BAG, Urt. 20.5.2021 - 2 AZR 457/20

Prozessbeschäftigung kein eigenständiges Arbeitsverhältnis – Kündigung wegen Selbstbeurlaubung

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Raststatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2021
Die vereinbarte vorläufige Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses während der Dauer der Kündigungsschutzklage als Prozessarbeitsverhältnis führt zu keinem separaten Arbeitsverhältnis.Während eines auflösend bedingt als Prozessbeschäftigung fortgesetzten Arbeitsverhältnisses gelten dieselben Rechte und Pflichten wie im gekündigten Arbeitsverhältnis. Eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung des Arbeitnehmers während der Prozessbeschäftigung kann daher einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen.

BGB §§ 133, 273, 275, 293 ff., 305 ff., § 611a Abs. 1, § 626; BUrlG § 7; TzBfG §§ 14, 15, 21

Das Problem

Der beklagte Arbeitgeber hat dem klagenden Arbeitnehmer gekündigt. Im erstinstanzlichen Verfahren der Kündigungsschutzklage vereinbaren die Parteien schriftlich ein „vertragliches Prozessarbeitsverhältnis“ und regeln u.a. Folgendes:

Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen im Arbeitsvertrag vom 14.7.20214 geregelten Bedingungen als Prozessmanager in D ab dem 5.9.2018 an.

Daneben vereinbaren die Parteien die Annahme dieses Angebots sowie eine doppelte Schriftformklausel.

Nachdem während der Prozessbeschäftigung die Arbeitsunfähigkeit des Klägers geendet hat, fordert die Beklagte den Kläger am Freitag, den 22.3.2019 zur Arbeitsaufnahme am Montag, den 25.3.2019 auf. Daraufhin beantragt der Kläger am 22.3.2019 um 23.17 Uhr bei der Beklagten Erholungsurlaub für die Zeit vom 25.3.2019 bis zum 25.4.2019 und bittet um schriftliche Genehmigung bzw. bei Ablehnung um Nennung der Gründe auf demselben Wege. Er bleibt ab 25.3.2019 der Arbeit fern.

Am 4.4.2019 kündigt die Beklagte „den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag“ außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Der Kläger wendet im Rahmen der von ihm veranlassten Klagerweiterung ein, die Beklagte habe allein ein separates Prozessarbeitsverhältnis gekündigt. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG erachtet die gegen die außerordentliche fristlose Kündigung gerichtete Klage als unbegründet.

Durch die Vereinbarung des Prozessarbeitsverhältnisses sei das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien – ungeachtet der vorangegangenen Kündigung – auflösend bedingt rechtswirksam fortgesetzt worden. Die Abrede sei schon durch die Überschrift als „vertragliches Prozessarbeitsverhältnis“ und das darin enthaltene Angebot sowie dessen Annahme durch den Kläger wirksam zustande gekommen. Auch das qualifizierte Schriftformerfordernis sowie die salvatorische Klausel ließen erkennen, dass die Beklagte hier nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung eine vorläufige Weiterbeschäftigung angestrebt habe; vielmehr habe sie eindeutig eine auflösend bedingte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen bis zur rechtskräftigen Abweisung der Klage vereinbaren wollen.

In einem solchen Prozessbeschäftigungsverhältnis gelten dieselben Recht und Pflichten wie im gekündigten, aber noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis. Daher könne der Kläger nicht kurzfristig Erholungsurlaub beantragen, den der Arbeitgeber nicht mehr angemessen prüfen könne, und dann einfach der Arbeit fernbleiben. Dies stelle eine Selbstbeurlaubung dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertige.


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