BAG, Urt. 21.3.2024 - 2 AZR 79/23
Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang – Widerspruch des Arbeitnehmers
Autor: RA FAArbR Dr. Patrick Esser, Seitz Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2024
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2024
1. Ein Arbeitsverhältnis wird nur von einem Betriebs(teil)übergang i.S.v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst, wenn der Arbeitnehmer zuvor individual- und ggf. kollektivrechtlich wirksam der dann übergehenden wirtschaftlichen Einheit zugeordnet wurde.2. Fehler bei der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer, ob sie einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, regelmäßig ohne Belang sind, führen nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen beginnt.
RL 23/2001/EG Art. 1, Art. 8; BGB §§ 242, 613a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 u. Abs. 6 Satz 1; GewO § 106
Die Beklagte und die Erwerberin vereinbarten die Übernahme eines Betriebsteils. Im Juli 2019 informierte die Beklagte den Kläger über den geplanten Betriebsübergang zum 30.8.2019 und unmittelbar anschließend über seine Versetzung in die übergehende betriebliche Einheit. Im August 2019 teilte der Kläger mit, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt nachkomme und die Wirksamkeit gerichtlich überprüfen lasse. Im November 2020 erhob er Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger wendet sich gegen die Versetzung und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses und macht geltend, mit der Beklagten bestehe weiterhin ein Arbeitsverhältnis. Mangels übergangsfähiger wirtschaftlicher Einheit liege kein Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB vor. Jedenfalls sei sein Arbeitsverhältnis nicht der übergegangenen Einheit zugeordnet gewesen, da die Versetzung rechtswidrig gewesen sei. Schließlich sei das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft gewesen, so dass er einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auch noch im November 2020 habe widersprechen können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit liegt nach dem Urteil des BAG jedenfalls vor. Das Recht des Klägers, sich auf eine Unwirksamkeit der Versetzung zu berufen, ist auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Es fehlt bereits an dem erforderlichen Zeitmoment. Der Kläger hat weniger als einen Monat nach der Versetzungsanordnung mitgeteilt, dass er sich gegen eine Versetzung wehrt und dieser nur unter Vorbehalt nachkommt. Zudem liegt kein Umstandsmoment für eine Verwirkung vor, jedenfalls fehlt es an einem widersprüchlichen Verhalten des Klägers.
Die individual- und kollektivrechtlich wirksame Zuordnung war vorliegend auch entscheidend, weil der Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB verspätet war.
An den Inhalt der die Widerspruchsfrist auslösenden Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs dürfen keine im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Etwaige Fehler, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer, ob sie einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, regelmäßig ohne Belang sind, führen nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt. Es fehlt dann jedenfalls an der Ursächlichkeit eines etwaigen Unterrichtungsmangels.
RL 23/2001/EG Art. 1, Art. 8; BGB §§ 242, 613a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 u. Abs. 6 Satz 1; GewO § 106
Das Problem
Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.Die Beklagte und die Erwerberin vereinbarten die Übernahme eines Betriebsteils. Im Juli 2019 informierte die Beklagte den Kläger über den geplanten Betriebsübergang zum 30.8.2019 und unmittelbar anschließend über seine Versetzung in die übergehende betriebliche Einheit. Im August 2019 teilte der Kläger mit, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt nachkomme und die Wirksamkeit gerichtlich überprüfen lasse. Im November 2020 erhob er Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger wendet sich gegen die Versetzung und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses und macht geltend, mit der Beklagten bestehe weiterhin ein Arbeitsverhältnis. Mangels übergangsfähiger wirtschaftlicher Einheit liege kein Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB vor. Jedenfalls sei sein Arbeitsverhältnis nicht der übergegangenen Einheit zugeordnet gewesen, da die Versetzung rechtswidrig gewesen sei. Schließlich sei das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft gewesen, so dass er einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auch noch im November 2020 habe widersprechen können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG hebt das Urteil des LAG auf und verweist die Sache zurück. Das BAG konnte mangels entsprechender Feststellungen nicht überprüfen, ob die Beklagte den Kläger wirksam in die übergehende Einheit versetzt und zugeordnet hat.Eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit liegt nach dem Urteil des BAG jedenfalls vor. Das Recht des Klägers, sich auf eine Unwirksamkeit der Versetzung zu berufen, ist auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Es fehlt bereits an dem erforderlichen Zeitmoment. Der Kläger hat weniger als einen Monat nach der Versetzungsanordnung mitgeteilt, dass er sich gegen eine Versetzung wehrt und dieser nur unter Vorbehalt nachkommt. Zudem liegt kein Umstandsmoment für eine Verwirkung vor, jedenfalls fehlt es an einem widersprüchlichen Verhalten des Klägers.
Die individual- und kollektivrechtlich wirksame Zuordnung war vorliegend auch entscheidend, weil der Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB verspätet war.
An den Inhalt der die Widerspruchsfrist auslösenden Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs dürfen keine im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Etwaige Fehler, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer, ob sie einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, regelmäßig ohne Belang sind, führen nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt. Es fehlt dann jedenfalls an der Ursächlichkeit eines etwaigen Unterrichtungsmangels.