BAG, Urt. 23.8.2018 - 2 AZR 235/18
Außerordentliche Kündigung wegen des Sammelns von Pfandflaschen entgegen einer Weisung des Arbeitgebers
Autor: Rechtsanwalt & Mediator Dr. Ralf Steffan, Holthausen Maaß Steffan, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2019
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2019
Eine beharrliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kommt als ein die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigender Grund in Betracht. Es kommt nicht darauf an, ob dem Arbeitgeber durch das Verhalten des Arbeitnehmers ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung ist deren strafrechtliche Bewertung nicht maßgeblich.
BAG, Urt. v. 23.8.2018 - 2 AZR 235/18
Vorinstanz: Hessisches LAG - 8 Sa 334/17
BGB § 315, § 626; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 102 Abs. 1 Satz 3; GewO § 106
Nachdem die Klägerin in den letzten Jahren drei Mal wegen des wiederholten Sammelns von Pfandflaschen abgemahnt worden war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich, weil erneut Pfandflaschen bei ihr gefunden worden waren. Die Klägerin ist u.a. der Ansicht, die Regelungen über das Sammeln von Pfandflaschen sei mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam.
Die Weisung der Beklagten, Pfandflaschen weder aus den Mülleimern zu entnehmen noch herumstehende Flaschen für eigene Zwecke einzusammeln, sei nach § 106 Abs. 1 GewO jedenfalls insoweit wirksam, als dass sie sich auf das Verhalten während der Arbeitszeit bezogen habe. Die Weisung sei auch nicht aufgrund fehlender Mitbestimmung des Betriebsrats unwirksam gewesen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe jedenfalls insoweit nicht bestanden, als dass das Verbot das Verhalten der Klägerin während der Arbeitszeit betroffen habe, weil es sich dabei um das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten gehandelt habe.
Auch die notwendige Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes führt nach Ansicht des Gerichts zu keiner anderen Entscheidung. Die Erkenntnis des LAG, dass der Beklagten kein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung zur Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses zumutbar gewesen sei, habe die beiderseitigen Interessen vertretbar berücksichtigt. Dass möglicherweise weder der Beklagten noch ihrer Auftraggeberin ein Schaden entstanden sei, müsse sich nicht zugunsten der Klägerin auswirken, weil es bei der kündigungsrechtlichen Beurteilung des Pflichtverstoßes nicht auf die strafrechtliche Beurteilung ankomme.
BAG, Urt. v. 23.8.2018 - 2 AZR 235/18
Vorinstanz: Hessisches LAG - 8 Sa 334/17
BGB § 315, § 626; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 102 Abs. 1 Satz 3; GewO § 106
Das Problem
Die Klägerin war bei dem beklagten Reinigungsunternehmen seit über 25 Jahren als Reinigungskraft beschäftigt und wurde in einem Flughafengebäude eingesetzt. Bereits 2011 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien gekündigt, weil die Klägerin verbotswidrig Pfandflaschen gesammelt hatte. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs hatten sich die Parteien auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geeinigt, wobei der Vergleichstext einen Hinweis enthalten hatte, wonach es verboten sei, Pfandflaschen zu sammeln und eigennützig zu verwerten. Außerdem war das Verbot, Pfandflaschen zu sammeln, in einem Informationsblatt der Beklagten für ihre Mitarbeiter enthalten.Nachdem die Klägerin in den letzten Jahren drei Mal wegen des wiederholten Sammelns von Pfandflaschen abgemahnt worden war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich, weil erneut Pfandflaschen bei ihr gefunden worden waren. Die Klägerin ist u.a. der Ansicht, die Regelungen über das Sammeln von Pfandflaschen sei mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG weist die Klage wie die Vorinstanzen ab. Dabei stellt das Gericht zunächst fest, das Verhalten der Klägerin sei „an sich” geeignet gewesen, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Mit dem beharrlichen Sammeln von Pfandflaschen entgegen der Weisung der Arbeitgeberin habe die Klägerin in schwerwiegender Form arbeitsvertragliche Pflichten verletzt.Die Weisung der Beklagten, Pfandflaschen weder aus den Mülleimern zu entnehmen noch herumstehende Flaschen für eigene Zwecke einzusammeln, sei nach § 106 Abs. 1 GewO jedenfalls insoweit wirksam, als dass sie sich auf das Verhalten während der Arbeitszeit bezogen habe. Die Weisung sei auch nicht aufgrund fehlender Mitbestimmung des Betriebsrats unwirksam gewesen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe jedenfalls insoweit nicht bestanden, als dass das Verbot das Verhalten der Klägerin während der Arbeitszeit betroffen habe, weil es sich dabei um das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten gehandelt habe.
Auch die notwendige Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes führt nach Ansicht des Gerichts zu keiner anderen Entscheidung. Die Erkenntnis des LAG, dass der Beklagten kein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung zur Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses zumutbar gewesen sei, habe die beiderseitigen Interessen vertretbar berücksichtigt. Dass möglicherweise weder der Beklagten noch ihrer Auftraggeberin ein Schaden entstanden sei, müsse sich nicht zugunsten der Klägerin auswirken, weil es bei der kündigungsrechtlichen Beurteilung des Pflichtverstoßes nicht auf die strafrechtliche Beurteilung ankomme.