BAG, Urt. 13.12.2023 - 5 AZR 168/23
Erhöhung einer „zu Abwerbungszwecken“ gezahlten Zulage bei Aufstockung von Teil- auf Vollzeit?
Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel, VAHLE KÜHNEL BECKER FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2024
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2024
Bei einer Verlängerung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG regelt das Gesetz die Anpassung der Vergütung nicht. Diese Anpassung ist grds. durch die Arbeitsvertragsparteien zu vereinbaren. Kommt bei einer Aufstockung auf Vollzeit eine Vereinbarung über die Anpassung der Vergütung nicht zustande, ist der insoweit lückenhaft gewordene Vertrag durch ergänzende Auslegung anzupassen. Bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten ist regelmäßig von einer quotalen Erhöhung der Vergütung entsprechend dem vereinbarten Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit auszugehen.
BGB § 611a Abs. 2; TzBfG § 9
Die Klägerin sollte bei der Beklagten in Teilzeit (50 %) arbeiten, war dazu aber nur bereit, wenn ihr dasselbe Gehalt wie bei ihrer Vorarbeitgeberin gezahlt wird. Die Vergütungsordnung der Beklagten sah ein niedrigeres Gehalt vor, so dass die Beklagte der Klägerin zum Ausgleich mündlich eine Zulage i.H.v. 250,- € brutto monatlich gewährte.
Nachdem die Klägerin ihre Arbeitszeit gem. § 9 TzBfG aufstocken und in Vollzeit arbeiten wollte, war die Beklagte damit zwar einverstanden. Sie weigerte sich aber, die aus ihrer Sicht nur „zu Abwerbungszwecken“ gewährte Zulage entsprechend der Aufstockung der Arbeitszeit um 50 %, also auf 500,- € brutto monatlich, zu erhöhen. Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin.
Bei Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit sei eine Anpassung der Vergütung aber nicht gesetzlich geregelt. § 9 TzBfG enthalte keine alle Arbeitsbedingungen umfassende Anpassungsregelung. Das Gesetz überlasse die Folgen für die Vergütung der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Lediglich Teilzeitbeschäftigte hätten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG einen dem Pro-rata-temporis-Grundsatz entsprechenden Anspruch.
Könnten sich die Parteien bei einer Aufstockung auf Vollzeit über die Anpassung der Vergütung nicht einigen, werde der bisher auf Teilzeit zugeschnittene Arbeitsvertrag insoweit lückenhaft. Diese Lücke müsse im Wege ergänzender Auslegung geschlossen werden. Nach der im Arbeitsleben herrschenden Anschauung und durchweg geübten Praxis, die Höhe der Vergütung am zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung zu bemessen, hätten redliche Vertragspartner zumindest eine dem Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechende Erhöhung der Vergütung vereinbart.
Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden Willen der Parteien lägen im Streitfall nicht vor. Im Gegenteil: Die Beklagte habe eine dem Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechende quotale Erhöhung der Vergütung vorgesehen. Sie habe dabei lediglich verkannt, dass auch die Zulage ein Vergütungsbestandteil sei.
BGB § 611a Abs. 2; TzBfG § 9
Das Problem
Die Parteien streiten über die Höhe einer Zulage nach Aufstockung der Arbeitszeit.Die Klägerin sollte bei der Beklagten in Teilzeit (50 %) arbeiten, war dazu aber nur bereit, wenn ihr dasselbe Gehalt wie bei ihrer Vorarbeitgeberin gezahlt wird. Die Vergütungsordnung der Beklagten sah ein niedrigeres Gehalt vor, so dass die Beklagte der Klägerin zum Ausgleich mündlich eine Zulage i.H.v. 250,- € brutto monatlich gewährte.
Nachdem die Klägerin ihre Arbeitszeit gem. § 9 TzBfG aufstocken und in Vollzeit arbeiten wollte, war die Beklagte damit zwar einverstanden. Sie weigerte sich aber, die aus ihrer Sicht nur „zu Abwerbungszwecken“ gewährte Zulage entsprechend der Aufstockung der Arbeitszeit um 50 %, also auf 500,- € brutto monatlich, zu erhöhen. Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG bejaht einen Anspruch der Klägerin auf Erhöhung der Zulage. Die Zulage sei als Ausgleich der Differenz zu der bei der Vorarbeitgeberin erzielten Vergütung Teil der für die Arbeitsleistung nach § 611a Abs. 2 BGB geschuldeten Vergütung. Hierbei handele es sich um einen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vergütungsbestandteil, der als eine statische übertarifliche Zulage einzuordnen sei. Daran ändere die Etikettierung „zu Abwerbungszwecken“ als reines Motiv nichts.Bei Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit sei eine Anpassung der Vergütung aber nicht gesetzlich geregelt. § 9 TzBfG enthalte keine alle Arbeitsbedingungen umfassende Anpassungsregelung. Das Gesetz überlasse die Folgen für die Vergütung der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Lediglich Teilzeitbeschäftigte hätten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG einen dem Pro-rata-temporis-Grundsatz entsprechenden Anspruch.
Könnten sich die Parteien bei einer Aufstockung auf Vollzeit über die Anpassung der Vergütung nicht einigen, werde der bisher auf Teilzeit zugeschnittene Arbeitsvertrag insoweit lückenhaft. Diese Lücke müsse im Wege ergänzender Auslegung geschlossen werden. Nach der im Arbeitsleben herrschenden Anschauung und durchweg geübten Praxis, die Höhe der Vergütung am zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung zu bemessen, hätten redliche Vertragspartner zumindest eine dem Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechende Erhöhung der Vergütung vereinbart.
Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden Willen der Parteien lägen im Streitfall nicht vor. Im Gegenteil: Die Beklagte habe eine dem Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechende quotale Erhöhung der Vergütung vorgesehen. Sie habe dabei lediglich verkannt, dass auch die Zulage ein Vergütungsbestandteil sei.