BAG, Urt. 18.1.2023 - 5 AZR 108/22

Schlechtere Vergütung von geringfügig Beschäftigten – Diskriminierung

Autor: RA FAArbR Dr. Norbert Windeln, LL.M., avocado rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2023
Ein sachlicher Grund für eine schlechtere Vergütung von geringfügig gegenüber Vollzeit-Beschäftigten lässt sich aus der besonderen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung geringfügig Beschäftigter nicht ableiten. Die Differenzierungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht verfolgen öffentlich-rechtliche und teilweise auch arbeitsmarktpolitische Zwecke, rechtfertigen aber keine unterschiedlichen Arbeitsbedingungen.

TzBfG § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2

Das Problem

Der Kläger ist bei der Beklagten als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses und zu einem Stundensatz von 12 € brutto tätig. Er zählt bei der Beklagten zur Gruppe der sog. „nebenamtlichen“ Rettungsassistenten. Die Beklagte teilt diese nicht einseitig zu Diensten ein; vielmehr können sie Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte zu entsprechen versucht. Zudem nennt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Schichten, die von diesen dann übernommen werden können.

Neben den nebenamtlichen Rettungsassistenten beschäftigt die Beklagte sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie eine Stundenvergütung von 17 € brutto zahlt und die sie einseitig zu Diensten einteilt.

Die neben- und hauptamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und führen dieselbe Arbeit aus.

Der Kläger sieht in seiner geringeren Vergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG und begehrt für die Vergangenheit die Zahlung der Differenz von 5 € brutto pro Stunde. Die Beklagte hält die Ungleichbehandlung für gerechtfertigt, da sie bei den nebenamtlichen Rettungsassistenten einen höheren Planungsaufwand habe.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht erachtet den Zahlungsanspruch des Klägers als begründet und bestätigt damit die Entscheidung der Vorinstanz.

Die geringere Stundenvergütung des Klägers benachteilige diesen gegenüber den hauptamtlichen Rettungsassistenten, ohne dass diese Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt wäre. Der pauschal behauptete höhere Planungsaufwand bei den nebenamtlichen Rettungsassistenten sei nicht substantiiert dargetan.

Irrelevant sei zudem, dass die Nettostundenvergütung der hauptamtlichen Rettungsassistenten trotz der Bruttodifferenz von 5 € pro Stunde nicht signifikant höher sei als die der geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten.

Die besondere steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung geringfügig Beschäftigter stelle keinen sachlichen Grund für eine geringere Bezahlung dar. Die Gegenleistung für Arbeit bestehe grds. in der Zahlung von Bruttobeträgen durch den Arbeitgeber. Das sei auch bei den geringfügig Beschäftigten so.

Im Ergebnis habe der Kläger daher aus § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung einer Stundenvergütung von 17 € brutto, so dass er für die Vergangenheit die Differenz von 5 € brutto beanspruchen könne.


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