BAG, Urt. 27.6.2017 - 9 AZR 133/16

Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzung zum Dienst- bzw. Werkvertrag – Fiktion eines Arbeitsverhältnisses

Autor: Rechtsanwalt & Mediator Dr. Ralf Steffan, Holthausen Maaß Steffan, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2018
Bei einer Arbeitnehmerüberlassung verpflichtet sich der Verleiher lediglich, dem Entleiher Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Davon zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem anderen Unternehmen als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Zur Bestimmung des maßgeblichen Beschäftigungsverhältnisses sind die vertraglichen Vereinbarungen und die praktische Durchführung heranzuziehen. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgeblich.

BAG, Urt. v. 27.6.2017 - 9 AZR 133/16

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 21 Sa 2326/14

BGB § 645 Abs. 1 Satz 1; AÜG i.d.F. v. 28.4.2011 § 1 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1

Das Problem

Die Klägerin war befristet bei der beklagten Rundfunkanstalt beschäftigt. Nach Ablauf der Befristung verlagerte die Beklagte die bisher von der Klägerin wahrgenommenen Tätigkeiten konzernintern auf eine Tochtergesellschaft. Diese führte die Tätigkeiten (insb. Aufbau und Betreuung eines Fotoarchivs) auf der Basis einer befristeten Rahmenvereinbarung fort. Hierfür stellte sie die Klägerin wiederum befristet ein. Jedenfalls zu Beginn der Tätigkeit verfügte die Tochtergesellschaft nicht über eine Überlassungserlaubnis. Rahmenvereinbarung und Arbeitsvertrag wurden mehrfach verlängert.

Die Klägerin ist der Ansicht, zwischen ihr und der Rundfunkanstalt sei ein Arbeitsverhältnis aufgrund der Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG a.F. zustande gekommen, weil sie nicht als Erfüllungsgehilfin eines Dienstvertrags, sondern als illegal überlassene Arbeitnehmerin tätig gewesen sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG weist die Klage ab, weil die Beziehung zwischen Rundfunkanstalt und Tochtergesellschaft als Dienstvertrag zu qualifizieren sei. Typisch für die Arbeitnehmerüberlassung sei die Verpflichtung des Verleihers, dem Entleiher Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Mit der Auswahl der Arbeitnehmer ende seine Vertragspflicht. Demgegenüber sei der Unternehmer bei einem Dienst- oder Werkvertrag für die vertraglich vorgesehenen Dienste oder das herzustellende Werk verantwortlich und setze den Mitarbeiter im Rahmen seiner Weisungen als Erfüllungsgehilfen ein. Maßgeblich für die Bestimmung der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten sei neben der vertraglichen Vereinbarung, was sie wirklich gewollt hätten. Der so ermittelte wirkliche Wille bestimme den Geschäftsinhalt und somit den Vertragstyp.

Sowohl die Rahmenvereinbarung als auch deren tatsächliche Durchführung sprächen für einen Dienstvertrag, weil nicht die Überlassung von Personal, sondern die Betreuung des Fotoarchivs vereinbart und durchgeführt worden sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin auch Tätigkeiten wahrgenommen habe, die über den vereinbarten Leistungsumfang hinausgingen. Diese seien nicht von solchem Gewicht gewesen, dass sie die Tätigkeit prägten. Außerdem habe die Klägerin nicht dargelegt, dass sie diese Tätigkeiten auf Weisung oder zumindest mit Wissen und Billigung der Beklagten erbracht habe. Schließlich sei die Tochtergesellschaft auch aufgrund ihrer technischen und personellen Organisation in der Lage gewesen, dienstvertragliche Unternehmerpflichten zu erfüllen und fachbezogene Weisungen zu erteilen.


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