BAG, Urt. 1.6.2022 - 5 AZR 28/22
Zulässigkeit der Anordnung von Corona-Tests – Annahmeverzug
Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel,VAHLE KÜHNEL BECKER FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2022
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2022
Der Arbeitgeber kann zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen berechtigt sein, auf Grundlage eines betrieblichen Hygienekonzepts einseitig anzuordnen, dass Beschäftigte sich Corona-Tests unterziehen.
BGB § 618 Abs. 1, § 615 Satz 1, § 297; GewO § 106 Satz 2
Die beklagte Bayerische Staatsoper hatte zu Beginn der Spielzeit 2020/21 zunächst zum Schutz der Mitarbeitenden vor COVID-19 bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen. Nachdem diese für nicht ausreichend erachtet worden sind, hat sie mit wissenschaftlicher Unterstützung ein betriebliches Hygienekonzept entwickelt. Je nach Risikogruppen gab es danach die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen. Die Klägerin als Flötistin hatte sich zu Beginn der Spielzeit und sodann im Abstand von ein bis drei Wochen zu testen. Die Beklagte teilte ihr mit, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne. Der Testung hat sie sich jedoch verweigert. Die Beklagte zahlte ihr daraufhin von Ende August bis Ende Oktober 2020 kein Gehalt. Seit Ende Oktober 2020 legte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht PCR-Testbefunde vor.
Die Klägerin verlangt für die entsprechende Zeit Annahmeverzugslohn, hilfsweise die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens sowie die Beschäftigung ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests.
Vor diesem Hintergrund sei die Weisung zur Durchführung von PCR-Tests nach dem mit wissenschaftlicher Unterstützung erarbeiteten betrieblichen Hygienekonzept vorliegend mit Blick auf die pandemische Lage mit diffusem Ansteckungsgeschehen rechtmäßig gewesen, nachdem zunächst ergriffene Maßnahmen als nicht ausreichend erachtet worden seien. Hierdurch habe der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden sollen. Die auf diesem Konzept beruhende Weisung an die Klägerin habe billigem Ermessen i.S.v. § 106 GewO entsprochen. Der hiermit verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mache die Weisung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt werde.
Vergütungsansprüche der Klägerin wegen Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB) bestünden jedenfalls wegen fehlenden Leistungswillens der Klägerin nicht (vgl. § 297 BGB). Dies gelte auch für Zeiten häuslichen Übens, da diese nur zu vergüten seien, soweit es sich um die tarifvertraglich geregelten Dienste – Proben und Aufführungen – handele, an denen die Klägerin aber nicht teilgenommen habe. Der auf einen Einsatz ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art bezogene Beschäftigungsantrag sei als sog. Globalantrag schon deshalb unbegründet, weil – wie ausgeführt – wirksame Testanordnungen möglich seien.
BGB § 618 Abs. 1, § 615 Satz 1, § 297; GewO § 106 Satz 2
Das Problem
Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs und Beschäftigung sowie als Vorfrage hierzu über eine arbeitgeberseitig angeordnete Verpflichtung, sich auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus testen zu lassen.Die beklagte Bayerische Staatsoper hatte zu Beginn der Spielzeit 2020/21 zunächst zum Schutz der Mitarbeitenden vor COVID-19 bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen. Nachdem diese für nicht ausreichend erachtet worden sind, hat sie mit wissenschaftlicher Unterstützung ein betriebliches Hygienekonzept entwickelt. Je nach Risikogruppen gab es danach die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen. Die Klägerin als Flötistin hatte sich zu Beginn der Spielzeit und sodann im Abstand von ein bis drei Wochen zu testen. Die Beklagte teilte ihr mit, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne. Der Testung hat sie sich jedoch verweigert. Die Beklagte zahlte ihr daraufhin von Ende August bis Ende Oktober 2020 kein Gehalt. Seit Ende Oktober 2020 legte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht PCR-Testbefunde vor.
Die Klägerin verlangt für die entsprechende Zeit Annahmeverzugslohn, hilfsweise die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens sowie die Beschäftigung ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests.
Die Entscheidung des Gerichts
Wie bereits in den Vorinstanzen unterlag die Klägerin auch vor dem BAG. Dieses weist darauf hin, dass Arbeitgeber nach § 618 Abs. 1 BGB ihre Arbeitnehmer bei der Arbeit gegen Gefahren für Leben und Gesundheit – soweit möglich – schützen müssen. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des ArbSchG würden diese Pflichten konkretisieren. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen könne der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen werde im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.Vor diesem Hintergrund sei die Weisung zur Durchführung von PCR-Tests nach dem mit wissenschaftlicher Unterstützung erarbeiteten betrieblichen Hygienekonzept vorliegend mit Blick auf die pandemische Lage mit diffusem Ansteckungsgeschehen rechtmäßig gewesen, nachdem zunächst ergriffene Maßnahmen als nicht ausreichend erachtet worden seien. Hierdurch habe der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden sollen. Die auf diesem Konzept beruhende Weisung an die Klägerin habe billigem Ermessen i.S.v. § 106 GewO entsprochen. Der hiermit verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mache die Weisung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt werde.
Vergütungsansprüche der Klägerin wegen Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB) bestünden jedenfalls wegen fehlenden Leistungswillens der Klägerin nicht (vgl. § 297 BGB). Dies gelte auch für Zeiten häuslichen Übens, da diese nur zu vergüten seien, soweit es sich um die tarifvertraglich geregelten Dienste – Proben und Aufführungen – handele, an denen die Klägerin aber nicht teilgenommen habe. Der auf einen Einsatz ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art bezogene Beschäftigungsantrag sei als sog. Globalantrag schon deshalb unbegründet, weil – wie ausgeführt – wirksame Testanordnungen möglich seien.