BAG, Urt. 24.8.2023 - 2 AZR 17/23
Fristlose Kündigung wegen Äußerungen in einer WhatsApp-Chatgruppe
Autor: RA FAArbR Dr. Norbert Windeln, LL.M.,avocado rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2023
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2023
Einem Arbeitnehmer, der sich in einer privaten WhatsApp-Gruppe in beleidigender und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte und Kollegen äußert, kann grundsätzlich außerordentlich gekündigt werden. Nur im Ausnahmefall ist die Berufung auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung möglich. Hierzu bedarf es einer besonderen Darlegung.
BGB § 626 Abs. 1
Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Kollegen.
Im Rahmen eines Gesprächs über einen Arbeitsplatzkonflikt zeigte ein Gruppenmitglied den Chatverlauf einem anderen Mitarbeiter der Beklagten, der nicht Mitglied der Chatgruppe war. Dieser kopierte den Chatverlauf auf sein eigenes Smartphone. Später wurde der Chatverlauf über den Betriebsrat der Beklagten zugespielt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und fristlos.
Die Vorinstanzen gaben der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage statt mit der Begründung, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen einer vertraulichen Kommunikation gefallen seien. Diese Vertraulichkeit genieße verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorgehe.
Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Dies wiederum sei abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.
Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Kläger berechtigt erwarten durfte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Dabei gelte es auch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit dem Messaging-Dienst WhatsApp ein Medium genutzt habe, welches auf die schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegt sei.
Das LAG müsse dem Kläger nun die Gelegenheit für eine solche Darlegung einräumen und hiernach erneut entscheiden.
BGB § 626 Abs. 1
Das Problem
Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer privaten WhatsApp-Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. 2020 kam ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied hinzu. Alle waren langjährig miteinander befreundet, zwei miteinander verwandt.Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Kollegen.
Im Rahmen eines Gesprächs über einen Arbeitsplatzkonflikt zeigte ein Gruppenmitglied den Chatverlauf einem anderen Mitarbeiter der Beklagten, der nicht Mitglied der Chatgruppe war. Dieser kopierte den Chatverlauf auf sein eigenes Smartphone. Später wurde der Chatverlauf über den Betriebsrat der Beklagten zugespielt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und fristlos.
Die Vorinstanzen gaben der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage statt mit der Begründung, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen einer vertraulichen Kommunikation gefallen seien. Diese Vertraulichkeit genieße verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorgehe.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG teilt diese Auffassung nicht. Es hebt das Berufungsurteil auf und verweist den Rechtsstreit an das LAG zurück.Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Dies wiederum sei abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.
Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Kläger berechtigt erwarten durfte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Dabei gelte es auch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit dem Messaging-Dienst WhatsApp ein Medium genutzt habe, welches auf die schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegt sei.
Das LAG müsse dem Kläger nun die Gelegenheit für eine solche Darlegung einräumen und hiernach erneut entscheiden.