Arglistige Täuschung beim Autokauf – Rechte des Käufers

31.08.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Gebrauchtwagen,Autokauf,Arglist,Täuschung Nicht jeder Gebrauchtwagen hält, was der Verkäufer verspricht. © Bu - Anwalt-Suchservice

Gerne wird beim Gebrauchtwagenverkauf getrickst – von Händlern und auch von Privatleuten. In einigen Fällen können sich Käufer auch trotz Gewährleistungsausschluss rechtlich zur Wehr setzen.

Beim Kauf eines Gebrauchtwagens kann man auf verschiedene Arten hereingelegt werden. Dies beginnt mit manipulierten Kilometerständen am Tacho und reicht über sorgfältig vertuschte Unfallschäden am angeblich unfallfreien Fahrzeug bis hin zu Montagsautos mit langer Reparaturgeschichte und vielen Mängeln, die als einwandfrei angepriesen werden. Die Gewährleistung wird im Kaufvertrag oft ausgeschlossen. Trotzdem: Autokäufer stehen rechtlich nicht ganz schutzlos dar.

Wann kann man den Kaufvertrag anfechten?


Eine Möglichkeit, aus einem abgeschlossenen Kaufvertrag wieder herauszukommen, besteht darin, diesen anzufechten. Der Vertrag wird dann als nicht geschlossen behandelt. Für eine Anfechtung braucht man einen sogenannten Anfechtungsgrund. Dieser kann in einem Irrtum bestehen, aber auch in einer arglistigen Täuschung. Dies ist in § 123 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Die Anfechtung muss man gegenüber dem Vertragspartner erklären. Wenn ein Autokaufvertrag erfolgreich wegen einer arglistigen Täuschung angefochten wird, gilt der Vertrag nicht mehr. Die beiderseitigen Leistungen sind dann zurückzugeben.

Was ist eine arglistige Täuschung?


Von einer arglistigen Täuschung spricht man, wenn eine Person vorsätzlich bei einer anderen einen Irrtum erzeugt, um diese zu einem Vertragsabschluss zu bewegen. Passieren kann dies etwa durch eine aktiv gegebene falsche Information, aber auch durch das Verschweigen von Angaben, über die eine Aufklärungspflicht bestand.

Beispiele:

- Ein Gebrauchtwagenhändler erklärt, dass das Auto unfallfrei ist. Er weiß jedoch, dass es tatsächlich schon einen Unfall hatte.
- Ein privater Gebrauchtwagenverkäufer versichert, dass das Auto einen neuen Austauschmotor erhalten hat. In Wahrheit hat sein Kumpel einen alten Motor mit unbekannter Laufleistung vom Schrott eingebaut.

Wie funktioniert ein Gewährleistungsausschluss?


Private Verkäufer können beim Verkauf ihres “Gebrauchten” jede Gewährleistung vertraglich ausschließen. Einen derartig weit gehenden Gewährleistungsausschluss dürfen gewerbliche Händler nicht vereinbaren. Eine solche Vertragsklausel wäre unwirksam. Bei Neuwagen müssen gewerbliche Händler ihren Käufern zwei Jahre lang Gewährleistungsrechte für Mängel einräumen. Bei Gebrauchtfahrzeugen können sie die Gewährleistung jedoch auf ein Jahr beschränken. In jedem Fall können die Käufer nur dann Rechte geltend machen, wenn der Mangel des Fahrzeugs schon beim Kauf bestanden hat. Innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf wird dies per Gesetz vermutet und der Händler darf einen Gegenbeweis versuchen. Danach wechselt die Beweislast zum Käufer. Verschleißerscheinungen werden von der Gewährleistung oder Sachmängelhaftung in der Regel nicht erfasst.

Wann greift ein Gewährleistungsausschluss nicht?


Wichtig zu wissen: Wenn ein Autokäufer arglistig über einen für den Vertragsabschluss wesentlichen Punkt getäuscht wird, gilt der vertragliche Gewährleistungsausschluss nicht. Dies geht aus § 444 BGB hervor. Hat der Verkäufer, egal ob er Händler oder Privatperson ist, also den Käufer arglistig über einen Mangel des Fahrzeugs getäuscht, kann dieser die üblichen Gewährleistungsrechte geltend machen – zum Beispiel eine Nachbesserung, eine Minderung des Kaufpreises, einen Rücktritt oder Schadensersatz.
Auch in einem anderen Fall greift ein Gewährleistungsausschluss nicht: Wenn der Verkäufer dem Käufer ausdrücklich eine Garantie für eine bestimmte Beschaffenheit des Autos gegeben hat („mit Spurhalteassistent“, „unfallfrei“). Eine solche Garantie sollte am besten im Kaufvertrag stehen – allein aus Beweisgründen.

Weitere Infos zum Gewährleistungsausschluss finden Sie hier:
Gebrauchtwagenkauf: Können Händler die Gewährleistung ausschließen?

Wirksamer Vertrag trotz falschem Kilometerstand?


In einem vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelten Fall war der Gewährleistungsausschluss wirksam. Hier war der Kilometerstand des verkauften Autos das Problem: Dieser hatte laut Tacho und Kaufvertrag 196.000 km betragen. Nach dem Kauf stellte sich jedoch heraus, dass das Fahrzeug ein Jahr vor dem Verkauf schon 305.225 km auf dem Tacho gehabt hatte.

