Wann haften Ärzte bei einer Schulteroperation?

11.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schulteroperation,Arzthaftung,Behandlungsfehler,Schmerzensgeld Haftet der Arzt bei einer misslungenen Operationen am Schultergelenk? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Fehlerhafte Behandlung: Ein Arzt haftet bei einer Schulteroperation, wenn ihm ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann. Zum Beispiel, wenn er nicht nach anerkannten medizinischen Standards operiert hat.

2. Beweislastumkehr: Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, muss nicht mehr der Patient beweisen, dass der Fehler zu dem gesundheitlichen Schaden geführt hat, sondern der Arzt.

3. Schmerzensgeld: Hat der der behandelnde Arzt an der Schulter fehlerhaft operiert, hat der Patient unter Umständen Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz weiterer Schäden.
Schulterverletzungen können ganz verschiedene Ursachen haben. Dementsprechend gibt es dafür auch viele unterschiedliche Behandlungsmethoden. Allerdings kommt es in diesem Bereich auch leicht zu einer Fehldiagnose oder einer nicht erfolgreichen Behandlung. In einigen Fällen geht es um regelrechte Behandlungsfehler. Die Folgen für betroffene Patienten sind häufig langfristige Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

Welche Rechte habe ich als Patient bei einer misslungenen Schulteroperation?


Wenn Sie nach einer Schulterverletzung operiert worden sind und es dabei zu einem Behandlungsfehler gekommen ist, können Sie einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haben. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist nicht im Gesetz festgelegt, sondern wird von den Gerichten in jedem Fall individuell festgelegt. Sie hängt zum Beispiel davon ab, wie schlimm die Folgen des Behandlungsfehlers sind – etwa Schmerzen, Bewegungseinschränkungen oder zusätzlich nötig gewordene Operationen. In Deutschland werden bei weitem nicht so hohe Schmerzensgelder bezahlt wie etwa in den USA. Vor Gericht müssen oft Gutachten medizinischer Sachverständiger vorgelegt werden, um zu beweisen, dass der Schaden tatsächlich durch den Behandlungsfehler entstanden ist. Beweispflichtig ist im Normalfall der Kläger.

Weitere Infos zur Arzthaftung nach einem Behandlungsfehler finden Sie hier:
Arzthaftung: Wenn Ärzte Behandlungsfehler machen

Was ist ein grober Behandlungsfehler?


Bei Gerichtsprozessen um eine Arzthaftung spielen oft "grobe Behandlungsfehler" eine Rolle. Ob ein solcher grober Behandlungsfehler vorliegt, ist wichtig, denn: In diesem Fall findet eine Umkehr der Beweislast statt. Dann muss nicht mehr der Patient beweisen, dass der Fehler zu dem gesundheitlichen Schaden geführt hat, sondern der Arzt muss beweisen, dass dies nicht der Fall war. Damit steigen die Chancen des Patienten, den Prozess zu gewinnen. Von einem groben Behandlungsfehler spricht man zum Beispiel, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat.

Schulterverletzung: Wann ist eine Arthroskopie zulässig?


Grundsätzlich dürfen Ärzte eine Schulterverletzung mit einer Arthroskopie abklären. Dies ist eine Gelenkspiegelung, also bereits ein Eingriff. Wie jeder Eingriff ist auch die Arthroskopie mit Risiken verbunden. Aber: Nach einer Schulterverletzung kann die Arthroskopie zur Klärung der Ursachen eines – nach der MRT vermeintlich eindeutigen – Einrisses der Sehnen in der Schulter erforderlich sein. Der Patient muss über die Möglichkeit einer konservativen Behandlung (ohne Eingriff, z. B. Medikamente und Salben) nicht aufgeklärt werden, wenn diese aus medizinischer Sicht nicht gleichermaßen erfolgversprechend ist. Dies hat vor einigen Jahren das Oberlandesgericht Hamm entschieden (Urteil vom 21.1.2014, Az. I 26 U 101/12).

Urteil: Schmerzensgeld für fehlerhafte Schulteroperation


Das Oberlandesgericht Hamm sprach in einem anderen Fall einer Patientin, die ihre linke Schulter nach einer fehlerhaft gewählten und fehlerhaft durchgeführten Schulteroperation nicht mehr bewegen konnte, ein Schmerzensgeld zu.

In diesem Fall musste die Schulter der Patientin nach mehreren operativen Eingriffen versteift werden. Offenbar war die Patientin unter Entfernung ihres Schulterdachs fehlerhaft operiert worden. Daher verlangte sie Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Ihre Klage hatte Erfolg: Dem Gericht zufolge war die Patientin im beklagten Krankenhaus von den beiden beklagten Operateuren grob fehlerhaft behandelt worden. Die Ärzte hätten nicht nur bei der Wahl einer offenen Schultergelenkoperation, sondern auch bei deren Durchführung gegen medizinische Standards verstoßen. Vor der Operation sei eine MRT-Untersuchung durchgeführt worden. Dabei seien krankhafte Veränderungen im Schultergelenk erkannt worden. Um diese zu behandeln, sei jedoch höchstens ein arthroskopischer Eingriff zur Entfernung des Schleimbeutels und zur Dekompression der Enge im Schultergelenk der Klägerin medizinisch angezeigt gewesen.

