BAG, Urt. 23.4.2024 - 5 AZR 212/23

Vergütung für Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten

Autor: RA FAArbR Dr. Patrick Esser, Seitz Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2024
Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.

BGB § 611a Abs. 1, Abs. 2; ZPO § 287 Abs. 1, Abs. 2, § 357 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten über Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten.

Der Kläger arbeitet als Containermechaniker bei der Beklagten. Für seine Tätigkeit zieht der Kläger im Betrieb die von der Beklagten gestellte Arbeitskleidung an. Nach der Arbeit begibt er sich zurück zum Umkleideraum und wäscht oder duscht sich. Die verunreinigte Arbeitskleidung lässt er auf Anweisung der Beklagten im Betrieb zur Reinigung. Jeweils nach dem Umziehen gibt der Kläger am Zeiterfassungsterminal die von der Beklagten bestimmten Zeiten des Schichtbeginns bzw. -endes ein.

Mit seiner Klage macht der Kläger Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und innerbetriebliche Wegezeiten geltend, welche nicht von der Schichtzeit umfasst sind. Die Beklagte ist der Ansicht, die vom Kläger geltend gemachten Zeiten seien keine vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Die Vorinstanzen haben der Klage jeweils teilweise stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG gibt der Revision der Beklagten im Hinblick auf die Umkleide- und Duschzeiten aufgrund nicht ausreichender Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz statt und verweist die Sache zurück; im Hinblick auf die Wegezeiten weist es die Revision zurück.

Das BAG führt darüber hinaus aus: Zur Arbeitsleistung i.S.v. § 611a Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.

Das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und der damit verbundene Zeitaufwand (innerbetriebliche Umkleidezeiten) beruhen hier auf einer entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung. Dieses Umkleiden ist dann ausschließlich fremdnützig und die dafür erforderlichen Zeiten sind zu vergüten.

Auch die innerbetriebliche Wegezeit vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück ist Teil der geschuldeten vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Der Kläger hat nicht die Möglichkeit, die Arbeitskleidung am Arbeitsplatz an- und abzulegen, sondern er muss dafür den räumlich getrennten Umkleideraum aufsuchen.

Gemäß § 611a Abs. 2 BGB können auch Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sein, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann. Allerdings dient das Waschen, das erforderlich ist, um die übliche Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, der Befriedigung privater Bedürfnisse. Dies ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig.

Aufgrund der Vielzahl der Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen ist jeweils anhand des konkreten Einzelfalls zu prüfen, welche Art der Körperreinigung erforderlich ist und mit der eigentlichen Tätigkeit und der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Maßstab ist dabei nicht das subjektive Empfinden des einzelnen Arbeitnehmers, sondern die objektivierte Sicht eines verständigen Arbeitnehmers.


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