Das Gericht lehnte hier einen Rücktritt vom Kaufvertrag nach dem Gewährleistungsrecht ab, weil der Vertrag bei der Kilometerangabe die Einschränkung “soweit dem Verkäufer bekannt" mit dem handschriftlichen Zusatz "Gesamtlaufleistung nicht bekannt" aufwies. Auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hielt das Gericht nicht für möglich: Der Kläger konnte dem Verkäufer nicht beweisen, dass dieser ihn über den Kilometerstand tatsächlich täuschen wollte. Eine Arglist erfordert Vorsatz. Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass der Verkäufer selbst durch den Vorbesitzer über den Kilometerstand getäuscht worden war. Dieser trat vor Gericht als Zeuge auf und gab unglaubhafte Geschichten zum Besten, warum der Tacho ausgetauscht worden sei (Urteil vom 11.12.2012, Az. 28 U 80/12).

Muss der Verkäufer über einen neuen Tacho aufklären?


Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln muss ein Verkäufer, der von einem Austausch des Tachos oder einer erheblichen Kilometerdifferenz weiß, dies dem Käufer mitteilen – und zwar von sich aus und ungefragt. Hier ging es um einen 14 Jahre alten Porsche 944. Diesen hatte ein Sportwagenhändler erworben und nach einem Austausch des Motors und des Tachos zuerst als Firmenwagen gefahren. Dann verkaufte der Händler das Fahrzeug weiter, ohne dem Käufer mitzuteilen, dass der Kilometerstand laut Tacho gerade einmal die Hälfte der echten Laufleistung angab. Hier erlaubte das Gericht dem Käufer einen Rücktritt nach den Gewährleistungsregeln. Der im Kaufvertrag enthaltene Gewährleistungsausschluss war laut Gericht wegen der arglistigen Täuschung über den Kilometerstand nach § 444 BGB unwirksam (Urteil vom 13.3.2007, Az. 22 U 170/06).

Unfallfrei! Oder doch nicht?


Ein anderer Autokäufer hatte auf ein Onlineangebot hin bei einem Vertragshändler einen Gebrauchtwagen gekauft. In einem dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Bestellformular hieß es: "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer: KEINE". Später brachte der Käufer das Auto in eine Werkstatt, die ihn auf einen erheblichen und nicht fachgerecht reparierten Unfallschaden hinwies. Wie sich herausstellte, hatte die Reparatur ein anderer Vertragshändler durchgeführt. Der Käufer erklärte die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Schließlich landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof. Dieser erklärte: Ein arglistiges Handeln des Verkäufers liege schon dann vor, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar entscheidend für den Kaufentschluss des anderen sei, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein falsche Angabe mache. So sei es hier gewesen. Daher war die Anfechtung erfolgreich (Urteil vom 7.6.2006, Az. VIII ZR 209/05).

Verjüngungskur und falsche Kilometerangabe im Internet


Ansprüche des Käufers können auch auf falschen Angaben in Internetanzeigen beruhen. So entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf. Es ging dabei um einen gebrauchten VW Lupo, den ein Gebrauchtwagenhändler angeboten hatte. Nach dem Kauf trat ein Getriebeschaden auf. Der Käufer forderte die Reparaturhistorie des Fahrzeugs bei VW an. Danach war es 2008 beim Kilometerstand von 270.858 km in der Werkstatt gewesen. Anfang 2010 hatte es eine weitere Reparatur gegeben, bei einem Kilometerstand von 215.531. Bei einem dritten Werkstattaufenthalt im Herbst 2011 hatte der Tacho des rätselhaft verjüngten Fahrzeugs nur noch eine Laufleistung von 137.907 km angezeigt.

Der erboste Käufer trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück. Dies akzeptierte jedoch der Verkäufer nicht, weil im Kaufvertrag selbst gar nichts zur Kilometerzahl stand. Das Gericht sah allerdings den in der Internetanzeige genannten Kilometerstand von 137.800 km zumindest in diesem konkreten Fall als Beschaffenheitsgarantie an. Auch ohne nachgewiesene arglistige Täuschung durch den Gebrauchtwagenhändler galt daher dessen Gewährleistungsausschluss nicht. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag war möglich (Beschluss vom 15.11.2012, Az. I-3 W 228/12).

Scheckheftgepflegt oder nicht?


In einem anderen Fall befasste sich das Amtsgericht München mit einem privat verkauften Mercedes Sprinter. Der Transporter war online inseriert worden. Der Verkäufer hatte ihn dabei als „scheckheftgepflegt“ angeboten. Im Kaufvertrag stand dazu jedoch nichts. In Wahrheit war das Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt. Der Käufer wollte den Kaufvertrag anfechten, der Verkäufer weigerte sich, da er die Scheckheftpflege nicht zugesichert habe.

Das Gericht entschied zugunsten des Käufers. Nach einer Zeugenaussage hatte in der Online-Anzeige tatsächlich „scheckheftgepflegt“ gestanden. Das Gericht erklärte, dass die Scheckheftpflege ein wesentliches wertbildendes Merkmal sei. Dieses ermögliche bei wahrheitswidrigen Angaben eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung (Urteil vom 10.1.2018, Az. 142 C 10499/17).

Praxistipp


Autokäufer sollten sich von fantasievollen Behauptungen oder Gewährleitungsausschlüssen nicht irritieren lassen. Sie haben bei einer arglistigen Täuschung trotzdem Ansprüche und kommen womöglich aus dem Kaufvertrag wieder heraus. Natürlich ist es dafür wichtig, Beweise zu haben - zum Beispiel darüber, was der Verkäufer gesagt oder in seine Anzeige geschrieben hat. Screenshots des Online-Angebots und Zeugen sind wichtig. Streitigkeiten über KfZ-Kaufverträge sind bei einem im Zivilrecht tätigen Rechtsanwalt am besten aufgehoben.

(Wk)


 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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