Stattdessen habe man eine offene Schulteroperation vorgenommen, die obendrein auch noch fehlerhaft ausgeführt worden sei. Dabei seien wesentliche Teile des Schulterdachs entfernt worden. Das Schulterdach sei zerstört worden. Deswegen sei eine Versteifung der linken Schulter der Patientin erforderlich gewesen, wodurch ihr linker Arm funktionsunfähig geworden sei. Damit sei den behandelnden Ärzten ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen. Der Patientin wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zugesprochen (Urteil vom 1.7.2014, Az. 26 U 4/13).

Grob fehlerhafte Operation: Anspruch auf Schmerzensgeld


In einem anderen Fall gestand das Oberlandesgericht Hamm einem Kläger nach einer Schulteroperation Schadensersatz und 8.000 Euro Schmerzensgeld zu. Hier war eine Schultergelenksprengung operiert worden. Der operierende Arzt hatte die Bohrung für eine einzubringende Schraube zu nahe am Gelenk gesetzt. Dies hatte er nicht erkannt, weil er auf die hier übliche und gebotene Zwei-Ebenen-Bildgebung während der Operation verzichtete und sich auf seine Erfahrung verließ. Dadurch wurde eine zweite Operation nötig und die Heilung verzögerte sich deutlich. Der vom Gericht befragte Sachverständige bezeichnete den Verzicht auf Bildgebung während dieser OP als "mehr als mutig und reine Selbstüberschätzung". Daher lag hier ein grober Behandlungsfehler vor (OLG Hamm, Urteil vom 18.2.2014, Az. 26 U 152/13).

Wann erkennt die Unfallversicherung eine Schulterverletzung als Unfallfolge an?


Damit eine Unfallversicherung zahlt, muss die Verletzung eine Folge des Unfalls sein. Ob eine Unfallversicherung eine Schulterverletzung als Unfallfolge anerkennt, hängt einerseits vom konkreten Unfallablauf, andererseits aber auch von Vorschäden ab.

Das Sozialgericht Karlsruhe weigerte sich, einer 37-jährigen Stuntfrau die Anerkennung einer Zerrung der Rotatorenmanschette als Unfallfolge anzuerkennen. Die Frau war im Rahmen eines Fortbildungskurses "Tiefschneetechnik" auf ihre rechte Schulter gefallen. Zwei Wochen später ging sie zur MRT. Dabei wurden degenerative Veränderungen aller Rotatorenmanschettensehnen festgestellt; außerdem hatte sie Faserrisse der Supraspinatussehne und unter anderem eine AC-Gelenksarthrose.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass ein direktes Anpralltrauma keine Verletzung der Rotatorenmanschette hervorrufen könne. Die für ein Trauma typischen Verletzungen seien hier nicht feststellbar. Stattdessen seien degenerative Veränderungen festgestellt worden. Durch den Unfall hätten sich hauptsächlich schon vorhandene Schäden manifestiert. Zurückzuführen seien diese auf die sportlichen Aktivitäten der Frau, nämlich Klettern, Kickboxen, Skifahren und Fallschirmspringen, sowie auf ihre beruflichen Tätigkeiten wie Treppen herunterstürzen, Kletterunfälle vorführen oder Skiunfälle fahren. Die Unfallversicherung musste daher in diesem Fall nicht zahlen. (26.2.2019, Az. S 1 U 2389/18).

Behandlung durch mehrere Ärzte – wer haftet für Behandlungsfehler?


Wenn mehrere Ärzte nacheinander eine Schulterverletzung behandeln, wird es bei Behandlungsfehlern oft kompliziert. Eine Faustregel lautet: Die Haftung des Arztes umfasst in der Regel auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes, wenn die Nachbehandlung durch den Fehler des ersten Arztes mitverursacht worden ist (OLG Köln, Beschluss vom 8.10.2012, Az. 5 U 74/12). Voraussetzung ist, dass der Patient sich wegen eines durch den Behandlungsfehler des ersten Arztes hervorgerufenen und von diesem zu verantwortenden schlechten Zustandes überhaupt erst in die Hände weiterer Ärzte begeben musste.

Das OLG Dresden hat sich mit einem Fall befasst, in dem ein Arzt nach einer Schulteroperation eine zusätzliche Röntgenuntersuchung trotz anhaltender Schmerzen des Patienten unterlassen hatte. Das OLG stellte fest: Der operierende Arzt hafte in diesem Fall nicht für weitere Fehler der ambulanten Nachbehandler. Die unterlassene Röntgenkontrolle bewertete das Gericht hier nicht als Behandlungsfehler, da diese auch später noch hätte durchgeführt werden können. Auch sonst seien dem operierenden Arzt keine Behandlungsfehler vorzuwerfen.

Eine weitere interessante Aussage dieses Urteils lautet: Wenn ein Radiologe ein MRT-Bild beurteilen soll und das Operationsverfahren nicht kennt, muss er sich mit dem Krankenhaus in Verbindung setzen, in dem die Operation stattgefunden hat – und nachfragen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich aus dem verwendeten Verfahren Rückschlüsse für seinen Befund ziehen lassen (Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 29.8.2017, Az. 4 U 401/17).

Praxistipp zur Arzthaftung bei Schulteroperationen


Bei Prozessen rund um Arzthaftung und Behandlungsfehler sind oft ausführliche medizinische Gutachten erforderlich. Auch im juristischen Bereich ist Spezialwissen gefragt. Im Ernstfall kann Sie ein Fachanwalt für Medizinrecht am besten beraten.

(Wk)


 Günter Warkowski
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