BAG, Urt. 19.2.2019 - 9 AZR 423/16

Rechtsprechungsänderung zum Verfall von Urlaub – Neue Obliegenheiten des Arbeitgebers

Autor: RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2019
§ 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass den Arbeitgeber Mitwirkungsobliegenheiten bei der Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Arbeitnehmer treffen. Auf Vertrauensschutz kann sich der Arbeitgeber nicht berufen.

BAG, Urt. v. 19.2.2019 - 9 AZR 423/16

Vorinstanz: LAG Köln - 4 Sa 1095/15

BUrlG § 7 Abs. 1 u. 3; Richtlinie (RL) 2003/88/EG Art. 7

Das Problem

Der Kläger verlangt von der Beklagten aus einem im Jahr 2015 beendeten Arbeitsverhältnis Urlaubsabgeltung für die Jahre 2012 und 2013. Die Inanspruchnahme des der Abgeltung zugrunde liegenden Urlaubs hatte der Kläger jeweils nicht beantragt. Die Beklagte hatte den Kläger auch nicht darüber informiert, dass er diesen zu nehmen hat. Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BAG wäre in diesem Fall der Urlaub des Klägers am jeweiligen Ende des Kalenderjahres verfallen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG hebt das klageabweisende Urteil des LAG Köln auf und verweist die Sache zur neuen Entscheidung an das LAG zurück. § 7 BUrlG sei richtlinienkonform auszulegen. Maßgeblich sei insoweit Art. 7 RL 2003/88/EG. Danach erlösche der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.

Für die Erfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheiten trage der Arbeitgeber die Beweislast. Dieser sei die Beklagte im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Auf Vertrauensschutz aufgrund jahrelanger gegenteiliger höchstrichterlicher Rechtsprechung könne sich die Beklagte nicht berufen. Maßgeblicher Zeitpunkt für eine richtlinienkonforme Auslegung sei das Inkrafttreten der Richtlinie.


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