BAG, Urt. 20.3.2024 - 5 AZR 234/23
Corona-Infektion – Arbeitsunfähigkeit bei symptomlosem Krankheitsverlauf
Autor: RAin FAinArbR Dr. Cornelia Marquardt, maat Rechtsanwälte, München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2024
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2024
Im Fall einer behördlichen Absonderungsanordnung liegt auch bei einem symptomlosen Krankheitsverlauf einer SARS-CoV-2-Infektion eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, sofern eine Arbeitsleistung im Homeoffice nicht möglich ist.
EFZG § 3 Abs. 1 Satz 1; IfSG § 28 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2, § 56
Der ungeimpfte Kläger wurde am 26.12.2021 positiv auf das Corona-Virus getestet, litt in den Folgetagen unter Erkältungssymptomen und erhielt deshalb für die Zeit bis zum 31.12.2021 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Am 29.12.2021 stellte die zuständige Gemeinde den Kläger durch Bescheid bis zum 12.1.2022 unter häusliche Quarantäne. Von dort war ihm keine Arbeitsleistung möglich. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhielt der Kläger nicht, weil sein Arzt die Arbeitsunfähigkeit durch das Testergebnis und die Absonderungsverfügung als belegt ansah.
Die Beklagte hat daraufhin für den Zeitraum vom 3. bis zum 12.1.2022 die Entgeltfortzahlung verweigert.
Die SARS-CoV-2-Infektion stelle auch ohne Behandlungsbedürftigkeit einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit i.S.v. § 3 Abs. 1 EFZG dar. Diese habe vorliegend zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt, weil der Kläger infolge der Infektion aus rechtlichen Gründen an der Arbeitsleistung gehindert gewesen sei. Eine Absonderungsverfügung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sei einem krankheitsbedingten Beschäftigungsverbot gleichgestellt, weil die Erbringung der Arbeitsleistung insbesondere durch die Bußgeldbewehrung (§ 73 Abs. 1a IfSG) bzw. Strafbarkeit (§ 74 IfSG) bei einer Zuwiderhandlung rechtlich unmöglich werde.
Der Grundsatz der Monokausalität stehe dem Anspruch nicht entgegen. Dieser schließe einen Anspruch nur aus, wenn der betroffene Arbeitnehmer auch ohne die Erkrankung aus anderen Gründen nicht gearbeitet hätte. Da die Absonderungsverfügung eine unmittelbare Folge der Erkrankung sei, komme ihr keine selbstständige Bedeutung zu.
Auch die fehlende Schutzimpfung des Klägers stehe dem Entgeltfortzahlungsanspruch nicht entgegen. Die nicht unerhebliche Zahl von Impfdurchbrüchen zeige, dass die Infektion des Klägers auch durch eine Impfung nicht sicher hätte vermieden werden können. Damit sei deren Unterlassen nicht zwingend ursächlich für die Infektion des Klägers gewesen, so dass es selbst bei Unterstellung eines schuldhaften Handelns des Klägers an dessen Kausalität für die Arbeitsunfähigkeit fehlen würde.
EFZG § 3 Abs. 1 Satz 1; IfSG § 28 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2, § 56
Das Problem
Die Parteien streiten über eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion.Der ungeimpfte Kläger wurde am 26.12.2021 positiv auf das Corona-Virus getestet, litt in den Folgetagen unter Erkältungssymptomen und erhielt deshalb für die Zeit bis zum 31.12.2021 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Am 29.12.2021 stellte die zuständige Gemeinde den Kläger durch Bescheid bis zum 12.1.2022 unter häusliche Quarantäne. Von dort war ihm keine Arbeitsleistung möglich. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhielt der Kläger nicht, weil sein Arzt die Arbeitsunfähigkeit durch das Testergebnis und die Absonderungsverfügung als belegt ansah.
Die Beklagte hat daraufhin für den Zeitraum vom 3. bis zum 12.1.2022 die Entgeltfortzahlung verweigert.
Die Entscheidung des Gerichts
Wie die Vorinstanz bejaht das BAG den Entgeltfortzahlungsanspruch. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum ohne eigenes Verschulden arbeitsunfähig erkrankt gewesen.Die SARS-CoV-2-Infektion stelle auch ohne Behandlungsbedürftigkeit einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit i.S.v. § 3 Abs. 1 EFZG dar. Diese habe vorliegend zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt, weil der Kläger infolge der Infektion aus rechtlichen Gründen an der Arbeitsleistung gehindert gewesen sei. Eine Absonderungsverfügung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sei einem krankheitsbedingten Beschäftigungsverbot gleichgestellt, weil die Erbringung der Arbeitsleistung insbesondere durch die Bußgeldbewehrung (§ 73 Abs. 1a IfSG) bzw. Strafbarkeit (§ 74 IfSG) bei einer Zuwiderhandlung rechtlich unmöglich werde.
Der Grundsatz der Monokausalität stehe dem Anspruch nicht entgegen. Dieser schließe einen Anspruch nur aus, wenn der betroffene Arbeitnehmer auch ohne die Erkrankung aus anderen Gründen nicht gearbeitet hätte. Da die Absonderungsverfügung eine unmittelbare Folge der Erkrankung sei, komme ihr keine selbstständige Bedeutung zu.
Auch die fehlende Schutzimpfung des Klägers stehe dem Entgeltfortzahlungsanspruch nicht entgegen. Die nicht unerhebliche Zahl von Impfdurchbrüchen zeige, dass die Infektion des Klägers auch durch eine Impfung nicht sicher hätte vermieden werden können. Damit sei deren Unterlassen nicht zwingend ursächlich für die Infektion des Klägers gewesen, so dass es selbst bei Unterstellung eines schuldhaften Handelns des Klägers an dessen Kausalität für die Arbeitsunfähigkeit fehlen würde.