ArbG Dortmund, Urt. 24.11.2020 - 5 Ca 2057/20

Quarantäneanordnung durch den Arbeitgeber – Wer trägt das Vergütungsrisiko?

Autor: RA FAArbR Jürgen Markowski, Kanzlei Manske & Partner Nürnberg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2021
Schickt ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb einen oder mehrere Arbeitnehmer in Quarantäne, bleibt nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre der Vergütungsanspruch erhalten, § 615 Satz 3 BGB. Dies gilt selbst dann, wenn die Störung nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt.

BGB § 615 Satz 1, § 615 Satz 3, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1

Das Problem

Im Streit steht die durch die beklagte Arbeitgeberin vorgenommene Verrechnung von Positivsalden des Arbeitszeitkontos des klagenden Arbeitnehmers mit Zeiten, in denen dieser aufgrund einer Anordnung der Beklagten der Arbeit ferngeblieben war. Der Kläger hatte vom 11. bis 15.3.2020 Urlaub in Tirol in Österreich verbracht. Nach der Rückkehr teilt er dies nach entsprechender Aufforderung der Beklagten mit. Die Beklagte wies den Kläger am 16.3.2020 an, er solle zwei Wochen in Quarantäne gehen, da Tirol am 13.3.2020 als Risikogebiet eingestuft worden sei. Dieser Aufforderung kam der Kläger nach. Die Arbeitszeit, die durch diese Anordnung ausfiel, zog die Beklagte vom Arbeitszeitkonto des Klägers ab, insgesamt 62 Stunden und 45 Minuten.

Hiergegen wendet sich der Kläger und verlangt mit seiner Klage die Gutschrift der in Abzug gebrachten Stunden. Die Beklagte meint, sie sei zum Abzug berechtigt, da es sich um Ausfallzeiten handele, die auf ein für beide Seiten nicht zu vertretendes Ereignis zurückzuführen seien.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gibt der Klage statt. Der Kläger habe einen Anspruch auf Gutschrift der vom Arbeitszeitskonto abgezogenen 62 Stunden und 45 Minuten für die von der Beklagten angeordnete Quarantäne. Der Anspruch ergebe sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag i.V.m. den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre i.V.m. § 615 Satz 1 u. Satz 3 BGB.

Der Arbeitnehmer könne gem. § 615 Satz 3 BGB die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn die Arbeit ausfalle und der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trage. Gleiches gelte, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb aus Gründen, die in seinem betrieblichen oder wirtschaftlichen Verantwortungsbereich liegen, einschränke oder stilllege (vgl. BAG, Urt. v. 9.7.2008 – 5 AZR 810/07, MDR 2008, 1343 = NZA 2008, 1407 = ArbRB 2008, 329 [Groeger]). Der Arbeitgeber trage nach diesen Grundsätzen das Vergütungsrisiko, wenn er aus eigenem Antrieb einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Schutz der sonstigen Belegschaft in „Quarantäne“ schicke, selbst wenn die Störung nicht aus einer von ihm beeinflussbaren Gefahrensphäre stamme (vgl. BAG, Urt. v. 9.7.2008 – 5 AZR 810/07, MDR 2008, 1343 = ArbRB 2008, 329 [Groeger]). Etwas anderes gelte nur in den Fällen, in denen die Quarantäne durch die zuständige Gesundheitsbehörde angeordnet werde.


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