BAG, Urt. 25.1.2022 - 9 AZR 144/21

Zur Wirksamkeit von unbedingten Rückzahlungsklauseln in Aus- bzw. Fortbildungsdarlehensverträgen

Autor: RA FAArbR Dr. Henning Hülbach,BOISSERÉE Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Köln,Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht (TH Köln)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2022
Sieht eine unbedingte Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag keine Möglichkeit der Minderung der Rückzahlungsverpflichtung durch Betriebstreue vor, begründet dies nicht automatisch eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers.

BBiG § 1 Abs. 4 i.d.F. v. 23.3.2005, § 12 Abs. 2, § 14 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten um die Rückzahlungsverpflichtung aus einem Darlehensvertrag. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, bei der der Beklagte als Flugbegleiter tätig war.

Die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte hatten einen Darlehensvertrag sowie eine Ausbildungsvereinbarung zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot geschlossen. Diese nahmen an mehreren Stellen aufeinander Bezug. Daraufhin gewährte die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten zur Finanzierung der Fortbildung ein Darlehen, welches in festgelegten monatlichen Raten getilgt werden sollte.

Wie im Darlehensvertrag vorgesehen unterbreitete die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung ein Arbeitsvertragsangebot als Co-Pilot, welches der Beklagte annahm. Nachdem der Beklagte bereits einen Betrag i.H.v. 1.662,34 € zurückgezahlt hatte, schlossen die Insolvenzschuldnerin und er infolge der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin einen Aufhebungsvertrag.

Mit der Klage verfolgt der Kläger die Rückzahlung der restlichen 19.287,66 €. Der Beklagte vertritt im Rechtsstreit die Auffassung, die unbedingte Rückzahlungsverpflichtung nach Maßgabe des Darlehensvertrags benachteilige ihn unangemessen. Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das LAG hat die Klage dagegen insgesamt abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG gibt der Revision des Klägers statt und verweist den Rechtsstreit zurück an das LAG. Die Regelungen, insb. die Rückzahlungsklausel des Darlehensvertrags verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Bei einer unbedingten Beteiligung an Fortbildungskosten sei es nicht zu beanstanden, wenn dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit eingeräumt werde, die zurückzuzahlende Darlehenssumme durch Betriebstreue zu reduzieren. Im Vergleich zu Klauseln, die eine verringerte Rückzahlungsverpflichtung von einem Verbleib im Unternehmen abhängig machen, werde bei den unbedingten Rückzahlungsklauseln kein „Bleibedruck“ erzeugt, wodurch der Arbeitnehmer in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt würde. Die vertragliche Gestaltung sehe vorliegend keinerlei Abhängigkeit vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses vor. Das zur Verfügung gestellte Darlehen sei zwar für die Fortbildung ausgezahlt worden, jedoch sei der Arbeitnehmer nicht darin eingeschränkt, seinen Arbeitsplatz jederzeit frei zu wählen und/oder die dadurch erworbene Qualifikation anderweitig zu nutzen. Daran ändere auch das im Darlehensvertrag geregelte Arbeitsvertragsangebot nach erfolgreicher Fortbildung nichts. Der Arbeitnehmer bleibe weiterhin frei in seiner Entscheidung.

§ 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG finde vorliegend keine Anwendung, da es sich um eine Fortbildung nach § 1 Abs. 4 BBiG a.F. und nicht um eine Berufsausbildung nach § 1 Abs. 3 BBiG gehandelt habe.

Das LAG habe in der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung insb. zu berücksichtigen, welche Vorteile der Arbeitnehmer durch die Fortbildung erlange. Diese können in dem geldwerten Vorteil, aber auch in einem beruflichen Vorteil zu sehen sein. Insbesondere müsse ermittelt werden, ob der Arbeitnehmer durch die erfolgreiche Ausbildung seine Fertigkeiten und Kenntnisse nur innerhalb des bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses oder auch außerhalb dessen erfolgreich verwerten könne.


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