BAG, Urt. 15.11.2023 - 10 AZR 288/22

Bonusregelung mit Stichtagsklausel ist in Betriebsvereinbarung unwirksam

Autor: RA FAArbR Dr. Patrick Esser, Seitz Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2024
Der Anspruch auf eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, kann regelmäßig nicht von einer Stichtagsregelung in einer Betriebsvereinbarung abhängig gemacht werden, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Bezugszeitraums voraussetzt. Eine solche Regelung ist unwirksam, weil sie Arbeitnehmern bereits verdiente Vergütung entzieht und ihnen ihr Kündigungsrecht erschwert.

GG Art. 12; BGB § 305 Abs. 1, §§ 305b, 305c Abs. 2, § 306 Abs. 1, §§ 307, 310 Abs. 4 Satz 1, §§ 315, 611a Abs. 2; BetrVG §§ 75, 77 Abs. 3, § 88

Das Problem

Die Parteien streiten über einen Bonusanspruch des Klägers. Dieser war bei der Beklagten bis zum 30.4.2020 beschäftigt. Die Betriebsparteien hatten eine Betriebsvereinbarung über Bonuszahlungen abgeschlossen. Darin heißt es u.a.:

„Mitarbeiter, die auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Angestelltenverhältnis ausscheiden, haben ebenfalls keinen – auch nicht zeitanteiligen – Anspruch auf einen PSP-Bonus.“

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.1.2020 zum 30.4.2020. Einen Bonus für das Fiskaljahr 2019/2020 erhielt er nicht.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Bonus. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das LAG hat der Klage teilweise stattgegeben. Beide Parteien haben Revision eingelegt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG weist die Revision beider Parteien zurück.

Der Kläger hat einen anteiligen Bonusanspruch nach dem Arbeitsvertrag i.V.m. der Betriebsvereinbarung. Der Anspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger aufgrund einer Eigenkündigung noch während des Fiskaljahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.

Zwar steht dem Anspruch die o.g. Regelung in der Betriebsvereinbarung entgegen. Diese Regelung legt der Senat indes als Stichtagsregelung aus, die unwirksam ist. Die Betriebsparteien konnten den Bonusanspruch nicht davon abhängig machen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Fiskaljahres besteht. § 88 BetrVG erlaubt den damit verbundenen Entzug verdienten Arbeitsentgelts und die unangemessene Erschwerung des Kündigungsrechts nicht.

Zwar steht den Betriebsparteien nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes grds. eine umfassende Kompetenz zu, die materiellen und formellen Arbeitsbedingungen zu regeln. Allerdings unterliegt die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien Binnenschranken.

Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet bei Betriebsvereinbarungen keine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB statt. Die Betriebsparteien sind aber nach § 75 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und damit auch verpflichtet, die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte zu wahren. Die Stichtagsregelung steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611a Abs. 2 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer seinen bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Diese gesetzliche Wertung bindet auch die Betriebsparteien.


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