BAG, Urt. 23.8.2018 - 2 AZR 133/18
Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Löschung von Videoaufnahmen – Kein Verwertungsverbot
Autor: RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, Loschelder Rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2018
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2018
Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist.
BAG, Urt. v. 23.8.2018 - 2 AZR 133/18
Vorinstanz: LAG Hamm - 2 Sa 192/17
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; BDSG a.F. §§ 6b, 32 Abs. 1 Satz 1; BDSG ab 25.5.2018 §§ 4, 26 Abs. 1 Satz 1
Im dritten Quartal 2016 wurde ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Daraufhin wertete der Arbeitgeber ab dem 1.8.2016 das in der Filiale installierte Videogerät aus. Dabei zeigte sich, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 für Tabakwarenverkauf vereinnahmtes Geld in die Lottokasse und nicht in die Registrierkasse gelegt und dann diese Lottokasse aus dem Sichtbereich des Videogeräts verbracht hatte, sofort wiedergekommen sei und die Kasse mit der anderen Hand zurückgelegt hatte.
Nachdem die Klägerin dazu angehört worden war, hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos gekündigt. Der Kündigungsschutzklage hatte das LAG stattgegeben, weil die im August 2016 erfolgte Auswertung der Videoaufzeichnungen vom 3./4.2.2016 gegen das Verbot der unverzüglichen Löschung des § 6b Abs. 5 BDSG a.F. verstoßen habe. Allein dies begründe ein Beweisverwertungsverbot.
Allerdings müsse das LAG nunmehr prüfen, ob die Datenerhebung und -verarbeitung ursprünglich nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. zulässig gewesen sei und dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt habe.
BAG, Urt. v. 23.8.2018 - 2 AZR 133/18
Vorinstanz: LAG Hamm - 2 Sa 192/17
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; BDSG a.F. §§ 6b, 32 Abs. 1 Satz 1; BDSG ab 25.5.2018 §§ 4, 26 Abs. 1 Satz 1
Das Problem
Die Klägerin war in einem von dem Beklagten betriebenen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig gewesen. Dort hatte der Beklagte spätestens im Februar 2016 eine offene Videoüberwachung installiert, um Straftaten von Kunden und Arbeitnehmern zu verhindern.Im dritten Quartal 2016 wurde ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Daraufhin wertete der Arbeitgeber ab dem 1.8.2016 das in der Filiale installierte Videogerät aus. Dabei zeigte sich, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 für Tabakwarenverkauf vereinnahmtes Geld in die Lottokasse und nicht in die Registrierkasse gelegt und dann diese Lottokasse aus dem Sichtbereich des Videogeräts verbracht hatte, sofort wiedergekommen sei und die Kasse mit der anderen Hand zurückgelegt hatte.
Nachdem die Klägerin dazu angehört worden war, hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos gekündigt. Der Kündigungsschutzklage hatte das LAG stattgegeben, weil die im August 2016 erfolgte Auswertung der Videoaufzeichnungen vom 3./4.2.2016 gegen das Verbot der unverzüglichen Löschung des § 6b Abs. 5 BDSG a.F. verstoßen habe. Allein dies begründe ein Beweisverwertungsverbot.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG hebt die Entscheidung des LAG auf und verweist zur weiteren Sachaufklärung zurück. Der Arbeitgeber habe das Bildmaterial nicht sofort auswerten müssen, sondern habe damit so lange warten dürfen, bis er dafür einen berechtigten Anlass gesehen habe. Allein der Verstoß gegen § 6b Abs. 5 BDSG, wonach die Daten einer offenen Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen unverzüglich zu löschen seien, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich seien, führe nicht zu einem Verwertungsverbot.Allerdings müsse das LAG nunmehr prüfen, ob die Datenerhebung und -verarbeitung ursprünglich nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. zulässig gewesen sei und dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt habe.