pflichten erheblich verletzt haben.
- Auch vor einer fristlosen Kündigung ist grundsätzlich eine Abmahnung nötig. Die Kündigung ist erst möglich, wenn der Arbeitnehmer danach seine Pflichten weiter verletzt.
- Es muss eine Interessenabwägung zwischen den Interessen beider Seiten stattgefunden haben, bei der die Interessen des Chefs an der Kündigung überwiegen.

Wann ist eine Abmahnung entbehrlich?


Vor einer verhaltensbedingten Kündigung ist mindestens eine Abmahnung erforderlich. In manchen Fällen kann die Abmahnung allerdings überflüssig sein. Dies gilt besonders bei schweren Pflichtverstößen wie Diebstahl oder Unterschlagung im Betrieb. Das Bundesarbeitsgericht erlaubt eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung auch bei fortgesetztem und vorsätzlichem Arbeitszeitbetrug (Urteil vom 9.06.2011, Az. 2 AZR 381/10) und das Landesarbeitsgericht Frankfurt beim Verschweigen einer strafrechtlichen Verurteilung (Urteil vom 5.12.2011, Az. 7 Sa 524/11). Es ging dabei um einen Chefarzt und fahrlässige Tötung durch einen Kunstfehler. Außerdem gilt: Lässt ein Mitarbeiter durchblicken, dass er sein Verhalten auf keinen Fall ändern wird, darf der Chef ebenfalls auf eine vorherige Abmahnung verzichten.
Näheres zur Abmahnung erfahren Sie hier:
Arbeitsrecht: Wann darf der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen?

Welche Formalien muss der Arbeitgeber beachten?


Die Kündigung muss in Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift und durch eine dazu berechtigte Person erfolgen. Sie darf also nicht von jemandem unterschrieben worden sein, der solche Entscheidungen im Betrieb nicht treffen darf. Stattfinden darf die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen, gerechnet von dem Zeitpunkt an, zu dem der Chef von den Umständen erfahren hat, die zu der Kündigung führen. Zu einem späteren Zeitpunkt wäre sie unwirksam.

Beispiel: Sicherheitsmann verlässt Posten
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg befasste sich mit dem Fall eines Sicherheitsmannes, der von einem privaten Sicherheitsdienst zur Eingangssicherung an einer Münzprägeanstalt eingesetzt worden war. Er hatte ein Drehkreuz zu bewachen, das über einen Zufallsgenerator unregelmäßig blockiert wurde. Die jeweils blockierte Person musste dann genauer überprüft werden. Eines Tages hatte der Sicherheitsmann sich mit einem Angestellten der Prägeanstalt privat unterhalten wollen. Dazu hatte er den Zufallsgenerator abgestellt. Das Drehkreuz war also offen und er war nicht auf seinem Posten. Von dem Angestellten erhielt er ein Stück Kunststoffrohr für private Bastelarbeiten, das er ohne den vorgeschriebenen Begleitschein mitnahm. Während seiner Abwesenheit verschwand Gold im Wert von 74.000 Euro. Ihm wurde fristlos gekündigt.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Kündigung. Der Wachmann habe den speziell von ihm zu sichernden Bereich für längere Zeit unbeaufsichtigt gelassen. Er habe nicht für eine Vertretung gesorgt. Damit habe er das spezielle Sicherheitsinteresse der Münzprägeanstalt verletzt. Der Sicherheitsdienst sei gerade zur Wahrung dieses Sicherheitsinteresses eingesetzt worden. Obendrein habe er selbst einen Gegenstand unerlaubt mitgenommen, nämlich das Plastikrohr. Seine Aufgabe sei es gerade gewesen, ebensolche Verhaltensweisen zu verhindern. Daher könne es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, den Mann zuerst abzumahnen oder noch die Kündigungsfrist abzuwarten (Urteil vom 9.9.2015, Az. 17 Sa 810/15).

