BAG, Urt. 25.11.2021 - 8 AZR 313/20

Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wegen unterlassener Stellenmeldung

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2022
Hat ein öffentlicher Arbeitgeber eine zu besetzende Stelle bei der Agentur für Arbeit nicht i.S.v. § 165 Satz 1 SGB IX ordnungsgemäß gemeldet, begründet dies die Vermutung für eine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung mit der Folge eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG.

AGG § 1, § 3 Abs. 1, § 6, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 22; SGB IX §§ 164, 165, 187 Abs. 4; Richtlinie 2000/78/EG Art. 5

Das Problem

Der beklagte Landkreis veröffentlichte bei der Jobbörse der Arbeitsagentur eine Ausschreibung für eine Stelle als Amtsleiter/in des Rechts- und Kommunalamtes. Der mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Kläger bewarb sich hierauf. Fünf Monate später teilte der Beklagte ihm mit, man habe sich anderweitig entschieden, ohne dass der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Der Kläger machte daraufhin einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Anders als in den Vorinstanzen war die Klage beim BAG erfolgreich: Der Beklagte habe es unterlassen, den ausgeschriebenen, mit schwerbehinderten Menschen besetzbaren Arbeitslatz der Arbeitsagentur ordnungsgemäß zu melden. Damit bestehe die Vermutung, dass der Beklagte kein Interesse an der Stellenbesetzung mit einer schwerbehinderten Person gehabt habe, weshalb der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei.

Der öffentliche Arbeitgeber habe zunächst die Pflicht, der Arbeitsagentur eine Meldung i.S.v. § 165 Satz 1 SGB IX über den Vermittlungsauftrag zu machen. Ein Vermittlungsauftrag sei nur ordnungsgemäß, wenn
  • frühzeitig über jede frei werdende oder neu zu besetzende oder neu geschaffene Stelle eine Meldung an die bei der Arbeitsagentur dafür eingerichtete Stelle erfolge und
  • die Angaben der Daten für einen qualifizierten Vermittlungsvorschlag im Auftrag enthalten seien.
Darüber hinaus sei die Schwerbehindertenvertretung nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX wegen der Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur unverzüglich zu unterrichten.

Die im Streitfall erfolgte Veröffentlichung des Stellenangebots allein über die Jobbörse der Arbeitsagentur stelle keine ordnungsgemäße Meldung nach § 165 Satz 1 SGB IX dar. Damit bestehe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung unmittelbar benachteiligt worden sei, § 3 Abs. 1 AGG. Er habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, die ihrer Höhe nach eine abschreckende Wirkung entfalten müsse; auf ein Verschulden komme es insoweit nicht an.


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