BAG, Urt. 27.7.2017 - 2 AZR 681/16
Überwachung mittels Keylogger – Verwertungsverbot
Autor: RA FAArbR Dr. Henning Hülbach,Rechtsanwälte Verweyen Lenz-Voß Boisserée, Köln,Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht (TH Köln)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 11/2017
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 11/2017
Der Einsatz eines die Tastatureingaben des Arbeitnehmers protokollierenden Programms zur heimlichen umfassenden Überwachung seiner Aktivität nebst automatisierter Fertigung von Screenshots („Keylogger”) bedarf erheblicher rechtfertigender Umstände. Fehlt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer Straftat oder sonstigen schweren Pflichtverletzung, ist eine derartige Maßnahme im Regelfall unzulässig und unterliegen die dabei gewonnenen Erkenntnisse einem Verwertungsverbot.
BAG, Urt. v. 27.7.2017 - 2 AZR 681/16
Vorinstanz: LAG Hamm - 16 Sa 1711/15
GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1; BDSG § 32 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1
Nachdem die Beklagte auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software zur Protokollierung aller Tastatureingaben und zur regelmäßigen Fertigung von Screenshots installiert hatte, fand zwischen den Parteien ein Gespräch statt, in dem der Kläger eine private Rechnernutzung während der Arbeitszeit einräumte. Hierauf habe er in den letzten Monate ca. zehn Minuten pro Tag verwendet. Die Auswertung der Überwachungsergebnisse durch die Beklagte ergab eine noch höhere private Nutzung. Anlass für die Installation des Keyloggers sei ein Verdacht des Arbeitszeitbetrugs gewesen, da der Kläger von einer Kollegin dabei beobachtet worden sei, wie er eine stark bebilderte Webseite hastig weggeklickt habe.
Der Kläger wendet sich gegen die fristlose, vorsorglich ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen geben ihm Recht.
Der Eingriff sei nicht durch Vorschriften des BDSG gerechtfertigt. So liege schon keine wirksame Einwilligung vor, da die schlichte widerspruchslose Hinnahme der Information über die Überwachung der PC-Nutzung keine wirksame Einwilligung sei. Zudem sei dem Kläger nicht eröffnet worden, dass seine Tastatureingaben „mitgelogged” und regelmäßige Screenshots gefertigt würden.
Der Eingriff sei auch nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt, da ein durch konkrete Tatsachen begründeter Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung fehle. Insoweit sei die Keylogger-Überwachung rechtlich mit der verdeckten Videoüberwachung gleichzusetzen. Auch ohne konkreten Anfangsverdacht könnten indes weniger einschneidende Datenerhebungen und Kontrollen, insbesondere stichprobenartige Kontrollen von Verlaufsdaten bei verbotener Privatnutzung von IT-Einrichtungen zulässig sein. Dem gegenüber sei ein Keylogger von höchster Eingriffsintensität, da sämtliche Tastatureingaben protokolliert würden und daher ein umfassendes, lückenloses Nutzerprofil erstellt werden könne. Selbst hochsensible Benutzerdaten wie Passwörter und Kreditkartendaten würden dabei erfasst, ohne dass dies für die Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich sei.
Die unstreitig erfolgte Privatnutzung im zeitlichen Umfang von lediglich ca. zehn Minuten täglich ist aus Sicht des BAG ebenfalls nicht geeignet, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit habe es an einer Abmahnung gefehlt. Diese sei auch nicht entbehrlich gewesen.
BAG, Urt. v. 27.7.2017 - 2 AZR 681/16
Vorinstanz: LAG Hamm - 16 Sa 1711/15
GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1; BDSG § 32 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1
Das Problem
Der Kläger war bei der Beklagten als Webentwickler tätig. Er war schriftlich verpflichtet, Hard- und Software nur für Arbeitsaufgaben zu nutzen. Auch war schriftlich mitgeteilt, dass insbesondere „Internet Traffic mitgelogged und dauerhaft gespeichert” wird. Von der ausdrücklichen Möglichkeit zum Widerspruch gegen diese Vorgabe hatte der Kläger keinen Gebrauch gemacht.Nachdem die Beklagte auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software zur Protokollierung aller Tastatureingaben und zur regelmäßigen Fertigung von Screenshots installiert hatte, fand zwischen den Parteien ein Gespräch statt, in dem der Kläger eine private Rechnernutzung während der Arbeitszeit einräumte. Hierauf habe er in den letzten Monate ca. zehn Minuten pro Tag verwendet. Die Auswertung der Überwachungsergebnisse durch die Beklagte ergab eine noch höhere private Nutzung. Anlass für die Installation des Keyloggers sei ein Verdacht des Arbeitszeitbetrugs gewesen, da der Kläger von einer Kollegin dabei beobachtet worden sei, wie er eine stark bebilderte Webseite hastig weggeklickt habe.
Der Kläger wendet sich gegen die fristlose, vorsorglich ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen geben ihm Recht.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG weist die Revision der Beklagten als unbegründet zurück. Die Vorinstanzen hätten bezüglich der Überwachungsergebnisse zu Recht ein Verwertungsverbot aufgrund des grundgesetzlich geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angenommen.Der Eingriff sei nicht durch Vorschriften des BDSG gerechtfertigt. So liege schon keine wirksame Einwilligung vor, da die schlichte widerspruchslose Hinnahme der Information über die Überwachung der PC-Nutzung keine wirksame Einwilligung sei. Zudem sei dem Kläger nicht eröffnet worden, dass seine Tastatureingaben „mitgelogged” und regelmäßige Screenshots gefertigt würden.
Der Eingriff sei auch nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt, da ein durch konkrete Tatsachen begründeter Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung fehle. Insoweit sei die Keylogger-Überwachung rechtlich mit der verdeckten Videoüberwachung gleichzusetzen. Auch ohne konkreten Anfangsverdacht könnten indes weniger einschneidende Datenerhebungen und Kontrollen, insbesondere stichprobenartige Kontrollen von Verlaufsdaten bei verbotener Privatnutzung von IT-Einrichtungen zulässig sein. Dem gegenüber sei ein Keylogger von höchster Eingriffsintensität, da sämtliche Tastatureingaben protokolliert würden und daher ein umfassendes, lückenloses Nutzerprofil erstellt werden könne. Selbst hochsensible Benutzerdaten wie Passwörter und Kreditkartendaten würden dabei erfasst, ohne dass dies für die Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich sei.
Die unstreitig erfolgte Privatnutzung im zeitlichen Umfang von lediglich ca. zehn Minuten täglich ist aus Sicht des BAG ebenfalls nicht geeignet, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit habe es an einer Abmahnung gefehlt. Diese sei auch nicht entbehrlich gewesen.