Beispiel: Böller im Dixi-Klo
Vor dem Arbeitsgericht Krefeld ging es vor einigen Jahren um einen außer Kontrolle geratenen "Scherz" auf einer Gerüstbaustelle. Ein 41-jähriger Vorarbeiter hatte in einem Dixi-Klo einen Silvesterböller zu Explosion gebracht, während sich gerade ein Kollege darin befand. Der Vorarbeiter behauptete später, dass er den Böller nur oben an der Tür angebracht habe, dieser sei versehentlich ins Innere gefallen. Der Kollege war jedoch der Ansicht, dass der Böller von oben durch die Lüftung ins Klo gesteckt worden sei. Mit schlimmen Folgen: Der Mann im Dixi-Klo wurde erheblich verletzt. Er erlitt bei der Explosion Verbrennungen am Oberschenkel, im Genitalbereich und an der Leiste und war drei Wochen lang arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber kündigte dem Vorarbeiter fristlos und ohne Abmahnung trotz 15-jähriger Betriebszugehörigkeit. Das Arbeitsgericht bestätigte die Kündigung.

Hier habe unabhängig vom genauen Ablauf ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen stattgefunden. Jeder wisse, dass unsachgemäßer Umgang mit Feuerwerkskörpern erhebliche Verletzungen verursachen könne. Durch die Art des Angriffs habe der Kollege keine Möglichkeit zum Ausweichen oder Reagieren gehabt. Dies reiche für eine fristlose Kündigung aus; eine vorherige Abmahnung sei überflüssig gewesen (Arbeitsgericht Krefeld, Urteil vom 21.12.2012, Az. 2 Ca 2010/12).

Was sind weitere wichtige Kündigungsgründe?


Nach § 626 Abs. 2 BGB dürfen Arbeitnehmer Auskunft über den Kündigungsgrund fordern.

Gerichte haben zum Beispiel in den folgenden Fällen eine fristlose Kündigung für begründet gehalten:

- Beharrliche und unberechtigte Arbeitsverweigerung. Das Verweigern des Befolgens einer einzelnen Anweisung reicht nicht aus. Arbeitnehmer sind nur in äußerst wenigen Fällen berechtigt, einfach die Arbeit zu verweigern. Ein solches Recht besteht nicht bei Mobbing (Urteil vom 22.10.2015, Az. 2 AZR 569/14), einem Streit um Lohnansprüche (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.10.2013, Az. 5 Sa 111/13), oder einem Streit um die Position im Unternehmen (LAG Hamm, Vergleich vom 19.07.2011, Az. 14 Sa 1896/10).

- Die Drohung, sich krank zu melden, wenn man nicht den gewünschten Urlaub erhält (BAG, Urteil vom 12.3.2009, Az. 2 AZR 251/07).

- Eigenmächtiger Urlaubsantritt ohne Beurlaubung (BAG, Urteil vom 21. November 1996, Az. 2 AZR 357/95).

- Sexuelle Belästigung von Kollegen und Mobbing von Untergebenen (BAG, Urteil vom 9.6.2011, Az. 2 AZR 323/10, LAG Thüringen, Urteil vom 15.2.2001, Az. 5 Sa 102/00).

- Arbeitszeitbetrug, etwa durch das Manipulieren der Stempeluhr oder das Beauftragen von Kollegen mit dem Ein- und Ausstempeln (BAG, Urteil vom 24.11.2005, Az. 2 AZR 39/05).

- Beleidigung des Chefs. Allerdings nicht, wenn die Beleidigung lediglich in einem vertraulichen Gespräch mit einer einzigen anderen Person gefallen ist (BAG, Urteil vom 10.10.2002, Az. 2 AZR 418/01).

- Straftaten gegen den Arbeitgeber, etwa Diebstahl. Bei Bagatelldiebstählen ist unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09).

Erfolgreiche fristlose Kündigungen hat es auch schon wegen exzessiver privater Internetnutzung während der Arbeitszeit gegeben, sowie wegen dauernden langen Privatgesprächen am Diensttelefon, gleichzeitiger Arbeit für Konkurrenzunternehmen oder Drogen- und Alkoholkonsum (insbesondere bei LKW-Fahrern).

Was können Arbeitnehmer gegen eine fristlose Kündigung tun?


Wie Sie als Arbeitnehmer gegen eine fristlose Kündigung vorgehen können, erfahren Sie in unserem Rechtstipp zur Kündigungsschutzklage:
Kündigungsschutzklage - Wie wehre ich mich gegen die Kündigung vom Chef?

Praxistipp zur fristlosen Kündigung


Zum Thema "fristlose Kündigung" gibt es sehr viele Urteile der Arbeitsgerichte. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Sie in Ihrem Fall gezielt beraten. Wichtig: Lassen Sie sich nicht zu lange Zeit: Sie müssen eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung erheben.

(Wk)


 Günter Warkowski
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