BAG, Urt. 25.7.2024 - 8 AZR 225/23

Schadensersatz bei unzulässiger Überwachung durch eine Detektei während Arbeitsunfähigkeit

Autor: RA FAArbR Dr. Detlef GrimmRA Dr. Sebastian Krülls, Loschelder Rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 12/2024
Lässt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit durch eine Detektei überwachen und dokumentiert diese dabei den sichtbaren Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, handelt es sich um eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Sinn der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

DSGVO Art. 82 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und 2; BDSG § 22 Abs. 2, § 26 Abs. 3

Das Problem

Nach mehreren vorausgegangenen Kündigungen und weiterer Uneinigkeit über den Inhalt der Beschäftigung erhob der Kläger Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung gegen die Beklagte. Am gleichen Tage meldete er sich krank und holte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.

Nach dem Eingang einer Folgebescheinigung ließ die Beklagte den Kläger wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit neun Tage lang durch eine Detektei zumindest stichprobenartig überwachen. Im Zuge dessen wurde die Praxis des Hausarztes und das Wohnhaus der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers aufgesucht.

Der Kläger verlangt von der Beklagten nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 € wegen unberechtigter Observation. Das LAG hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 1.500 € verurteilt.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision beider Parteien erachtet das BAG als unbegründet. Die Beklagte habe gegen Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 3 BDSG verstoßen, womit der nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorausgesetzte Verstoß vorliege. Die Dokumentation des sichtbaren Gesundheitszustands eines Arbeitnehmers (hier des Gangs) sei eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 3, § 22 Abs. 2 BDSG, die, um rechtmäßig zu sein, grds. u.a. erforderlich sein müsse.

Habe der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und möchte er den Arbeitnehmer daher durch Detektive beobachten lassen, könne die Verarbeitung von Gesundheitsdaten datenschutzrechtlich nur erforderlich sein, wenn der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert und eine Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich oder erfolgversprechend sei. Die Würdigung, dass der Beweiswert vorliegend nicht erschüttert sei, halte nach § 286 ZPO revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

Weiter habe der Kläger durch die rechtswidrige Observation einen immateriellen Schaden erlitten. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH könne schon der kurzzeitige Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Die bloße Berufung auf eine bestimmte Gefühlslage reiche jedoch nicht. Das BAG prüft, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ und wendet dazu einen objektiven Maßstab an.

Der Schaden liege hier neben dem Kontrollverlust als solchen insb. im Verlust der Sicherheit vor Beobachtung im privaten Umfeld. Das sei durch die mehrtägige Überwachung, die heimliche Beobachtung und Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers sowie die Beobachtung des Außenbereiches des Wohnhauses substantiiert.

Der ausgeurteilte Schadensersatzbetrag von 1.500 € sei nicht zu beanstanden. Bei der Bemessung der Schadenshöhe räumt der Senat den Tatsachengerichten nach § 287 Abs. 1 ZPO einen weiten Ermessensspielraum ein, innerhalb dessen sie die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen haben. Revisionsrechtlich sei dies nur eingeschränkt überprüfbar. Für die Beklagten spreche, dass sie den Detektivbericht nicht an Dritte gegeben habe und der Kläger keine weiteren psychischen Belastungen dargelegt habe. Videoaufnahmen oder ähnlich eingriffsintensive Aufnahmen seien zudem nicht erstellt worden.


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