BAG, Urt. 20.7.2023 - 6 AZR 228/22
Betriebsübergang und Kündigungsschutz beim GmbH-Geschäftsführer
Autor: RA FAArbR Prof. Dr. Stefan Lunk, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 12/2023
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 12/2023
Für die Dauer der Bestellung haben GmbH-Geschäftsführer regelmäßig keinen Kündigungsschutz. Sind sie auf Basis eines Arbeitsvertrags tätig, ändert dies im Regelfall nichts. Sie können dann aber an einem Betriebsübergang teilnehmen.
BGB §§ 611a, 613a; GmbHG § 38 Abs. 1; KSchG §§ 1, 14 Abs. 1; RL 2001/23/EG
Der Kläger war Arbeitnehmer einer GmbH, bis er im Jahre 2013 zu deren Geschäftsführer bestellt wurde. Einen gesonderten Geschäftsführer-Dienstvertrag schlossen die Parteien nicht. 2017 vereinbarte er mit der Gesellschaft eine „Änderung zum Arbeitsvertrag“ und dabei u.a. geänderte Arbeitszeiten. Ende 2019 erbrachte die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene GmbH Dienstleistungen auch für andere Konzerngesellschaften, u.a. die spätere Beklagte zu 2.
Am 15.1.2020 wurde das Insolvenzverfahren über die GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis am gleichen Tag. Nachdem die Kündigung dem Kläger am Folgetag zugegangen war, legte er sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder. Sodann erhob er beim Arbeitsgericht Klage mit dem Antrag festzustellen, sein Arbeitsverhältnis mit der GmbH sei durch die Kündigung nicht aufgelöst. Zudem sei das Arbeitsverhältnis mit der GmbH auf die Beklagte zu 2 übergegangen.
Zunächst verneint er das Bestehen eines materiellen Kündigungsschutzes für den Kläger. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelte der erste Abschnitt des KSchG nicht für Organmitglieder. Der Kläger habe erst nach Zugang der Kündigung sein Amt niedergelegt. An dem fehlenden Kündigungsschutz ändere das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nichts. Die Parteien hätten es zwar nicht formwirksam gem. § 623 BGB aufgehoben und ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet. Diese Rechtsformwahl sei bindend. Die Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelte aber unabhängig davon, ob das zugrunde liegende Vertragsverhältnis ein Arbeits- oder ein Dienstvertrag sei. Unionsrechtliche Gesichtspunkte rechtfertigen kein anderes Ergebnis, weil der im ersten Abschnitt des KSchG geregelte Schutz nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle.
Das LAG habe allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger fiele als Geschäftsführer nicht unter den Anwendungsbereich des § 613a BGB. Der Senat hält dem entgegen, der Kläger sei zum Zeitpunkt des behaupteten Betriebsübergangs Arbeitnehmer gewesen, was auch das LAG so gesehen habe. Da § 613a BGB im Gegensatz zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Ausschlusstatbestand für Organe enthalte, hätte das LAG sich mit der Frage eines Betriebsübergangs und des Kündigungsschutzes aus § 613a Abs. 4 BGB befassen müssen.
BGB §§ 611a, 613a; GmbHG § 38 Abs. 1; KSchG §§ 1, 14 Abs. 1; RL 2001/23/EG
Das Problem
Die Parteien streiten über Kündigungsschutz und die Teilhabe eines GmbH-Geschäftsführers an einem Betriebsübergang.Der Kläger war Arbeitnehmer einer GmbH, bis er im Jahre 2013 zu deren Geschäftsführer bestellt wurde. Einen gesonderten Geschäftsführer-Dienstvertrag schlossen die Parteien nicht. 2017 vereinbarte er mit der Gesellschaft eine „Änderung zum Arbeitsvertrag“ und dabei u.a. geänderte Arbeitszeiten. Ende 2019 erbrachte die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene GmbH Dienstleistungen auch für andere Konzerngesellschaften, u.a. die spätere Beklagte zu 2.
Am 15.1.2020 wurde das Insolvenzverfahren über die GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis am gleichen Tag. Nachdem die Kündigung dem Kläger am Folgetag zugegangen war, legte er sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder. Sodann erhob er beim Arbeitsgericht Klage mit dem Antrag festzustellen, sein Arbeitsverhältnis mit der GmbH sei durch die Kündigung nicht aufgelöst. Zudem sei das Arbeitsverhältnis mit der GmbH auf die Beklagte zu 2 übergegangen.
Die Entscheidung des Gerichts
Der Senat verweist den Rechtsstreit an das LAG Hamm zurück.Zunächst verneint er das Bestehen eines materiellen Kündigungsschutzes für den Kläger. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelte der erste Abschnitt des KSchG nicht für Organmitglieder. Der Kläger habe erst nach Zugang der Kündigung sein Amt niedergelegt. An dem fehlenden Kündigungsschutz ändere das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nichts. Die Parteien hätten es zwar nicht formwirksam gem. § 623 BGB aufgehoben und ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet. Diese Rechtsformwahl sei bindend. Die Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelte aber unabhängig davon, ob das zugrunde liegende Vertragsverhältnis ein Arbeits- oder ein Dienstvertrag sei. Unionsrechtliche Gesichtspunkte rechtfertigen kein anderes Ergebnis, weil der im ersten Abschnitt des KSchG geregelte Schutz nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle.
Das LAG habe allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger fiele als Geschäftsführer nicht unter den Anwendungsbereich des § 613a BGB. Der Senat hält dem entgegen, der Kläger sei zum Zeitpunkt des behaupteten Betriebsübergangs Arbeitnehmer gewesen, was auch das LAG so gesehen habe. Da § 613a BGB im Gegensatz zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Ausschlusstatbestand für Organe enthalte, hätte das LAG sich mit der Frage eines Betriebsübergangs und des Kündigungsschutzes aus § 613a Abs. 4 BGB befassen müssen.