BAG, Urt. 25.1.2024 - 8 AZR 318/22

Keine Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Bewerber für kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts

Autor: RA FAArbR Dr. Stefan Sasse, GÖHMANN Rechtsanwälte, Magdeburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2024
Eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts ist nicht nach § 165 Satz 3 SGB IX zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet. Sie ist kein öffentlicher Arbeitgeber.

GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 5; AGG § 15 Abs. 2, §§ 22, 1; SGB IX § 165 Satz 3, § 154 Abs. 2 Nr. 4

Das Problem

Der schwerbehinderte Kläger macht gegenüber dem beklagten Kirchenkreis der evangelischen Kirche Ansprüche auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG geltend.

Als Indiztatsache für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung beruft er sich darauf, dass der Beklagte ihn entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Hierzu sei er als öffentlicher Arbeitgeber verpflichtet gewesen.

In den Vorinstanzen ist die Klage ohne Erfolg geblieben.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG weist die Revision zurück. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Entschädigung zu. Er habe keine Tatsachen vorgetragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Die unterbliebene Einladung gem. § 165 Satz 3 SGB IX lasse eine solche Benachteiligung nicht vermuten. Der Beklagte sei nicht zur Einladung verpflichtet gewesen.

Gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX gelte jede sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts als öffentlicher Arbeitgeber im Sinn von Teil 3 des SGB IX. Die Norm sei aber dahingehend auszulegen, dass sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfasste kirchliche Untergliederungen nicht erfasse. Die Norm knüpfe mit den Begriffen „Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts“ an das allgemeine verwaltungsrechtliche Begriffsverständnis an. Dies seien Organisationen des öffentlichen Rechts, die regelmäßig staatliche Aufgaben mit in der Regel hoheitlichen Mitteln unter staatlicher Aufsicht wahrnehmen (so schon BAG, Urt. v. 16.5.2019 – 8 AZR 315/18 Rz. 41, ECLI:DE:BAG:2019:160519.U8AZR315.18.0, MDR 2020, 174 = ArbRB 2019, 296 [Schewiola]).

Die Stellung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts sei gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV verfassungsrechtlich begründet. Sie nähmen keine Staatsaufgaben, seien nicht in die Staatsorganisation eingebunden und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht.

Daneben stützt das Gericht seine Argumentation auf den verfassungsrechtlich geschützten Rechtskreis der Religionsgesellschaften, welcher sie von anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts unterscheide. Mit der Norm des § 154 Abs. 2 SGB IX solle die „teilhaberechtliche Vorbildfunktion öffentlicher Arbeitgeber realisiert werden“. (Greiner in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Westphal/Krone, SGB IX, 15. Aufl. 2024, § 154 SGB IX Rz. 8). Es ist nach Auffassung des Gerichts aber nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Kirchen, die ebenso staatsfern sind wie private Arbeitgeber, eine solche Vorbildfunktion auferlegen wollte.


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