BAG, Urt. 11.5.2023 - 6 AZR 121/22 (A)
Betriebsübergang in der Luftfahrt – Wet Lease
Autor: Rechtsanwalt & Mediator Dr. Ralf Steffan, Linde Steffan Prehm Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2023
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2023
Die Durchführung einer Wet-Lease-Vereinbarung führt im Regelfall nicht zu einem Betriebsübergang auf den Leasingnehmer. Das Wet-Lease-Geschäft kann beim Leasinggeber einen Betrieb bilden. Endet das Geschäft ohne weitere Übernahmen des Leasingnehmers, findet kein Inhaberwechsel statt. Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs führt nicht zu einem Betriebsübergang.
BGB § 613a Abs. 1; AÜG § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 17 Abs. 1 bis 3
Die von der Schuldnerin eingesetzten Flugzeuge waren geleast (sog. Dry Lease). Die Schuldnerin stellte diese Flugzeuge samt Besatzung, Wartung und Versicherung der Beklagten zu 2. zur Verfügung (sog. Wet Lease). Dazu schlossen die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. einen Leasingvertrag. Aufgrund der Corona-Pandemie beendeten die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. diesen im April 2020 einvernehmlich. Noch im selben Monat gab die Schuldnerin die Flugzeuge an die Dry-Lease-Geber zurück. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit dem am 30.7.2020 zugegangenen Schreiben kündigte er das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.10.2020. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 2. beantragt. Das Arbeitsgericht und das LAG haben die Klage abgewiesen.
Zwar sei es richtig, dass das mit der Beklagten zu 2. vereinbarte Wet Lease bei der Schuldnerin einen Betrieb i.S.d. § 613a BGB darstelle, weil dies das einzige Geschäftsmodell der Schuldnerin gewesen sei. Die Schuldnerin habe mit der Erfüllung ihrer Verpflichtung ggü. der Beklagten zu 2. ihre wirtschaftliche Betätigung (Wet Lease) nicht eingestellt, sondern weiter ausgeübt. Bei der Beendigung des Leasingvertrags im April 2020 mangele es an einer Fortführung des Wet-Leasings-Modells durch die Beklagte zu 2. Es sei damit nicht zu einem Inhaberwechsel gekommen. Einzelne Flugzeuge und Slots seien für sich genommen keine Betriebsteile.
Weiter könne dahinstehen, ob die Durchführung des Wet Lease zur Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs geführt habe, weil dies mangels Inhaberwechsels nicht zu einem Betriebsübergang führe.
Mit der Durchführung des Wet Lease liege auch keine Umgehung von § 613a Abs. 1 BGB vor, da die Parteien lediglich von einer unionsrechtlich anerkannten Gestaltungsmöglichkeit i.S.d. Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1008/2008 Gebrauch gemacht hätten.
Schließlich liege auch keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AÜG vor, da es an der dafür erforderlichen weisungsgebundenen Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation des Beklagten zu 2. fehle.
BGB § 613a Abs. 1; AÜG § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 17 Abs. 1 bis 3
Das Problem
Der Kläger war bei einer Fluggesellschaft als Co-Pilot beschäftigt, über deren Vermögen am 1.7.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Schuldnerin). Mit Schreiben vom 29.7.2020 kündigte der Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1.) das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen Betriebsstilllegung. Dagegen wehrte sich der Kläger mit der Begründung, es läge keine Stilllegung des Betriebs vor; vielmehr sei sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Bei der Beklagten zu 2. handelte es sich ebenso um eine Fluggesellschaft.Die von der Schuldnerin eingesetzten Flugzeuge waren geleast (sog. Dry Lease). Die Schuldnerin stellte diese Flugzeuge samt Besatzung, Wartung und Versicherung der Beklagten zu 2. zur Verfügung (sog. Wet Lease). Dazu schlossen die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. einen Leasingvertrag. Aufgrund der Corona-Pandemie beendeten die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. diesen im April 2020 einvernehmlich. Noch im selben Monat gab die Schuldnerin die Flugzeuge an die Dry-Lease-Geber zurück. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit dem am 30.7.2020 zugegangenen Schreiben kündigte er das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.10.2020. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 2. beantragt. Das Arbeitsgericht und das LAG haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision des Klägers bleibt beim BAG erfolglos. Nach Ansicht des BAG liegt kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a Abs. 1 BGB vor, da es an einem Inhaberwechsel fehlt.Zwar sei es richtig, dass das mit der Beklagten zu 2. vereinbarte Wet Lease bei der Schuldnerin einen Betrieb i.S.d. § 613a BGB darstelle, weil dies das einzige Geschäftsmodell der Schuldnerin gewesen sei. Die Schuldnerin habe mit der Erfüllung ihrer Verpflichtung ggü. der Beklagten zu 2. ihre wirtschaftliche Betätigung (Wet Lease) nicht eingestellt, sondern weiter ausgeübt. Bei der Beendigung des Leasingvertrags im April 2020 mangele es an einer Fortführung des Wet-Leasings-Modells durch die Beklagte zu 2. Es sei damit nicht zu einem Inhaberwechsel gekommen. Einzelne Flugzeuge und Slots seien für sich genommen keine Betriebsteile.
Weiter könne dahinstehen, ob die Durchführung des Wet Lease zur Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs geführt habe, weil dies mangels Inhaberwechsels nicht zu einem Betriebsübergang führe.
Mit der Durchführung des Wet Lease liege auch keine Umgehung von § 613a Abs. 1 BGB vor, da die Parteien lediglich von einer unionsrechtlich anerkannten Gestaltungsmöglichkeit i.S.d. Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1008/2008 Gebrauch gemacht hätten.
Schließlich liege auch keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AÜG vor, da es an der dafür erforderlichen weisungsgebundenen Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation des Beklagten zu 2. fehle.